Familiendynastie Porsche-Piëch lässt sich mit Machtwechsel viel Zeit
Familiendynastie Porsche-Piëch
lässt sich mit Machtwechsel viel Zeit
Von Stefan Kroneck, München
Wechsel an der Spitze der einflussreichen deutsch-österreichischen Familiendynastie Porsche-Piëch haben ein besonders hohes Gewicht. Denn sie schlagen unmittelbar auf die Corporate Governance der drei vom Clan dominierten Dax-Mitglieder Volkswagen, Porsche AG und Porsche SE durch. Wolfgang Porsche, Oberhaupt des gleichnamigen Familienzweiges und sein Cousin, Hans Michel Piëch, führen die weit verästelte Unternehmerfamilie seit acht Jahren gemeinsam.
Das Duo gehört der dritten Generation der Dynastie an, deren Wurzeln deren Großvater, Firmengründer Ferdinand Porsche, legte. Hans Michel Piëch rückte 2017 de facto zum Sprecher des anderen Familienzweiges auf, als dessen älterer Bruder, der legendäre VW-Patriarch Ferdinand Piëch, sich nach einem verlorenen Machtkampf aus dem Aufsichtsrat der Beteiligungsholding Porsche SE zurückzog und seine Firmenanteile den anderen Familienmitgliedern andiente. Ferdinand Piëch starb 2019 im Alter von 82 Jahren.
Ruhe in die Familie gebracht
Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch sind seit dem Ende der Ära Ferdinand Piëch darum bemüht, Geschlossenheit zu zeigen. Beide stimmten sich eng ab, heißt es. Ihr Verdienst ist es, in den Clan Ruhe hineingebracht zu haben. Jahrelange, öffentlich ausgetragene Grabenkämpfe um die Vorherrschaft beim Wolfsburger Mehrmarkenkonzern, zu dem der seit 2022 wieder der an der Börse notierte Sportwagenbauer gehört, hatten das Image der Familie beschädigt.
In Erinnerung bleibt das Bild vom niedergeschlagenen, Tränen vergießenden Wolfgang Porsche aus dem Juli 2009, als die Stuttgarter Edelmarke den Übernahmepoker gegen VW verloren hatte. Zuvor war der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, heute 72, mit seinem Versuch gescheitert, das Dax-Schwergewicht aus der niedersächsischen Tiefebene mittels Bankkrediten mehrheitlich zu schlucken. Goliath schlug seinerzeit gegen David zurück. Die damals hoch verschuldete Porsche AG büßte ihre Unabhängigkeit ein und rückte stattdessen unter das Dach von VW.
Akteure im Hintergrund
Für Wolfgang Porsche war das ein Trauma. Er brauchte Jahre, um diese Niederlage zu verarbeiten. Der 1943 in Stuttgart geborene promovierte Handelswissenschaftler Porsche und der aus Wien stammende promovierte Jurist Piëch (Jahrgang 1942) sind sich in ihrem Wesen ähnlich. Sowohl Wolfgang Porsche als auch Hans Michel Piëch sind charakterlich eher zurückhaltende Persönlichkeiten. Sie agieren lieber im Hintergrund. Große öffentliche Auftritte sind ihre Sache nicht. Während Piëch komplett das Scheinwerferlicht meidet, muss Porsche kraft seines Amtes auf Hauptversammlungen sich stärker den Share- und Stakeholdern stellen.
Er ist Vorsitzender des Kontrollgremiums der Porsche SE, Piëch agiert dort als sein Stellvertreter. Die nur 50 Mitarbeiter zählende Gesellschaft bildet das Machtzentrum des Clans. Mit 25% plus eine Aktie verfügt die Porsche SE nach Stimmrechten über eine Sperrminorität beim Sportwagenbauer, bei VV ist sie zugleich mit 53,3% der Stimmen größter Einzelaktionär. Beide Manager gehören auch den Aufsichtsräten der Porsche AG und der VW AG an. Bei der Porsche AG ist Wolfgang Porsche ebenfalls Chefaufseher.
Schwächen der „Tradition“
Wolfgang Porsche (81) und Hans Michel Piëch (82) sind in einem Alter, In dem andere in ähnlicher Verantwortung sich längst zur Ruhe gesetzt haben. Beide haben die übliche Altersgrenze von 70 Jahren, wie sie bei anderen deutschen Blue Chips in den Aufsichtsräten üblich ist, längst überschritten. Eine Stabsübergabe an eine jüngere Generation in der Familie ist eigentlich überfällig. Doch ein Aufhören der Altvorderen ist immer noch nicht in Sicht. Auf dem Aktionärstreffen der Porsche SE im Jahr 2022 haben sie bei Neuwahlen ihre Mandate nochmals verlängern lassen. Um Altersgrenzen hat man sich im Clan noch nie besonders geschert.
Einerseits sorgt diese „Tradition“ für eine gewisse Stabilität in der Familienhierarchie, andererseits führt das zu verkrusteten Strukturen, je länger die in die Jahre gekommenen Amtsträger auf ihre Posten sitzen bleiben. Das Pflichtbewusstsein, das Erbe des Firmengründers zu verwalten, kann dann zwanghafte Züge annehmen zum Nachteil aller betroffenen Personen und der Unternehmen selbst.
Dieses Loslassen ist den beiden Protagonisten bisher nicht gelungen. Die damit einsetzende Behäbigkeit bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen kann ein Grund dafür sein, dass die Führungskrise bei der operativ ins Straucheln geratenen Porsche AG immer noch nicht gelöst ist. Stattdessen regiert der langjährige Porsche-CEO Oliver Blume (seit 2015) seit September 2022 in Personalunion auch den Mutterkonzern VW als Vorstandsvorsitzender.
Vierte Generation steht bereit
Zwar hat sich mittlerweile im Kontrollorgan der Porsche SE die Erkenntnis durchgesetzt, dass die ohnehin umstrittene Doppelrolle in die Sackgasse führt, getan wurde indes nichts, um daran etwas zu ändern. Im Konglomerat wird darauf verwiesen, dass Blume die Doppelfunktion so gewünscht habe und es klar gewesen sei, dass das nur für eine Übergangszeit gelte. Die Anmerkung wirkt nachgeschoben. Denn in der Pflichtmitteilung von VV vom Juli 2022, als der Wechsel von Herbert Diess auf Blume bekannt gegeben wurde, fehlt der Hinweis einer Interimsphase.
Schon seit damals steht Blume bei Investoren wegen der Machtballung, die ihn zunehmend zu überfordern scheint, öffentlich in der Kritik.
In Bezug auf die Führung des Clans ist die vierte Generation der Familie bereits in Warteposition für einen Machtwechsel am Tag X. Die Übergabe soll in geordneten Bahnen in Absprache aller Beteiligten erfolgen. Als Nachfolger hat Wolfgang Porsche vor Jahren seinen Neffen Ferdinand Oliver Porsche (63) gekürt. Dieser gehört bereits seit mehreren Jahren den Aufsichtsräten der drei Dax-Mitglieder an.
Alternative zu Stefan Piëch
Im Fall von Hans Michel Piëch gilt dessen Sohn Stefan Piëch als potenzieller Kandidat. Der 54-jährige Medienunternehmer zog sich nach einem nur fünfjährigen Intermezzo allerdings aus dem Aufsichtsrat der Porsche SE zurück. Dessen Schwester Sophie Piëch (30) rückte vor zwei Jahren in das Gremium auf, um ihren Bruder zu ersetzen. Aus dem Unternehmen ist zu hören, dass Stefan Piëch als künftiger Familiensprecher weiterhin bereit stünde. Und wenn doch nicht? Eine Alternative zu Stefan Piëch wäre Josef Michael Ahorner. Der 64-jährige gebürtige Wiener und Jurist gehört dem Aufsichtsrat der Porsche SE seit 2018 an, 2023 wurde er wiedergewählt für eine weitere Amtszeit. Er ist ein Neffe von Hans Michel Piëch.
Ahorner ist der Sohn von Louise Daxer-Piëch, einer 2006 verstorbenen Tochter von Louise Piëch (geborene Porsche) und Anton Piëch. Louise Daxer-Piëch (Jahrgang 1932) war die ältere Schwester von Hans Michel Piëch.