Iqbal Khan wird zum Kronprinzen bei der UBS
Von Daniel Zulauf, Zürich
Iqbal Khan, der jüngste Manager in der zwölfköpfigen Konzernleitung der UBS, avanciert zum Kronprinzen von CEO Ralph Hamers. Das ist die zwangsläufige Schlussfolgerung der jüngsten Personalrochade in der größten Schweizer Bank. Der 46-jährige Khan wird alleiniger „President“ der UBS-Flaggschiff-Division „Global Wealth Management“.
Mit der Vermögensverwaltung hat die Großbank im vergangenen Jahr einen operativen Gewinn von 4,8 Mrd. Dollar erzielt, ziemlich genau die Hälfte von dem, was die Bank mit ihren insgesamt vier Geschäftsbereichen eingenommen hat. Die internationale Vermögensverwaltung ist der unbestrittene Goldesel des Instituts, und wer ihn reitet, steht immer auch in der ersten Reihe, wenn es um die Besetzung des CEO-Postens geht.
Zwar wird dieser seit November 2020 vom Niederländer Ralph Hamers besetzt. Doch über dem 56-Jährigen hängt ein Damoklesschwert. Keine zwei Monate nach seinem Antritt in der Schweiz eröffnete die niederländische Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen den früheren Chef der niederländischen Großbank ING. Die Behörde sucht nach Hinweisen für eine Mitverantwortung von Hamers für die gravierenden Verstöße gegen die Geldwäscheprävention, die sich ING in den Jahren 2010 bis 2016 geleistet hatte. Kriminelle Kunden der Bank hatten in der fraglichen Zeit zahlreiche Konten zum Waschen von Hunderten von Millionen Euro missbraucht. Dafür wurde ING mit einer für europäische Verhältnisse rekordhohen Strafe von 775 Mill. Euro belegt. Eine erste Strafuntersuchung gegen Hamers hatte die Behörde mangels Beweisen ad acta gelegt.
Ein ING-Aktionär erzwang auf gerichtlichem Weg die nun laufende zweite Untersuchung. Diese kam nicht zuletzt auch auf Druck der Bevölkerung zustande, wie Hennie Verbeek-Kusters, Chefin der niederländischen Antigeldwäschebehörde, im Dezember im Interview der Börsen-Zeitung sagte (vgl. BZ vom 23.12.2021). „Wir führen eine intensive Debatte über die Verantwortung der Spitzenmanager“, sagte die Finanzpolizistin.
In den Niederlanden grassiert die organisierte Kriminalität in einem Maß, dass Mafiaorganisationen Zeugen auf offener Straße erschießen. Wenn Hamers in seiner Zeit als ING-Chef die Geldwäscheabwehr nicht zu seiner ersten Priorität gemacht habe, könne sie dies nicht verstehen, sagte sie in dem Gespräch. „Umso weniger, als die Maßnahmen zur Geldwäscheprävention ja gesetzlich vorgeschrieben sind. Es gibt die Regeln, dass die Banken ihre Kunden wirklich kennen und dass sie verdächtige Transaktionen umgehend melden müssen. Diese Regeln haben die beiden Banken (ING und ABN Amro, Anm. d. Red.) sträflich vernachlässigt.“
Wie die laufende Untersuchung ausgehen wird, ist selbstverständlich offen. Sollten die Ermittler aber genügend Hinweise finden, um doch noch einen Strafprozess gegen Hamers anzustrengen, wäre dieser CEO der UBS kaum mehr haltbar.
Vor diesem Hintergrund kommt der neue UBS-Präsident Colm Kelleher nicht umhin, den Eventualplan für eine allfällige Neubesetzung der UBS-Spitze zu konkretisieren. Offenbar setzt er nun auf Iqbal Khan als potenziellen Nachfolger für Hamers. Khan teilte sich die Führung der Vermögensverwaltungsdivision derzeit mit dem Amerikaner Tom Naratil. Der 61-Jährige war ab 1983 für den US-Vermögensverwalter Paine Webber tätig, den UBS vor 22 Jahren für umgerechnet 18 Mrd. sfr übernommen hatte. Naratil wurde 2016 Chef des US-Vermögensverwaltungsgeschäfts und 2018 Co-Chef der globalen Vermögensverwaltung. Er werde sich von seinen derzeitigen Aufgaben zurückziehen, heißt es in der Medienmitteilung der UBS ohne Angaben zu Naratils weiteren Plänen. In dieser Hinsicht hinterlässt die Mitteilung den Eindruck einer sehr kurzfristigen Rochade.
Ein naheliegender Gedanke ist, dass Khan seinen Machtgewinn erzwingen konnte. War er vielleicht im Gespräch als neuer CEO von Credit Suisse und Nachfolger von Thomas Gottstein? Khan war 2013 zur Credit Suisse gestoßen und machte dort im Schnellzugtempo eine Glanzkarriere. Nach einem Machtkampf mit dem damaligen CEO Tidjan Thiam, der in einer unsäglichen Bespitzelungsaffäre endete, setzte er diese bei UBS fort. Dass Credit Suisse bereit gewesen wäre, Khan die Tür noch einmal zu öffnen, ist natürlich bloße Spekulation.
Dagegen spricht, dass der Manager in seiner damaligen Funktion bei der Credit Suisse mutmaßlich eine Mitverantwortung für die miserablen Geschäfte mit dem vermeintlichen australischen Finanzwunderkind Lex Greensill hatte. Die Geschäfte trugen der Großbank einen immensen Reputationsschaden ein und könnten Haftungsansprüche von Kunden in Milliardenhöhe zur Folge haben.
Gegen die These, dass Khan eine Jobofferte von Credit Suisse gegen die Beförderung bei der UBS eingetauscht haben könnte, spricht auch der Umstand, dass die UBS in der Person von Naureen Hassan gleich eine Nachfolgerin für die von Naratil aufgegebenen Funktionen als Chef von UBS Amerika präsentiert. Die Amerikanerin fungiert derzeit als Betriebschefin (COO) der Federal Reserve Bank of New York. Davor war sie Digitalchefin bei der US-Großbank Morgan Stanley, von der auch UBS-Präsident Colm Kelleher herkommt. Etwas merkwürdig nimmt sich indessen die Tatsache aus, dass Naureen Hassan nur ein Jahr beim Fed geblieben ist, nachdem sie in einem viermonatigen Selektionsprozess für den Job ausgewählt worden war. So gesehen erscheint die Feststellung des Finanzblogs „Tippinpoint.ch“ zutreffend, die Berufung von Naureen Hassan an die Spitze der wichtigen US-Einheit der UBS sei „ein mutiger Entscheid“ gewesen.