Barnier setzt bei Defizitbekämpfung auf unbekanntes Duo
Französische Haushaltspolitik
Barnier setzt bei Defizitbekämpfung auf junges Duo
Von Gesche Wüpper, Paris
wü Paris
Er werde kein Minister der „steuerlichen Beschlagnahmung“ sein, hat er versprochen. Doch Frankreichs neuer Wirtschafts- und Finanzminister Antoine Armand hat in seinem ersten Interview mit der Sonntagszeitung „JDD“ auch nicht ausgeschlossen, außerordentliche und gezielte Steuererhöhungen vorzunehmen. Immerhin steht er vor der Mammutaufgabe, die öffentlichen Finanzen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone sanieren zu müssen. Ihr Defizit droht dieses Jahr von 5,5% auf 6% zu steigen, wenn nichts passiert. Beobachter halten deshalb für möglich, dass die von Emmanuel Macron nach seiner Wahl abgeschaffte Vermögensteuer ISF wieder eingeführt wird.
Bei der Defizitbekämpfung steht Armand Budgetminister Laurent Saint-Martin zur Seite. Er ist direkt Premierminister Michel Barnier unterstellt und nicht wie sonst üblich dem Wirtschaftsminister. Sowohl Armand als auch Saint-Martin sind in der breiten Öffentlichkeit relativ unbekannt. Sie gelten als Anhänger Macrons und des von ihm bisher verfolgten wirtschaftspolitischen Kurses mit Reformen und Steuersenkungen.
Für französische Elite typischer Lebenslauf
Seit der Amtsübergabe mit seinem Vorgänger Bruno Le Maire am Sonntagabend ist Armand der jüngste Wirtschaftsminister der V. Republik. Gerade mal 33 Jahre alt, ist er am 10. September geworden. „Die, die ihn mögen, werden sagen, dass er jung und brillant ist. Die anderen, dass er brillant, aber jung ist“, meint der Abgeordnete Harold Huwart von der Zentrumsfraktion Liot. Tatsächlich hat Armand einen Lebenslauf, der typisch für Vertreter der französischen Elite ist.
Erst absolvierte er nach dem Abitur eine sogenannte Vorbereitungsklasse an dem renommierten Gymnasium Henri IV in Paris, dann die École Nationale Supérieur und schließlich die Kaderschmiede École Nationale d’Administration (ENA). Anschließend begann er seine Karriere in der Finanzinspektion. 2022 zog er als Abgeordneter eines Wahlkreises des unterhalb des Genfer Sees gelegenen Départements Haute-Savoie, aus dem seinen Vorfahren stammen, in die Nationalversammlung ein. Dort übernahm er nach seiner Wiederwahl im Juli den Vorsitz der Wirtschaftskommission.
Berühmter Urgroßvater weckt Interesse für Energiefragen
Sein rhetorisches Geschick habe Armand, der jetzt in Brüssel die französische Haushaltspolitik verteidigen muss, vor den Neuwahlen in einem Fernsehduell mit einem Vertreter des rechtsextremen Rassemblement National (RN) unter Beweis gestellt, berichten französische Medien. Wesentlich bekannter als der neue Wirtschaftsminister ist dessen Urgroßvater Louis Armand. Der Widerstandskämpfer stand von 1949 bis 1958 an der Spitze der französischen Staatsbahn SNCF, danach zwei Jahre lang an der Spitze der gerade gegründeten Euratom.
Vielleicht hat die Karriere seines Urgroßvaters das Interesse Armands für Energiefragen geweckt. Als die Nationalversammlung nach Beginn des Ukraine-Krieges eine Untersuchungskommission zum Verlust der Unabhängigkeit Frankreichs bei der Energieversorgung einsetzte, wurde er ihr Berichterstatter und verfasste entsprechende Empfehlungen. Anfang des Jahres dann hat er das Buch „Le Mur énergétique français“ („Die französische Energie-Mauer“) veröffentlicht. Er hoffe, eine Lösung für den seit Jahren dauernden Streit Frankreichs mit der EU-Kommission über die Zukunft der französischen Wasserkraft-Konzessionen zu finden, heißt es in Paris.
Spezialist für Unternehmensförderung
Haushaltsminister Saint-Martin, 39, war seit 2023 Generaldirektor von Business France, der Vermarktungsagentur der französischen Wirtschaft. 2016 war er einer der Ersten, die sich der damals von Macron lancierten Partei En marche angeschlossen haben. 2017 zog er als Abgeordneter in die Nationalversammlung ein und wurde Berichterstatter der Finanzkommission. Sein Onkel, Claude Raynal, ist bei den Sozialisten und steht der Finanzkommission des Senats vor. Der aus Toulouse stammende Budgetminister hat an der Edhec Business School studiert, bevor er bei Oséo begann, der in Bpifrance aufgegangenen Fördereinrichtung für mittelgroße Unternehmen. Früher war er auch bei den Sozialisten und hat sich in dem sozialliberalen Thinktank „En Temps Réel“ zusammen mit Euronext-Chef Stéphane Boujnah engagiert. Dieser holte ihn 2016 zu dem Börsenbetreiber.