Brückenbauer der EZB
Brückenbauer der
Europäischen Zentralbank
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Bei seinem Namen klingelt etwas auch bei Menschen, die mit Geldpolitik so gar nichts am Hut haben. Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau entstammt einer lothringisch-saarländischen Industriellenfamilie, die im 18. Jahrhundert eine Fayencerie im Saarland gründete. Aus dieser ging später der renommierte Keramikwarenhersteller Villeroy & Boch hervor.
Den Franzosen verbindet jedoch nicht nur der Name mit dem Unternehmen. Bevor er 2015 Gouverneur der französischen Notenbank wurde, saß er im Aufsichtsrat von Villeroy & Boch. Sein Familienhaus in Wallerfangen bei Saarlouis befindet sich seit acht Generationen im Besitz der Villeroy de Galhaus.
Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland
Vermutlich spielt seine Abstammung bei seiner Haltung zu Europa eine wichtige Rolle. „Ich bin zu 100 Prozent Franzose“, sagte Villeroy de Galhau Ende 2023 auf einer Veranstaltung in Frankfurt. Und er ergänzte: „Ich bin zu 100 Prozent Saarländer und auch zu 100 Prozent Europäer“. In Reden, in die er gerne humorvolle Sprüche einstreut, betont das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) regelmäßig die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen für den Wohlstand Europas.
Generell befürwortet er eine starke innereuropäische Zusammenarbeit. In seinem 2014 erschienenen Buch „Die Hoffnung eines Europäers“ sprach er sich dafür aus, dass die EU die Beschäftigung junger Erwachsener stärker fördern solle, und lobte das Austauschprogramm Erasmus. Bei öffentlichen Auftritten forderte er zuletzt auch eine starke Kapitalmarktunion in Europa. Für seine Verdienste um die deutsch-französischen Beziehungen erhielt Villeroy de Galhau an diesem Freitag das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Suche nach Kompromissen
In geldpolitischen Debatten ist er jedoch längst nicht immer einer Meinung mit seinem deutschen Ratskollegen Joachim Nagel oder zuvor mit dessen Vorgänger Jens Weidmann. Auch die Regierungen in Frankreich und in Deutschland sind in politischen Debatten regelmäßig uneins. Für Villeroy de Galhau ist das jedoch kein Problem. „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, taugen beide nicht“, zitierte er im vergangenen Jahr auf einer Jubiläumsveranstaltung zu 60 Jahren Élysée-Vertrag den ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Für den französischen Notenbankchef, der Ende des Monats 65 Jahre alt wird, sind die Debatte und das anschließende Finden von Kompromissen wichtig. Das schätzt auch der ehemalige Bundesbankpräsident Weidmann an ihm. Er sei sehr analytisch und zudem in der Lage, im EZB-Rat gut zwischen Südländern und Nordländern in der Eurozone zu vermitteln, sagt Weidmann über Villeroy de Galhau.
Vermittler zwischen Tauben und Falken
Der Franzose steht geldpolitisch relativ in der Mitte zwischen dem Lager der eher restriktiven „Falken“ und den weniger restriktiven „Tauben“. Neben dem Fakt, dass er einer der wichtigsten und einflussreichsten Notenbanken der Eurozone vorsteht, macht ihn seine geldpolitische Haltung zum gefragten Gesprächspartner europäischer Medien. Seine Äußerungen sind oft Indizien dafür, wo sich die Mehrheitsmeinung des EZB-Rats derzeit befindet.
Dass die EZB in diesem Jahr die Zinsen senken wird, hält er anders als der österreichische Notenbankpräsident Robert Holzmann für quasi gesetzt. Der Zeitpunkt der ersten Zinssenkung sei jedoch nicht vorhersehbar. „Was das exakte Datum betrifft, ist keines ausgeschlossen, bei den nächsten Meetings ist alles offen“, sagte er Ende Januar der Zeitung „La Tribune Dimanche“. Während an den Finanzmärkten auf eine erste Lockerung im April gesetzt wird, erwartet die Mehrheit der Ökonomen diesen Schritt beim Zinsentscheid im Juni.
Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau gilt als Vermittler zwischen „Tauben“ und „Falken“ im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB).