US-Wahlkampf

Kommt das Duell zwischen Staatsanwältin und Straftäter?

US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat die besten Chancen, die Nachfolge von Joe Biden als Spitzenkandidatin der Demokratischen Partei anzutreten.

Kommt das Duell zwischen Staatsanwältin und Straftäter?

Duell zwischen Staatsanwältin und Straftäter

Von Peter De Thier, Washington

Noch am 26. Juni, dem Tag vor US-Präsident Joe Bidens katastrophalem Auftritt bei der Fernsehdebatte mit seinem republikanischen Rivalen Donald Trump, hätte niemand ein Duell zwischen Vizepräsidentin Kamala Harris (59) und dem Republikaner für möglich gehalten. Sicher ist ihre Kandidatur noch nicht, erscheint aber weniger als einen Monat nach dem TV-Duell sehr wahrscheinlich. Nach Bidens Ausstieg aus dem Rennen um die Präsidentschaft hat somit zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau afroamerikanischer und asiatischer Abstammung Chancen, nachzurücken und das mächtigste Amt im Lande zu erobern.     

Abwechslungsreiche Karriere

Die Tochter einer indischen Krebsforscherin und eines Ökonomie-Professors aus Jamaika hatte Karriere als Staatsanwältin gemacht, zunächst für San Francisco und ab 2011 für den Staat Kalifornien. Unter Beschuss geriet die Absolventin der prominenten University of California zu Beginn ihrer Laufbahn wegen ihrer mangelnden Bereitschaft, energisch gegen unnötige Polizeigewalt vorzugehen und Ordnungshüter anzuklagen.

Als Reaktion auf die scharfe Kritik, die sie einstecken musste, wandelte sich die Position der Staatsanwältin. Gegen Ende ihrer Karriere-Station als Chef-Anklägerin forderte Harris umfassende Polizeireformen. Sorgfältig pflegte sie das Image einer aggressiven Advokatin für die Opfer unnötiger Polizeigewalt. Bald danach bewarb sich Harris erfolgreich um einen Senatssitz. Sie vertrat den größten US-Staat von 2017 bis 2021 im US-Kongress.

Dort kämpfte sie für die Rechte illegaler Immigranten. Wenn sie Englisch lernen und gegen keine Gesetze verstoßen, sollten sie Chancen bekommen, Amerikaner zu werden, meinte Harris. Auch plädierte sie für schärfere Waffengesetze, die Legalisierung von Cannabis und sowohl eine Gesundheits- als auch eine Steuerreform. 

Zudem stellte Harris im Senat wiederholt ihre Qualitäten als erfahrene Staatsanwältin unter Beweis. So machte die Demokratin Schlagzeilen, als sie nach Trumps Wahlsieg seine designierten Kabinettsmitglieder ins Kreuzverhör nahm. Auch griff sie seine umstrittenen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof während deren Bestätigungsanhörungen scharf an. 

Die redegewandte und temperamentvolle Juristin nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Sie ist in den wichtigsten politischen Themen sattelfest. Anzunehmen ist daher, dass sie bei Auftritten während der verbleibenden drei Monate des Wahlkampfs eine starke Figur abgeben wird. Sollte sie die Nominierung bekommen, ist es ihr Ziel, das Duell mit Trump klar zu definieren: Harris in der Rolle als Chefanklägerin, die dem bereits vorbestraften Republikaner den nächsten Prozess macht.

Unterdessen erinnert sich die Juristin sehr gut daran, dass Biden sich nach seinem Wahlsieg im November 2020 als Übergangspräsident beschrieben hatte. Als „Brücke zur Zukunft“, wie er damals sagte. Schon damals witterte Harris eine große Chance, als erste Frau, dazu noch Vertreterin einer ethnischen Minderheit, in Bidens Fußstapfen zu treten. Nun ist diese Chance, aus einem Duell mit Trump als Siegerin hervorzugehen und ins Weiße Haus einzuziehen, in greifbare Nähe gerückt.

Interne Konkurrenz

Trotzdem will die Partei Trumps zentrales Argument im Keime ersticken: dass es nach den Vorwahlen, die Biden klar gewann, „undemokratisch“ sei, ohne eine Abstimmung einen Nachfolger zu ernennen. Folglich könnten auch andere Kandidaten bei „Blitz-Vorwahlen“ ihr Interesse anmelden.

Zu den möglichen Anwärtern zählt Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer. Sie ist eine politisch moderate Demokratin, die in dem Swing State seit 2019 die Regierungsgeschäfte führt. Auch fällt häufig der Name des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Newsom hat während der letzten Monate sein Profil auf nationaler Ebene geschärft. Der erfolgreiche Unternehmer gilt aber gemäßigten Demokraten als zu linksliberal. Sie meinen, Newsom würde sich schwertun, Wechselwähler in Swing States für seine Kandidatur zu begeistern.

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