Mark Carney will Premier werden

Vom Chef der Bank of England zum Chef von Kanada

Mark Carney will Justin Trudeau beerben. Der ehemalige Chef der Bank of England kandidert für die Führung der kanadischen Liberalen.

Vom Chef der Bank of England zum Chef von Kanada

Mark Carney (59) hat lange auf diesen Moment gewartet. Am Donnerstag gab der ehemalige Gouverneur der Bank of England seine Kandidatur für den Spitzenjob bei den kanadischen Liberalen bekannt. Der „George Clooney unter den Notenbankern“, wie er wegen seines Aussehens auch genannt wurde, wollte schon früher in die große Politik. Doch der Wahlsieg von Justin Trudeau hatte ihm den Weg versperrt.

Mark Carney will endlich Premier werden

von Andreas Hippin, London

Trudeau hatte am 6. Januar seinen Rücktritt angekündigt. Wohnungsnot und steigende Lebenshaltungskosten ließen der einstigen Hoffnungsträger in der öffentlichen Gunst sinken. Noch im vergangenen Monat hatte der Sprössling einer kanadischen Politikerdynastie versucht, Carney für sein Kabinett zu rekrutieren.

Rekrutierungsversuch scheitert

Wie „The Globe & Mail“ berichtete, hatte Trudeau Finanzministerin Chrystia Freeland via Zoom wissen lassen, dass der ehemalige Chef der Bank of Canada sie ersetzen werde. Doch Carney war an einer Nebenrolle nicht interessiert. Schon als sich die Liberal Party nach der Wahlniederlage 2011 vom glücklosen Parteichef Michael Ignatieff trennte, war Carney als möglicher Nachfolger im Gespräch. Zudem ist Carney „The Albertan“ zufolge Taufpate von Freelands Sohn.

Auch heute sieht es nach einer Bewerbung um die Rolle des Oppositionsführers aus. Pierre Poilievre, der Führer der Konservativen, liegt in den Umfragen vorn. Wie zuvor Donald Trump in den USA setzt er darauf, dass die Wählerschaft genug von „woken“ Themen hat. Im Herbst hätten ohnehin Wahlen angestanden. Trudeau trat lediglich die Flucht nach vorn an.

„Beruhigende Stimme“

Carney hebt seine eine „beruhigende Stimme“ in aufgeregten Zeiten, sagte der ehemalige kanadische Justizminister David Lametti, der einst in Harvard mit ihm Hockey spielte. Seine Frau Diana Fox Carney arbeitet als Beraterin zu Klima- und Finanzthemen für die Eurasia Group.

Da trifft es sich gut, dass der Vater von vier Töchtern als UN-Klimasonderbotschafter um den Globus jettet. Zudem ist er seit 2022 Chairman von Brookfield Asset Management, eines kanadischen Finanzinvestors mit nennenswertem Exposure zur Energiewende. Vor zwei Jahren machte ihn Mike Bloomberg auch noch zum Chairman des neuen Boards von Bloomberg.

In Großbritannien hinterließ Carney nach seiner Zeit als Notenbankchef, die von 2013 bis 2020 reichte, gemischte Gefühle. Seine „Forward Guidance“, die eigentlich signalisieren sollte, wohin sich die Geldpolitik entwickelt, führte die Märkte oft in die Irre. Das brachte ihm den spöttischen Spitznamen „der unzuverlässige Liebhaber“ ein.

„Der unzuverlässige Liebhaber“

Seine apokalyptischen Prophezeiungen für den Fall eines Votums für den EU-Austritt beim Referendum 2016 trafen nicht ein. Fehler zuzugeben, gehört allerdings nicht zu seinen Stärken. Dafür war Carney am Tag nach der Volksabstimmung auf seinem Posten. Die politisch Verantwortlichen tauchten ab. Diese Professionalität des Goldman-Sachs-Alumnus überzeugte auch diejenigen, die sonst nicht seiner Meinung waren. In Kanada muss er sich erst noch beweisen.

hip London
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