Der Milliardär, den kaum einer kennt
Von Gerhard Bläske, Mailand
Gianluigi Aponte (81) ist mit einem geschätzten Privatvermögen von 10,6 Mrd. Dollar laut Bloomberg der zweitreichste Einwohner der Schweiz. Doch der in Genf wohnende Chef der Container- und Kreuzfahrtreederei Mediterranean Shipping Company (MSC), eines Privatunternehmens, der jetzt zusammen mit der Lufthansa die Mehrheit der Alitalia-Nachfolgerin ITA Airways übernehmen will, ist in der Wirtschaftswelt nur Eingeweihten ein Begriff. Dabei beschäftigt er weltweit 100 000 Mitarbeiter in 155 Ländern und setzt nach Schätzungen jährlich an die 30 Mrd. Dollar um.
Wie so viele italienische Manager seiner Generation, etwa Leonardo Del Vecchio, Giorgio Armani oder der Bauunternehmer Francesco Gaetano Caltagirone, hat sich Aponte noch lange nicht aufs Altenteil zurückgezogen. Kurz vor Weihnachten hat er ein Angebot von 5,7 Mrd. Euro für den von dem französischen Unternehmer Vincent Bolloré kontrollierten Transport- und Logistikkonzern Bolloré Africa Logistics abgegeben.
Aponte ist ein Selfmademan. Er stammt aus einer Seemannsfamilie aus Sorrent bei Neapel, die als solche erstmals im 17. Jahrhundert erwähnt wird. Die Familie betrieb kleine Passagierschiffe auf der Verbindung Neapel–Sorrent. Geboren im nahen Sant’Agnello startete Gianluigi Aponte nach einem Diplom des Istituto Nautico in Sorrent in den 1960er Jahren bei Achille Lauro und brachte es dort zum Schiffskapitän.
1970 erwarb er sein erstes – gebrauchtes – Schiff und gründete MSC. Getreu dem Motto „MSC ist dort, wo unsere Kunden sind“ baute er seine Transportflotte aus und stieg Ende der 1980er Jahre auch in das Kreuzfahrtgeschäft ein. Seit kurzem ist MSC mit 653 Containerschiffen (weitere 72 sind bestellt) vor Mærsk die weltweit größte Containerreederei und läuft auf 230 Handelsrouten mehr als 500 Häfen an. Mit 19 Kreuzfahrtschiffen – bis 2025 sollen weitere sechs hinzukommen – ist MSC ferner die weltweit drittgrößte Kreuzfahrtreederei.
Zu Apontes Imperium gehören auch die Genueser Grandi Navi Veloci (GNV) mit 19 Fährschiffen, die Snav (Schnellverbindung Italien–Kroatien), Beteiligungen an Hafenterminals in der ganzen Welt und vieles mehr. Die Luxuskreuzfahrtgesellschaft Explorer Journeys soll 2023 mit vier Schiffen an den Start gehen. Aponte ist seit 1970 verheiratet und hat einen Sohn (Diego) und eine Tochter (Alexa), die mit Pier Francesco Vago, Executive President von MSC Cruise, verheiratet ist.
Verbindung zur Luftfahrtbranche hat er seit 2008. Damals gehörte er zu den 16 „Capitani coraggiosi“, italienische Unternehmer, die unter Premierminister Silvio Berlusconi Alitalia vor der Pleite retten sollten. Doch Aponte stieg frühzeitig wieder aus. Warum er jetzt bei deren Nachfolgegesellschaft ITA Airways angeblich um die 40% der Anteile erwerben will, ist nicht ganz klar. Angeblich hofft er auf Synergien durch bessere Verbindungen für Geschäftsleute, die zu seinen Kunden zählen, aber auch für die 2,7 Millionen Urlauber, die zu seinen Kreuzfahrtschiffen in die Häfen anreisen.