Schottland

Kate Forbes will Nicola Sturgeon ablösen

Kate Forbes gilt als die Kandidatin für das Amt der Regierungschefin, die von den britischen Konservativen am meisten gefürchtet wird. Sie steht für eine bodenständigere Variante des schottischen Nationalismus.

Kate Forbes will Nicola Sturgeon ablösen

Von Andreas Hippin, London

Kate Forbes (32) ist zwar gerade im Mutterschaftsurlaub. Doch das hat die schottische Finanzministerin nicht davon abgehalten, ihr Interesse am Amt von Nicola Sturgeon per Video kundzutun. „Ich kann mich nicht zurücklehnen und zusehen, wie unsere Nation auf dem Weg zur nationalen Selbstbestimmung ausgebremst wird“, sagte die Cambridge-Absolventin. „Unsere kleinen, un­abhängigen Nachbarn genießen wohlhabendere, fairere und grünere Gesellschaften. Das können wir auch.“

Der schottische Gesundheitsminister Humza Yousaf (37) und die rebellische Abgeordnete Ash Regan (48) hatten bereits angekündigt, zu kandidieren. Angus Robertson (53), der ehemalige Fraktionsführer der Scottish National Party (SNP) in Westminster, den viele Parteigranden gerne als Nachfolger der schottischen Regierungschefin gesehen hätten, nahm sich selbst aus dem Rennen. Er habe zwei sehr kleine Kinder, für die er da sein müsse. Davor hatten ihn die Buchmacher als den wahrscheinlichsten Gewinner des Machtkampfs unter den Nationalisten betrachtet. Mittlerweile liegt Forbes vorn.

Yousaf gilt als Favorit der Unterstützer Sturgeons in der Partei. Forbes stünde dagegen nicht für Kontinuität. Sie gehört der sozialkonservativen Free Church of Scotland an und war eine der 15 SNP-Politikerinnen und Politiker, die 2019 die Parteiführung in einem Brief aufforderten, die Reform des Gender Recognition Act nicht zu überstürzen. Im vergangenen Jahr blockierte die Londoner Zentralregierung das von Sturgeon und ihrem Umfeld vorangetriebene Gesetz, das den Wechsel des Ge­schlechts stark vereinfacht hätte. Die Abgeordnete für den Wahlkreis Skye, Lochaber und Badenoch vertritt auch zu anderen Themen wesentlich bodenständigere Ansichten als die bisherige Parteivorsitzende. Politische Moden und unpopuläre Anliegen sind nicht ihre Sache. Mit ihrem vernunftgetriebenen Ansatz könnte sie Wähler zurückgewinnen, die der Partei wegen der Koalition mit den Grünen, der Stimmungsmache gegen die Öl- und Gasbranche und anderen Themen wie der Einführung eines Einweg-Pfandsystems den Rücken gekehrt haben. Bei jüngeren Parteimitgliedern, die sich progressiver Identitätspolitik oder sozialistischen Ideen verschrieben haben, kommt sie dagegen schlecht an. Sie halten sie schlicht und einfach für eine Konservative. Kein Wunder also, dass die „Daily Mail“ bereits von einer „Operation Stop Kate“ ihrer parteiinternen Gegner berichtet.

Forbes erschien 2020 auf der großen Bühne, als ihr Vorgänger Derek Mackay nur wenige Stunden vor der Vorlage des Haushalts der Regierung zurücktreten musste, weil ihm vorgeworfen wurde, Hunderte von Textnachrichten an einen 16-Jährigen­ verschickt zu haben. Er habe sich „töricht“ verhalten, sagte Mackay. Forbes lieferte an seiner Statt den Haushalt ab. Vor zwei Jahren trat sie den Gewerkschaften des öffentlichen Diensts entgegen, die 3 % mehr Lohn als „Schlag ins Ge­sicht“ empfanden. Dem „Spectator“ zufolge ist Forbes die Kandidatin, vor der die Tories den größten Respekt haben.

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