Auszeichnung für „die mutigsten Frauen Europas“
Von Andreas Heitker, Aachen
In einer emotionalen Feierstunde sind am Donnerstag die drei führenden belarussischen Oppositionspolitikerinnen Swetlana Tichanowskaja (39), Veronika Tsepkalo (49) und Maria Kalesnikawa (40) mit dem diesjährigen Internationalen Karlspreis ausgezeichnet worden. Anstelle von Kalesnikawa, die in Belarus im Gefängnis sitzt und zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, nahm im historischen Rathaus von Aachen ihre Schwester Tatsiana Khomich die Auszeichnung entgegen. Die drei Frauen hatten 2020 und 2021 die Massenproteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko angeführt, die in Minsk und anderen belarussischen Städten hunderttausende Menschen auf die Straßen gebracht hatten.
Einsatz gegen brutale Willkür
Grund waren die von Lukaschenko offensichtlich grob gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2020. Alle politischen Beobachter gehen davon aus, dass Tichanowskaja die Wahlen mit großer Mehrheit gewonnen hat. Die belarussische Revolution wurde von Lukaschenko – auch mit der Hilfe des russischen Präsidenten Wladimir Putin – brutal zerschlagen. Tichanowskaja und Tsepkalo flohen ins Ausland.
Die Karlspreis-Gesellschaft erklärte, sie wolle die drei Frauen für ihren „mutigen und ermutigenden Einsatz gegen die brutale staatliche Willkür, Folter, Unterdrückung und die Verletzung elementarer Menschenrechte durch ein autoritäres Regime“ sowie für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit würdigen. Die drei Leitfiguren der belarussischen demokratischen Bewegung seien „energiegeladene, lebendige Symbole für den Geist der Freiheit“. Ihre Opfer seien beispiellos, ihre Botschaften ansteckend und aufrüttelnd. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die die Laudatio hielt, betonte, die drei Preisträgerinnen seien „die mutigsten Frauen Europas“ und ein Vorbild für viele junge Menschen. Auch wenn sich aktuell vieles auf die Ukraine konzentriere, werde die EU auch die Demokratiebewegung in Belarus nicht vergessen, stellte Baerbock in Aachen klar.
Tichanowskaja rief die Europäische Union zu Einigkeit auf – sowohl mit Blick auf die Ukraine als auch in ihrer Politik gegenüber Belarus. Ein Frieden in der Ukraine sei nur möglich, wenn auch in Belarus die Diktatur ende. Die größte Sanktion für den Kreml wäre zudem ein freies Belarus. Die drei Preisträgerinnen riefen die EU dazu auf, bei der Sanktionspolitik gegenüber Russland die belarussische Bevölkerung nicht mit Lukaschenko gleichzusetzen, der sein Volk in Geiselhaft nehme.
Der Internationale Karlspreis wird seit 1950 verliehen. Zuletzt erhielten die Auszeichnung der rumänische Präsident Klaus Iohannis (2020/21), UN-Generalsekretär António Guterres (2019) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron (2018).