Holcim

Jenisch setzt ein Ausrufezeichen

Mit dem Rückzug aus Indien forciert Holcim-Chef Jan Jenisch seine Klimastrategie. Der schwierige Teil der Umsetzung kommt aber noch.

Jenisch setzt ein Ausrufezeichen

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Spätestens seit Investoren argwöhnisch die hohen CO2-Emissionen der Zementindustrie thematisieren, stehen Hersteller wie Holcim und Heidelberg Cement unter besonderem Druck. Die Branche versucht, ihre Produkte durch neue Beton-Technologien, kohlenstoffarme Brennstoffe, Recycling oder CO2-Abscheidung klimafreundlicher zu machen. Doch das ist langwierig, nicht zuletzt, weil die Chemie Grenzen setzt.

Jan Jenisch, der seit September 2017 an der Spitze des Holcim-Managements steht, verfolgt daher einen weiteren Ansatz. Er verkauft Ze­mentwerke in Emerging Markets und investiert die Einnahmen in weniger klimaschädliche Geschäfte wie Bedachungen und andere Baumaterialien. Das verbessert den CO2-Fußabdruck des Unternehmens und verringert darüber hinaus die Kapitalintensität. Die weltweite Klimabilanz verändert sich freilich kaum, weil die abgestoßenen Fabriken unter neuer Ägide weiterlaufen.

Suche nach Reinvestition

Mit dem Rückzug aus Indien setzt Jenisch nun ein fettes Ausrufezeichen hinter seine Strategie. Denn auf einen Schlag wechseln 13% des Konzernumsatzes den Besitzer. Zuvor hatte der Zementriese die Geschäfte in Brasilien und Indonesien abgestoßen. Aufgeben will Jenisch die Zementherstellung aber nicht, spült sie doch üppige Cashflows ins Haus. Die neuen Geschäfte, deren Kern bisher die für 3,4 Mrd. Dollar erworbene Firestone Building Products ist, bündelt Jenisch im Segment Lösungen und Produkte, das im vergangenen Jahr 13% zu den Erlösen beisteuerte und 2025 auf 30% kommen soll.

Dem 1966 in Deutschland geborenen Manager sagen Wegbegleiter einen ausgeprägten Gestaltungs­willen nach. Den braucht Jenisch auch für seinen groß angelegten Umbau. Ob der Betriebswirt, der vor seiner Holcim-Zeit einen guten Job beim Spezialitätenchemiekonzern Sika machte, darüber hinaus die Kunst der effizienten Kapitalallokation beherrscht, muss sich nun zeigen. Denn der Indien-Deal spült stattliche 6,4 Mrd. sfr in die Kasse. Diesen Cashberg muss Jenisch wertschaffend in Geschäfte außerhalb von Zement reinvestieren.

Das hört sich leichter an, als es ist, wie man an der Firmengeschichte nachvollziehen kann. Die heutige Holcim entstand nämlich aus dem Zusammenschluss mit der französischen Lafarge. Diese Fusion war lange alles andere als eine Erfolgsstory. Zugleich werden Aktionäre ihre Ansprüche anmelden und Themen wie Sonderausschüttungen und Ak­tienrückkäufe auf den Tisch bringen. Solche Forderungen sind verständlich, denn Jenischs Strategie der Dekarbonisierung verfängt bisher nicht recht am Kapitalmarkt, wie die maue Performance der Aktie zeigt. Das mag daran liegen, dass bei Zukäufen hohe Multiples zu zahlen sind, die erhoffte Synergien vorwegnehmen. Hinzu kommt, dass Jenisch sich ausgerechnet aus Regionen zurückzieht, die längerfristig ordentliches Wachstum versprechen.

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