Französische Genossenschaftsbank

Das neue Leben des Ex-Gewerkschaftsbosses bei Crédit Mutuel

Laurent Berger stand bis Sommer letzten Jahres an der Spitze der Gewerkschaft CFDT. Jetzt baut er für die Genossenschaftsbank Crédit Mutuel ein Expertise-Zentrum auf.

Das neue Leben des Ex-Gewerkschaftsbosses bei Crédit Mutuel

Französische Genossenschaftsbank

Der Gewerkschaftsboss als Banker

Laurent Berger verspricht Crédit Mutuel „ökologische und gesellschaftliche Revolution“

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Von Gesche Wüpper, Paris

Er stand an der Spitze der größten Gewerkschaft des Landes. Doch dann hat er einen der für Frankreich überraschendsten Karrierewechsel vollzogen, als er im September bei Crédit Mutuel begann. Für die Genossenschaftsbank baut Laurent Berger nun das Institut mutualiste pour l’environnement et la solidarité auf, ein Expertise-Zentrum für Klima- und Umweltschutz und gesellschaftsrelevante Themen.

Es handele sich nicht um einen weiteren Thinktank mit theoretischen Ansätzen, betonte der frühere CFDT-Chef, als Crédit Mutuel Ende April offiziell den Startschuss für das Institut gab. „Wir wollen Lösungen bringen“, erklärte der 55-Jährige. Denn Daniel Baal, der neue Chef der Bank, will, dass das von Berger geleitete Expertise-Zentrum mit zur Transformation aller Sparten der Gruppe beiträgt, vom Privatkundengeschäft über Versicherungen bis hin zu Finanzdienstleistungen und dem Investment Banking.

Einen konkreten Fahrplan dafür soll Berger Anfang kommenden Jahres vorlegen, als Ergänzung zu dem aktuellen Strategieplan der neuntgrößten Bank der Eurozone. Dieser sieht eine Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks um 20% bis 2027 vor. Der neue Plan werde konkrete Umwelt- und gesellschaftliche Ziele enthalten, so Baal. „Das ist die Hauptaufgabe, die Laurent Berger aufgetragen worden ist.“ Die genossenschaftliche Gruppe hat bereits eine soziale Dividende eingeführt. Diese ermöglicht ihr, bis zu 15% der Ergebnisse für Umwelt- oder Sozialprojekte zu verwenden.

Für Frankreich atypische Karriere

Während in Großbritannien eine Karriere bei einer Bank für jemanden wie Berger nicht ungewöhnlich ist, ist sie für Frankreich sehr atypisch. Denn der frühere Generalsekretär der CFDT hat an der Universität von Nantes Geschichte und nicht an einer Wirtschaftshochschule studiert. Nach dem Magister war der Sohn eines Werftarbeiters und einer Kinderpflegerin dann zunächst für die christliche Arbeiterjugend Jeunesse ouvrière chrétienne tätig, deren Generalsekretär er von 1992 bis 1994 war.

Als er anschließend ein paar Monate arbeitslos war, sprang er als Aushilfslehrer an Schulen ein, bevor er bei einer Vereinigung für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen begann und dort eine CFDT-Gruppe gründete. Aus seiner Zeit bei der als gemäßigt und reformbereit bekannten Gewerkschaft kennt er auch den früheren Crédit-Mutuel-Chef Nicolas Théry. Denn der war bei der CFDT 2000 bis 2002 Verbandssekretär für Wirtschaftsfragen. Obwohl die beiden enge Kontakte pflegen, musste Berger bei Crédit Mutuel nach eigenen Angaben ein klassisches Einstellungsverfahren durchlaufen.

Um das neue Kompetenzzentrum vorzubereiten, hat er in den letzten Monaten so viele Zweigstellen und Filialen der Genossenschaftsbank besucht wie möglich. Derzeit besteht sein Team aus 27 Mitarbeitern, vor allem Ökonomen, Umwelt- und Data-Spezialisten. Sie sollen neue Technologien bewerten sowie Klima-, Umweltschutz- und gesellschaftliche Daten erfassen und strukturieren. Bis Ende des Jahres sollen 13 weitere Experten dazukommen.

Berger wirbt für Kompromisse

Aus der Bank ein Tech-Unternehmen machen, lautet Bergers Ziel. „Worte sind gut, aber sich engagieren ist besser“, betont er. Deshalb hat der frühere Gewerkschaftschef auch gerade zusammen mit dem Soziologen Jean Viard ein Buch veröffentlicht, „Pour une société du compromis“ (Für eine Gesellschaft der Kompromisse). Kompromiss, das sei ein Schimpfwort in einem Land, das sich selber eher als Revolutionäre denn als Reformer sehe und in dem momentan die Radikalität Rückenwind zu haben scheine, sagen sie.

Abgesehen davon will der neue Top-Manager von Crédit Mutuel die aktuelle politische Lage jedoch nicht weiter kommentieren. Dabei träumt so mancher in Pariser politischen Kreisen davon, dass Berger 2027 bei den Präsidentschaftswahlen antritt, um den Vormarsch des rechtsextremen Rassemblement National zu stoppen.

Berger scheint bisher jedoch keine politischen Ambitionen zu haben. Er sei glücklich über seinen Wechsel zu einer Gruppe, die für genossenschaftliche Werte stehe, betonte er kürzlich. Denn für einen Gewerkschaftler sei der wichtigste Einsatzort nun mal ein Unternehmen.

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