Vonovia-CFO Grosse unter Druck
Kapitalmarktversteher unter Druck
hek Frankfurt
Mit der Platzierung einer Pfund-Anleihe feierte Vonovia-Finanzvorstand Philip Grosse im Januar einen schönen Erfolg. Denn mit der unbesicherten Schuldverschreibung gelang nach mehr als einjähriger Abstinenz eine überzeugende Rückkehr an den Anleihemarkt. Doch mit der Umstellung des Steuerungssystems, verbunden mit der Abkehr vom bisher dominierenden Group FFO (Funds from Operations), wurden Investoren auf dem falschen Fuß erwischt. Die Folge war ein Kurssturz von gut 10% am vergangenen Freitag.
Diffizile Aufgabe
Der 1970 geborene Grosse ist nun gefordert. Er muss Analysten und Aktionäre von der Sinnhaftigkeit der überraschenden Neuerung überzeugen, was keine leichte Aufgabe ist. Zum einen ist die Vonovia-Bilanzierung schon komplex genug. Nun dürfte es noch diffiziler werden. Zum anderen gibt es künftig nicht mehr eine zentrale Kennzahl, sondern gleich zwei, nämlich eine für den Ertrag (das adjustierte Vorsteuerergebnis) und eine für die Innenfinanzierung (Operating Free Cashflow). In welchem Verhältnis diese beiden Key-Performance-Indikatoren stehen, muss sich erst noch weisen.
Interpretationsspielraum
Deutlich wird das in der Aussage zur künftigen Ausrichtung der Dividende. Sie soll die Hälfte des bereinigten Vorsteuergewinns ausmachen, ergänzt um „Überschussliquidität aus dem Operating Free Cashflow nach Berücksichtigung der Eigenkapitaleinlage" in das Investitionsprogramm. Diese Formulierung lässt reichlich Interpretationsspielraum, verglichen mit der früheren Guidance, 70% des FFOs auszukehren. Offensichtlich ist nur, dass die Dividendenhöhe, die bei Wohnungskonzernen eine viel größere Rolle spielt als in anderen Branchen, künftig von den Investitionen abhängt, was längerfristige Prognosen klar erschwert.
Die Schlussfolgerung etlicher Analysten: Sie verstehen die Umsteuerung als Signal, dass die Ausschüttung künftig schmaler ausfallen wird.
Vom Investmentbanker zum CFO
Unter Investoren gilt der sportbegeisterte Grosse als Kapitalmarktversteher. Diesen Ruf muss der frühere Investmentbanker, der Anfang 2013 in die Immobilienbranche zu Deutsche Wohnen wechselte und dort zunächst für Corporate Finance und Investor Relations zuständig war, nun verteidigen. Im September 2016 stieg der 1970 geborene Manager zum CFO auf. Mit der Übernahme von Deutsche Wohnen durch Vonovia ging er als CFO des fusionierten Konzerns zum größten Privatvermieter Deutschlands. Hier fand sich Grosse schnell zurecht, was auch notwendig war, denn plötzlich musste er sich mit steigenden Kreditkosten, Bestandsabwertungen und Schuldenbegrenzung auseinandersetzen. Doch Grosse, der nach wie vor in Berlin lebt, steuerte die Finanzen des Bochumer Konzerns souverän durch die Krise, so dass sein Vertrag gerade um drei Jahre verlängert wurde.