Dmitry Gurski

Gründer macht aus Zyklus-App ein Femtech-Einhorn

Apps zum Überwachen der Menstruation gibt es viele. Der Londoner Anbieter Flo Health hat im Zuge einer Series-C-Finanzierungsrunde nun eine Milliardenbewertung erzielt. CEO Dmitry Gurski hat zwar keine Monatsblutung, wollte aber trotzdem gezielt in dem Bereich gründen.

Gründer macht aus Zyklus-App ein Femtech-Einhorn

Gründer macht aus Zyklus-App ein Femtech-Einhorn

kro Frankfurt

„Erfolg ist die Summe deiner Versuche", hat Dmitry Gurski einmal gesagt. Was klingt wie ein weiser Kalenderspruch, ist im Falle des Gründers von Flo Health durchaus mit Erfahrung verbunden. Denn die Periodentracker-App des britischen Start-ups ist bereits der dritte Anlauf des Unternehmers und seines Zwillingsbruders Yuri, eine solche Anwendung zu kreieren.

Damit setzen die zwei Belarussen nun allerdings Maßstäbe. Die 2016 gestartete App, die Frauen unter anderem bei der Zyklus-Verfolgung oder Schwangerschaftsplanung helfen soll, ist nicht nur die weltweit am häufigsten heruntergeladene mobile Anwendung für Frauengesundheit laut Sensor Tower. Das dahinterstehende Unternehmen hat nach eigenen Angaben nun auch als erstes in der Riege der Anbieter solcher Apps den Einhorn-Status erreicht. Im Rahmen eines Series-C-Fundings, bei dem der US-Wagniskapitalinvestor General Atlantic mehr als 200 Mill. Dollar in das Start-up gesteckt hat, ist die Firmenbewertung auf über 1 Mrd. Dollar gestiegen, wie Flo Health unlängst mitteilte. „Auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Pläne für einen Börsengang bekannt geben, erweitert diese Finanzierung unseren Spielraum an zukünftigen Wegen“, sagte Gurski der Börsen-Zeitung.

Ein unterversorgter Markt

Geld verdient Flo mit kostenpflichtigen Premium-Abos, die mehr Features und Inhalte zum Thema Frauengesundheit bieten, als die Gratis-Version. Der Umsatz ist 2023 laut Gurski um 40% auf über 140 Mill. Dollar geklettert. Im vierten Quartal habe man zudem die Profitabilität erreicht. Auf welcher Basis dies erfolgte, ließ der 41-jährige CEO allerdings offen.

Dass Gurski und sein Bruder so beharrlich am Thema Frauengesundheit drangeblieben sind, liege daran, dass der an sich große Markt bis dato noch unterversorgt gewesen sei. „Wir sahen Bedarf für ein umfassenderes Produkt, das über die grundlegenden Periodentracking-Funktionen hinausgeht“, erzählte der Gründer vor einem Jahr in einem Interview mit Unicorns Lithuania, einem Start-up-Verband in Litauen, wo mittlerweile viele Tech-Firmen angesiedelt sind und wo Flo Health sein größtes Büro betreibt. Seine Ausdauer verdanke der Unternehmer, der mit seinem Bruder auch schon einen Bücherverlag gegründet hat, seiner Studienzeit, in der er nebenbei in Vollzeit gearbeitet habe. Sein Abschluss in Pharmazie an der Belarussischen Staatlichen Universität habe ihm zudem zu einem „wissenschaftlichen Mindset“ verholfen.

Zahl der Anbieter gestiegen

Völlig konkurrenzlos ist Flo 2016 allerdings auch nicht an den Start gegangen. Denn zu dem Zeitpunkt gab es bereits seit drei Jahren die Zyklus-App Clue. Die Mitgründerin des gleichnamigen Anbieters aus Berlin, Ida Tin, soll den Begriff „Femtech“ geprägt haben. Damit sind eben Technologien gemeint, die die Gesundheitsversorgung von Frauen unterstützen und fördern sollen. In den vergangenen Jahren ist das Interesse von Wagniskapitalinvestoren an solchen Technologien tendenziell gestiegen – und mit ihnen auch die Zahl der Anbieter. Neben Flo und Clue gehören zu den App-Anbietern unter anderem auch Ovy aus Hamburg oder MyNFP aus Tübingen.

Aus Sicht von Gurski besteht in Sachen Femtech-Investitionen allerdings noch jede Menge Luft nach oben. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Gesundheit von Frauen schon seit viel zu langer Zeit übersehen, unterbewertet und unterfinanziert wird", sagt er. Bis heute würden Femtech-Unternehmen demnach nur 3% des Kapitals erhalten, das insgesamt in digitale Gesundheitsfirmen investiert wird.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass die Gesundheit von Frauen schon seit viel zu langer Zeit übersehen, unterbewertet und unterfinanziert wird."

Dmitry Gurski, CEO und Mitgründer von Flo Health

So wie der CEO in der Vergangenheit hartnäckig sein Ziel eines eigenen Femtech-Start-ups verfolgt hat, so will er denn jetzt auch am Projekt dranbleiben. „Mein Fokus liegt weiterhin zu 100% auf Flo Health und auf der Umsetzung der nächsten Wachstumsphase des Unternehmens", antwortet er auf die Frage, ob er sich eine weitere Gründung vorstellen kann.

Kontroverse Reaktionen

Dass das erste App-basierte Femtech-Einhorn nun ausgerechnet von zwei Männern gestartet wurde, hat auf Linkedin übrigens die schon länger bestehende Debatte über die Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern in der Start-up-Szene neu entfacht. „Wenn das nicht zeigt, was alles im Ökosystem falsch läuft, dann weiß ich auch nicht“, schrieb Anna-Sophie Hartvigsen von der dänischen Finanz-Schulungsplattform Female Invest. Die Venture-Capital-Branche gilt weltweit als stark männerdominiert und Gründerinnen erhalten seit jeher nur einen Bruchteil vom investierten Wagniskapital. Kinga Stanisławska, Mitgründerin der Initiative „European Women in VC“ und Board-Mitglied im Europäischen Innovationsrat, begrüßte andererseits, dass das Thema Frauengesundheit durch das Funding nun wieder verstärkt in den Fokus von Investoren gerückt ist.

Gurski selbst ist sich des Gender Gaps in der Start-up-Welt ebenso bewusst. Die Situation sei „traurig“ und der Wandel vollziehe sich „unglaublich langsam“, sagte der Unternehmer. Für sein eigenes Produkt verlasse er sich vor allem auf das Feedback der Nutzerinnen, mit denen er jeden Tag spreche, so Gurski in einem Interview mit dem Online-Magazin „EU-Startups“.


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