Martin Winterkorn wird 75
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Sein Rücktritt als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns jährt sich im September zum siebten Mal, doch für Martin Winterkorn ist der im Spätsommer 2015 aufgeflogene Dieselabgasskandal weiterhin nicht ausgestanden. Zwar verband der Aufsichtsrat des Wolfsburger Mehrmarkenunternehmens mit der Entscheidung im März 2021, Winterkorn sowie den früheren Audi-Chef Rupert Stadler wegen aktienrechtlicher Sorgfaltspflichtverletzungen auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, mit der Feststellung, die Prüfung von Haftungsansprüchen abzuschließen und einen Schlussstrich unter die eigene Aufklärung der Ursachen und Verantwortlichkeiten der Dieselkrise zu ziehen. Die Verständigung auf einen Vergleich sah für Winterkorn eine Zahlung von 11,2 Mill. Euro vor: Nie zuvor hat ein früherer Top-Manager in Deutschland – zeitweise der am besten bezahlte – so viel Schadenersatz an sein Unternehmen leisten müssen. Doch die gerichtliche Aufarbeitung des Abgasskandals dauert an.
Im April dieses Jahres entschied etwa das Oberlandesgericht Braunschweig, das Landgericht Braunschweig müsse erneut über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Winterkorn wegen Verstoßes gegen das Wertpapierhandelsgesetz entscheiden. Mit ihrer Beschwerde gegen die vorherige Entscheidung des Landgerichts vom 7. Februar dieses Jahres, das Strafverfahren nicht fortzusetzen, war die Staatsanwaltschaft erfolgreich. Im Januar 2021 hatte das Landgericht Braunschweig das Verfahren gegen den von Anfang 2007 bis zum 23. September 2015 amtierenden VW-Konzernchef wegen einer ihm drohenden erheblich höheren Strafe in dem ebenfalls in Braunschweig anhängigen Prozess, in dem es um den Vorwurf des bandenmäßigen Betrugs im Zusammenhang mit dem Dieselskandal gegen teils ehemalige Manager und Ingenieure von VW geht, eingestellt. Die Strafermittler verlangten eine Wiederaufnahme, nachdem das Landgericht das Verfahren gegen Winterkorn wegen Betrugs aus Gesundheitsgründen zur gesonderten Verhandlung abgetrennt hatte.
Ob und wann der Metallkundler und Detailfanatiker wegen „Dieselgate“ persönlich im Gerichtssaal erscheinen wird, ist offen. Dass sein Name verbunden sei mit der Dieselaffäre, müsse er akzeptieren, meinte er später einmal nach seinem Rücktritt, mit dem er die Verantwortung für einen Skandal übernahm, der VW mittlerweile Belastungen von 33 Mrd. Euro eingebracht hat. Der ehemalige Konzernchef, dessen Karriere 2015 kurz nach dem überraschenden Bruch mit dem 2019 verstorbenen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch ein abruptes Ende nahm und der zurückgezogen in München lebt, vollendet heute sein 75. Lebensjahr.