UBS

Axel Weber 65

Was für die Börsen nicht gut ist, bekommt auch dem weltgrößten Vermögensverwalter UBS schlecht. Weber verlässt die Bank zur richtigen Zeit. Nicht nur, weil er am kommenden Dienstag mit 65 Jahren das offizielle Rentenalter erreicht.

Axel Weber 65

Von Daniel Zulauf, Zürich, und Claus Döring, Frankfurt

„Ich glaube, dass ich hier genauso viele Gestaltungsmöglichkeiten habe wie in anderen Ämtern“, sagte Axel Weber im September 2012, wenige Monate nachdem ihn die Generalversammlung der UBS-Aktionäre in ihren Verwaltungsrat gewählt hatte, damit er diesen anschließend gleich präsidieren konnte. Vielleicht war der frühere Bundesbankpräsident und Spitzenökonom zu jenem Zeitpunkt selbst noch nicht vollends überzeugt, mit dem Wechsel in die Welt der Geschäftsbanken die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Klar ist, dass der Professor und Geldtheoretiker mit dem Schritt in die Privatwirtschaft einen großen Schritt wagte. „Ich habe mein Mandat bei der EZB und der Bundesbank 2011 zur Verfügung gestellt, weil ich nicht in die Lage kommen wollte, Entscheidungen über Anleihenkäufe zu treffen und vertreten zu müssen, hinter denen ich nicht stehen kann.“ Was man in Deutschland schon länger wusste, erklärte er nach seiner Ankunft in Zürich auch dem Schweizer Publikum in allerlei Variationen.

Von der Bundesbank zur UBS

Enttäuschung über sein von ihm als fehlende Unterstützung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel empfundenes und mit dem abrupten Rücktritt als Bundesbankpräsident quittiertes Nachsehen im Nachfolgepoker für EZB-Präsident Trichet ließ sich der aus dem nordpfälzischen Kusel stammende Lehrersohn auch in der Schweiz nie anmerken. Allerdings räumte er im Gespräch doch unumwunden ein, dass das Amt des EZB-Präsidenten „natürlich mit sehr viel Einfluss verbunden“ sei. Dieser und ähnliche Sätze führten auch den UBS-Aktionären vor Augen, dass es für ambitionierte Ökonomen vom Schlage Axel Webers kaum eine höhere Aufgabe geben kann, als die machtvollen Hebel der Geldpolitik selber zu bedienen. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, weshalb sich die Eigentümer der Großbank ihren illustren deutschen Präsidenten auch einiges kosten ließen – zumal auch die Deutsche Bank Weber gerne als Nachfolger für Josef Ackermann verpflichtet hätte, doch deren Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Börsig die Sache damals vermasselte.

Weber, der sich auf der nächsten Generalversammlung am 6. April nach exakt zehn Jahren von seinen UBS-Aktionären verabschieden wird, hat in der zehnjährigen Tätigkeit für das Schweizer Finanzinstitut über 50 Mill. sfr verdient. Er ist seit langem der mit Abstand bestbezahlte Aufsichtsratschef in ganz Europa.

Im Rückblick auf die Ära Weber werden die UBS-Eigner im kommenden Monat aber feststellen dürfen, dass die großzügige Vergütung des Präsidenten kein schlechtes Investment war. Mit dem geübten Auge für relevante politökonomische Entwicklungen in der Finanzwelt er­kannte Weber frühzeitig, dass die UBS auf eine möglichst rasche Bereinigung ihrer zahlreichen juristischen Altlasten hinarbeiten musste, um die absehbare Flut von Geldstrafen möglichst gering zu halten.

So warnte Weber im Sommer 2013 im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: „Die öffentliche Meinung wird sich mit jeder Facette, die über vergangenes Fehlverhalten publik wird, stärker gegen die Banken richten.“ Auf Zeit zu spielen sei „sinnlos“, wenn es keine „klar fundierte Aussicht gibt, in einem Verfahren auch obsiegen und dabei auch noch die Schlagzeilenhoheit wahren zu können“, konstatierte er im Widerspruch zu manchen Konkurrenten, die ihre zögerliche Aufarbeitung der Altlasten später in der Tat teuer bezahlen sollten. So hatte sich die UBS für ihre Teilnahme am internationalen Libor-Kartell eine Strafe der EU-Wettbewerbsbehörden in Höhe von 2,5 Mrd. Euro erspart.

Zu einem Schwenk in der Litigation-Strategie kam es im Rahmen des noch immer nicht final entschiedenen Steuerstreites in Frankreich, den die UBS gerichtlich und nicht mit einem milliardenschweren Vergleich lösen wollte. Im Frühjahr 2019 verurteilte ein Pariser Gericht die Bank in erster Instanz zu einer Strafe plus Schadenersatz in Höhe von 4,5 Mrd. Euro. Der Schock saß tief, und die UBS-Aktionäre reagierten postwendend: Auf der Generalversammlung 2019 verweigerten sie der UBS-Führung die Entlastung. Inzwischen hat die Bank auch in der zweiten Instanz verloren, allerdings mit einem deutlich tieferen Strafmaß. Der Fall liegt inzwischen beim höchsten französischen Gericht, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die UBS auch in diesem Fall für ihre eigenwillige Verteidigungsstrategie belohnt werden wird.

Diese und andere Dossiers gehen künftig über den Schreibtisch des irisch-amerikanischen Investmentbankers Colm Kelleher, den Weber im November als seinen Nachfolger der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Exakt ein Jahr davor hatte der Niederländer Ralph Hamers den Posten als CEO übernommen. Damit ist UBS die erste Schweizer Großbank, in der die beiden höchsten Führungspositionen durch Ausländer besetzt sind. Weber sieht darin kein Problem, solange die Leistung stimmt. Damit stößt er in der Schweiz nicht überall auf Zustimmung, wenngleich die UBS in der Finanzkrise unter Schweizer Führung bedrohlich nahe an den Abgrund geraten war.

Wieder dividendenfähig

Inzwischen steht die Bank in puncto Kapitalausstattung und Rentabilität wieder auf festem Grund, und Weber hat sein Ziel erreicht, die Dividendenfähigkeit der Bank zurückzuerlangen. Doch mit dem Verlauf des Aktienkurses kann der scheidende Präsident kaum zufrieden sein. Die Performance seit Frühjahr 2011 ist leicht negativ. Von einer substanziellen Prämie zum Buchwert, wie sie die Aktien vieler US-Banken aufweisen, können die UBS-Aktionäre immer noch bloß träumen. Eine Besserung ist im aktuellen Umfeld kaum zu erwarten. Die „ungemütlich hohen“ Inflationsraten könnten die Märkte noch während drei Jahren beschäftigen, hatte Weber erst im November auf einer internationalen Finanztagung gewarnt. Inzwischen dürfte er einen noch deutlich längeren Zeitraum für das Teuerungsproblem sehen. Was für die Börsen nicht gut ist, bekommt auch dem weltgrößten Vermögensverwalter UBS schlecht. Weber verlässt die Bank zur richtigen Zeit. Nicht nur, weil er am kommenden Dienstag mit 65 Jahren das offizielle Rentenalter erreicht.

Issings Nachfolger beim CFS

Ab dem Sommer werden die ökonomische Forschung und Politikberatung sowie der Finanzplatz Frankfurt wieder stärker in Webers Fokus rücken. Denn dort, wo er sich einst als Hochschullehrer und von 1998 bis 2002 als einer der wissenschaftlichen Direktoren des Center for Financial Studies (CFS) in der akademischen Welt profilierte, soll er zum 1. Juli das Amt des Kuratoriumsvorsitzenden und Präsidenten der diesen Thinktank tragenden Gesellschaft für Kapitalmarktforschung von Prof. Otmar Issing übernehmen.