„Bei den Investoren sind wir ‚The Petras‘“
„The Petras“ von Sartorius
Von Carsten Steevens, Hamburg
Seit 2003 steht Joachim Kreuzburg an der Spitze des Biopharmazulieferers und Laborausrüsters Sartorius. Seit dem gleichen Jahr leitet Petra Kirchhoff die Unternehmenskommunikation. 2011 übernahm sie bei dem Konzern in Göttingen zusätzlich die Leitung der Investor Relations (IR) – ungewöhnlich unter den 40 größten börsennotierten Gesellschaften in Deutschland. „Eine IR- und PR-Doppelfunktion bei anderen Dax-Unternehmen ist mir nicht bekannt, insofern ist die Konstellation bei Sartorius wohl eine besondere“, sagt die 54-Jährige. Andere Konzerne hätten Strategie und IR gebündelt, manche auch IR und Nachhaltigkeit oder IR und Treasury.
Bei Sartorius, seit 1990 an der Börse und seit September 2021 Mitglied im Dax, existiert die Doppelfunktion mit der PR seit knapp anderthalb Jahrzehnten. Als 2011 ein personeller Wechsel anstand, wurde IR mit zwei Mitarbeitern ein Teil von Corporate Communications, kurz Corpcom. „Der Gedanke war, eine ‚One Voice Policy‘ zu implementieren, eine konsistente Kommunikation über alle Zielgruppen und Kanäle“, erinnert sich Kirchhoff, die seitdem den Titel „Head of Corpcom & Investor Relations“ trägt. Seinerzeit lag der Kurs der Sartorius-Vorzugsaktie noch unter 10 Euro. Aktuell beläuft er sich auf rund 240 Euro. Während der pandemiebedingten Sonderkonjunktur für Sartorius ragte das Papier im Herbst 2021 auch schon über die Marke von 600 Euro hinaus.
PR und IR gebündelt
Nach wie vor lege Sartorius viel Wert darauf, dass sowohl in der internen als auch in der externen Kommunikation die Botschaften dieselben sind, wenn auch mit unterschiedlicher Tiefe oder verschiedenen Schwerpunkten. Um Kommunikation aus einer Hand zu ermöglichen, habe es nahegelegen, PR- und IR-Funktionen zu bündeln und die Investorenkommunikation als Teil der Gesamtkommunikation zu verstehen, erklärt die Diplom-Volkswirtin weiter, die Leiterin der Pressestelle und des Ministerbüros im niedersächsischen Wissenschafts- und Kulturministerium war, ehe sie 2001 zu Sartorius kam.
Verstärkung für die Kapitalmarktkommunikation gibt es seit 2022 durch Petra Müller, die das IR-Team innerhalb der Gesamtabteilung Corporate Communications & Investor Relations leitet. „Bei den Investoren sind wir seit ihrem Wechsel zu Sartorius vor anderthalb Jahren aufgrund unseres gleichen Vornamens ‚the Petras‘“, sagt Kirchhoff. Im IR-Team von Sartorius kümmern sich mittlerweile vier Personen um den Dialog mit dem Kapitalmarkt, die Einhaltung der Regulatorik, die Beobachtung der Mitbewerber und auch darum, die Außensicht auf Sartorius in das Unternehmen hineinzutransportieren, wie Müller, die von 2021 an IR- und PR-Leiterin beim Nutzfahrzeugzulieferer SAF-Holland und zuvor ab 2015 in diesen Funktionen für den Halbleiterwafer-Hersteller Siltronic tätig war, erläutert. „Als Besonderheit kommt hinzu, dass wir für zwei Aktiengesellschaften zuständig sind: für die in Deutschland börsengelistete Sartorius AG und für die in Frankreich an der Euronext gelistete Sartorius Stedim Biotech S.A.“
Keine Ausbaupläne
Pläne für einen Ausbau des Investor-Relations-Bereichs gibt es aktuell nicht. Seit zwei Jahren hat der Life-Science-Konzern mit Mirko Koch einen weiteren Kapitalmarktsprecher; Gari Hoto befasst sich vor allem mit der Zahlenanalyse von Mitbewerbern, Konsensus-Themen und Präsentationen. Eine Assistenz ist mit Termindisposition beschäftigt, und ein auf Personal- und Nachhaltigkeitskommunikation spezialiserter PR-Kollege unterstützt bei diesen Themen. „Wir haben viele Calls pro Tag und sind regelmäßig auf Konferenzen, was einen hohen organisatorischen Aufwand erfordert“, sagt Müller. „Manche Unternehmen verteilen diese Aufgaben auf mehr Schultern, bei Sartorius ziehen wir bei Bedarf Kollegen aus den anderen Kommunikationsfunktionen hinzu und kommen zurecht.“
Die Dax-Aufnahme von Sartorius im September 2021 hat, wie Kirchhoff anmerkt, die Arbeit im Medienbereich verstärkt, weniger im Investorenbereich. „Als Dax-40-Unternehmen bekommt man mehr Medienanfragen, das haben wir deutlich gemerkt.“ Für Sartorius-Investoren – die größte Gruppe ist in den USA ansässig, dann folgen Investoren aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland – sei das Thema Dax weniger entscheidend.
Deutlich mehr US-Investoren
Über die Jahre hat sich der Anteil der US-Investoren deutlich erhöht. 2011, ein Jahr vor der Aufnahme in den TecDax, war Sartorius am US-Kapitalmarkt kaum präsent. Inzwischen seien die USA „eine Kern-Destination für uns geworden“, unterstreicht Kirchhoff. Das habe für das Unternehmen Bedeutung, denn in den USA seien viele relevante Fonds ansässig. „US-Investoren kennen den Life-Science-Markt sehr gut, auch weil viele unserer Mitbewerber US-Unternehmen sind.“
Im Laufe der Zeit nahm auch die Anzahl der Analysten, die sich mit Sartorius beschäftigen, zu. Die Aufnahme des Unternehmens in den TecDax spielte dabei eine wichtige Rolle. Das IR-Team habe über die Jahre hinweg sehr aktiv daran gearbeitet, das Interesse des Kapitalmarkts an Sartorius, die Coverage-Anzahl, zu erhöhen, erklärt Kirchhoff. „Ein Unternehmen konkurriert nicht nur um Kunden oder um Talente, sondern auch um Kapital.“
Aktuell steht das Unternehmen mit rund 25 Analysten im Dialog, wie Müller hinzufügt. Früher habe Sartorius für eine Steigerung der Coverage-Anzahl arbeiten müssen, heute kämen die Analysten „quasi fast en passant“ von selbst. „Anfänglich haben wir auch sehr dafür gearbeitet, dass Analysten sowohl die Sartorius AG als auch die Sartorius Stedim Biotech covern, unsere in Frankreich gelistete Konzerngesellschaft“, so Müller. Auch das geschehe heute fast automatisch. Bei Sartorius berichten die IR-Verantwortlichen direkt an den CEO, arbeiten aber auch mit anderen Vorständen zusammen, vor allem mit dem Finanzvorstand und dem CEO von Sartorius Stedim Biotech.
Nur eine im Verband
Müller, Jahrgang 1967, gehört seit 2018 dem Vorstand des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK) an. Damit nach ihrem Wechsel als IR-Leiterin zu Sartorius nicht zwei Vertreter desselben Unternehmens Mitglied in dem Gremium sind, gab Kirchhoff ihre Position im DIRK-Vorstand auf. Im Gespräch unterstreicht sie die Relevanz des Fachverbandes für die Kapitalmarktkommunikation bei Sartorius: „Der DIRK ist ein sehr aktiver, toller Verband, der immer wieder die relevanten Themen aufgreift und für die praktische IR-Arbeit sehr nützlich ist.“
Zur Frage nach möglichen Interessenkonflikten zwischen ihrer Position als „Head of Corpcom & Investor Relations“ und als Mitglied im Aufsichtsrat von Sartorius sagt Kirchhoff, sie könne „beide Hüte gut trennen“. Wenn sie auf Roadshow sei, trete sie nicht als Aufsichtsratsmitglied auf, sondern als Kapitalmarktsprecherin. „Das wird auch vollkommen akzeptiert, viele Investoren wissen nicht mal, dass ich Aufsichtsratsmitglied bin.“ Dem Kontrollgremium gehört Kirchhoff als Vertreterin der leitenden Angestellten seit 2010 an. Sie sei durch dieses Amt „sehr nah dran an Strategie- und Governance-Themen“ und habe es „immer als wechselseitig sehr synergetisch und befruchtend empfunden, diese beiden Positionen innezuhaben“.
Dass sie auch nach dem Rückzug des Sartorius-Chefs, des aktuell dienstältesten Vorstandsvorsitzenden eines Dax-Unternehmens, weiterhin für den Konzern aus Göttingen arbeiten will, fügt Kirchhoff in dem Gespräch auch noch hinzu. „Joachim Kreuzburg hört im November 2025 als CEO auf, ich selbst plane nicht, meine Tätigkeit für Sartorius zu beenden.
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