COO Waldron baut Einfluss aus

Goldman-Spitzenmanager bringt sich als nächster CEO in Stellung

John Waldron gilt als heißer Kandidat auf die Nachfolge von Goldman-CEO David Solomon. Doch drohen ihm heftigere Widerstände als erwartet.

Goldman-Spitzenmanager bringt sich als nächster CEO in Stellung

Waldron lauert auf den Goldman-Chefposten

xaw New York

John Waldron erhält Ende des vergangenen Jahres ein Angebot, das er eigentlich nicht ablehnen kann. Angeblich sind die Dienste des Chief Operating Officer und Präsidenten von Goldman Sachs dem Private-Equity-Riesen Apollo Global 500 Mill. Dollar wert. Doch der zweite Mann in der Bank, der 2023 mit einem Vergütungspaket von 30 Mill. Dollar nicht eben gedarbt hat, schlägt das Jobangebot aus, wie Insider berichten. Stattdessen setzt der 56-Jährige seinen Chef, CEO David Solomon, in Kenntnis – die beiden Spitzenmanager, die bei dem Geldhaus praktisch im Gleichschritt in die Top-Jobs aufgestiegen sind, verbindet ein Vertrauensverhältnis.

Frei von Rivalität ist dieses allerdings nicht. Es gilt an der Wall Street als offenes Geheimnis, dass Waldron auf den CEO-Posten bei Goldman Sachs schielt. Das kolportierte Apollo-Angebot, so Branchenkenner, habe er nun nutzen können, um seinen Wert für die führende Investmentbank zu untermauern. Zunächst mal ist sein Verbleib in der New Yorker West Street für ihn einen Bonus von 80 Mill. Dollar in Form von Bezugsrechten für Goldman-Aktien wert, die er über fünf Jahre ausüben kann.

Entrüstete Aktionäre

Mit einer solchen Sondervergütung, die zu den Entlohnungspaketen für 2024 im Volumen von 38 bzw. 39 Mill. Dollar hinzukommen soll, band die Bank zuletzt auch Solomon und löste damit bei Aktionärsvertretern Entrüstung aus. Der Stimmrechtsberater Glass Lewis hat bezüglich der Entlohnung „ernste Bedenken“ angemeldet. Der „schockierende“ Mangel an transparenten Informationen zu den Vergütungen sei Grund genug, auf der Hauptversammlung am 23. April in Dallas gegen die Pakete zu stimmen.

Auch CEO David Solomon soll bei Goldman eine hohe Sondervergütung erhalten. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon.

Ein ablehnendes Votum der Aktionäre zu den Kompensationsplänen wäre für Goldman zwar rein technisch nicht bindend, aber eine peinliche öffentliche Niederlage. In den vergangenen Jahren hat lediglich J.P. Morgan eine solche Schlappe erlitten. Die Anteilseigner des Branchenprimus gingen auf der Hauptversammlung 2022 gegen eine Prämie im damaligen Gegenwert von 50 Mill. Dollar für CEO Jamie Dimon auf die Barrikaden. Die führende US-Bank kündigte darauf an, keine solchen Sondervergütungen für den Vorstandschef mehr auflegen zu wollen.

Firmenjet als Anreiz

Für Waldron wäre ein breiter Widerstand auf dem Aktionärstreffen umso bitterer, als der Bonus nach Ansicht vieler Beobachter einen klaren Beleg dafür darstellt, dass die Direktoren sich auf den COO als Solomon-Nachfolger festgelegt haben. Der zweite Mann in der Bank ist zuletzt auch in den Verwaltungsrat aufgestiegen und genießt darüber hinaus nun ausgeweitete persönliche Nutzungsrechte für den Goldman-Firmenjet. Analysten betonen, dass der 63-jährige Solomon nicht für fünf Jahre auf dem CEO-Posten bleiben muss, um seinen 80-Mill.-Dollar-Bonus einzusacken – er könne auch vorher in die Rolle des Chairman wechseln und Waldron die operative Leitung überlassen.

Der aktuelle Goldman-Chef geriert sich neben J.P.-Morgan-Chef Dimon zunehmend als lautestes Sprachrohr der Wall Street. So wetterte er im Nachgang der Regionalbankenkrise 2023 gegen von Regulatoren um die Federal Reserve angepeilte härtere Kapitalvorgaben für Amerikas Geldhäuser, bis die Behörden unter diesem Druck einknickten. Aktuell versucht er sich indes an einer schwierigen Gratwanderung: Goldman und Konsorten müssen sich einerseits mit einer US-Regierung gut stellen, die Initiativen der Finanzinstitute für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion kritisiert, zugleich aber mit Deregulierung die Barrieren für Deals der Geldhäuser senken will. Andererseits muss die Wall Street in ihrer Reaktion auf das Washingtoner Zollchaos den richtigen Ton treffen.

Trübe Perspektiven im Investment Banking

Solomon warnte im Rahmen der Zahlenvorlage zum ersten Quartal vor einem „materiellen Risiko“ für die Konjunktur. Die Administration müsse „erkennen, dass wenige andere Länder so stark von der globalen Handelsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg profitiert haben wie die Vereinigten Staaten“. Die Stärke des Dollar sowie die Tiefe und Liquidität des US-Kapitalmarkts seien die entscheidenden Argumente für den Andrang ausländischer Unternehmen und Investoren an der Wall Street. Entsprechend hob Solomon die „eingetrübten“ Perspektiven im Investment Banking hervor.

Der Republikaner Waldron äußert sich durchaus politisch und kritisierte wiederholt die stark ausgeweitete Staatsverschuldung der USA. Er galt zwischenzeitlich gar als Kandidat für einen Posten in der Trump-Administration. Solche Pläne sind aber wohl ad acta gelegt. Der aus Cleveland, Ohio, stammende Manager will nun zeigen, dass er hart genug für den Spitzenjob ist. Einige Beobachter kreiden ihm an, zu sehr jedermanns Freund sein zu wollen. Er gilt als netteres Gegenstück zum harten Hund Solomon – ihm droht der Status als sichere Bank nach dem Vorbild des scheidenden J.P.-Morgan-Präsidenten Daniel Pinto, der dem Vorstandschef nie wirklich gefährlich werden konnte.

Rivalen im Rennen

Mit Marc Nachmann, dem deutschen Chef der Asset- und Wealth-Management-Sparte, sowie Dan Dees und Ashok Varadhan, den Co-Chefs der zentralen Division Global Banking and Markets, verfügt Goldman schließlich noch über andere aussichtsreiche Kandidaten für den Spitzenposten. Andere Beobachter glauben indes, dass Solomon sich durch die Rally der Aktie des Geldhauses vor den Zoll-Verwerfungen an den Märkten angespornt fühlen dürfte, länger am Ruder zu bleiben als bisher erwartet. Waldron wäre nicht der erste heiß gehandelte Favorit auf den CEO-Posten von Goldman, der seine Hoffnungen schließlich begraben muss.

Gary Cohn beispielsweise, Präsident unter dem langjährigen Vorstandschef Lloyd Blankfein, warf nach langer Wartezeit hin und nahm 2017 den Job als oberster Wirtschaftsberater in der ersten Trump-Administration an. Heute ist er Vize-Chairman von IBM. Sein Abgang machte damals den Weg für den Aufstieg Solomons frei, der gemeinsam mit dem Trader Harvey Schwartz zum Co-Präsidenten wurde und 2018 Blankfein beerbte – worauf sich Schwartz fast unmittelbar verabschiedete.

Enge Verbindung

Doch die Verbindung Waldrons zu Solomon ist eng. Die beiden lernten sich in einer frühen Karrierestation bei der später im Zuge der Finanzkrise 2008 kollabierten Bear Stearns kennen. Waldron, der am elitären Middlebury College in Vermont Englisch und Finanzen studierte und zunächst eine Karriere als Autor in Betracht zog, fand über ein Sommerprogramm der Universität von Chicago ins Bankwesen und tauchte während seiner acht Jahre bei Bear tief in die Bilanzanalyse ein. 2000 warb Solomon, der nur Monate zuvor selbst gewechselt war, Waldron für Goldman an. Nach seinem Aufstieg an die Firmenspitze hievte der CEO seinen Freund auf den Posten des COO und Präsidenten.

Umtriebiger Repräsentant der Bank: John Waldron beim Grand Prix der Formel 1 in Singapur mit Rennsport-Legende Jackie Stewart. Foto: picture alliance / empics | James Moy.

Selbst Rivalen um den Spitzenjob bei Goldman heben hervor, wie stark Waldron alle Geschäftsbereiche durchdrungen hat. Gemeinsam mit Solomon trat er für ein Ende des 2016 begonnenen, verlustreichen Ausflugs ins Consumer Banking ein und trieb stattdessen den Ausbau des Asset- und Wealth-Managements voran. Bei Kunden gilt der umtriebige Präsident als zugänglich und verlässlich, bankintern als Vertrauensperson, die abwanderungswillige Kollegen vom Bleiben überzeugen kann. Laut Analysten hat Waldron damit die Argumente auf seiner Seite – seine Aussichten hingen nun aber auch von der anstehenden Hauptversammlung ab.

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