Bundesbank

Nagel kehrt heim

Die Feier zum Amtswechsel an der Spitze der Bundesbank fällt coronabedingt bescheiden aus. Ex-Präsident Jens Weidmann mahnt noch einmal zur Demut – und der neue Chef Joachim Nagel macht gleich klar, was für ihn zählt.

Nagel kehrt heim

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Als Joachim Nagel am Dienstag bei der Feier zum Amtswechsel an der Spitze der Bundesbank ans Rednerpult tritt, merkt man ihm schon auch ein wenig Nervosität an. Den Respekt vor der Aufgabe, womöglich noch einmal erhöht durch das „große Pflichtenheft“, wie er mit Blick auf die Ratschläge und Mahnungen seiner Vorredner scherzend meint. Vor allem aber ist da viel Freude. Freude auf die neue Aufgabe und Freude über die Rückkehr. „Es fühlt sich ein bisschen wie eine Heimkehr an“, sagt Nagel gleich zu Beginn. „Ich komme zurück zu der Institution, in der ich den Großteil meines Berufslebens verbracht habe und die mich auch am stärksten geprägt hat.“

Tatsächlich hatte Nagel 17 Jahre bei der Bundesbank gearbeitet, ehe er der Notenbank 2016 den Rücken kehrte und zur Förderbank KfW ging – von wo aus er dann 2020 zur Zentralbank der Zentralbanken BIZ in Basel wechselte. Jetzt ist er also dort zurück, wo er es bis zu seinem Ausscheiden zum Vorstandsmitglied geschafft hatte. Und jetzt steht er sogar an der Spitze dieser Institution, über die Ex-EU-Kommissionspräsident Jacques Delors einst scherzend-anerkennend sagte: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank.“

Wie so vieles in diesen Tagen steht indes auch die Amtswechselfeier ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Wo solch ein Anlass ansonsten zu einem wahren Auflauf prominenter Vertreter aus der Finanzwelt, der Wirtschaft und der Politik wird, ist der Rahmen dieses Mal viel bescheidener. Neben einigen Kameraleuten und Technikern, die für die Übertragung der Feierstunde verantwortlich sind, sind nur Nagel und die fünf anderen Redner im Gästehaus der Bundesbank zugegen. Die meisten Gäste sind virtuell zugeschaltet, klein sichtbar auf großen Monitoren. Auch das Malion Streichquartett, das zwischendurch für Musik sorgt, wird aus einem Nebenraum zugeschaltet.

Im Saal rühmt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den scheidenden Jens Weidmann als „unbeirrten Fürsprecher einer stabilitätspolitischen Orientierung der Geldpolitik“ und nennt die Wahl Nagels zumal in Zeiten hoher Inflation „ein gutes, ein wichtiges und richtiges Signal an die deutsche Bevölkerung und an die Europäische Union“. Und EZB-Präsidentin Christine Lagarde lobt „Standhaftigkeit“, „Sachverstand“ und „Loyalität“ Weidmanns, den sie „ganz sicher vermissen“ werde, und sagt zugleich, dass sie sich auf die „enge Zusammenarbeit“ mit Nagel freue, – wobei sie auch mit Blick auf ihre Kritiker in Deutschland er­gänzt, dass der EZB-Rat „unerschütterlich“ an seinem Preisstabilitätsziel festhalte.

Weidmann mahnt

Weidmann selbst, der sich auch aus Frust über die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) vorzeitig zurückzieht, nutzt seinen Auftritt, um seine gut zehn Jahre an der Bundesbankspitze Revue passieren zu lassen, – „eine herausfordernde Zeit, in der mitunter schwierige Entscheidungen zu treffen waren, unter Zeitdruck und mit weitreichenden Folgen“. „Das Koordinatensystem hat sich verschoben“, sagt Weidmann mit Blick auf die Rolle der EZB in den vergangenen Krisen. Und quasi wie ein Erbe formuliert er noch einmal, worauf es für ihn ankommt: Die Geldpolitik müsse sich auf ihr enges Mandat der Preisstabilität fokussieren und die Trennung zur Fiskalpolitik sichern.

„Du bringst die Fähigkeiten mit, die an der Spitze der Bundesbank gebraucht werden. Ohne Zweifel bist du der Richtige für die Herausforderungen als Bundesbankpräsident“, sagt Weidmann zum Schluss in Richtung Nagel, der wenige Meter vor ihm sitzt. Und da schwingt nicht nur mit, dass sich die beiden seit mehr als 20 Jahren kennen und sehr schätzen. Die warmen Worte sind sicher auch dem Umstand geschuldet, dass Weidmann mit Nagel einen Nachfolger bekommt, der in der Tradition der Bundesbank steht, der die stabilitätspolitische Orientierung quasi in seine DNA übernommen hat.

Daran jedenfalls lässt Nagel in seiner etwas mehr als 20-minütigen Antrittsrede keine Zweifel. „Die Menschen in Deutschland erwarten auch zu Recht, dass die Bundesbank eine hörbare Stimme der Stabilitätskultur ist. Ich kann ihnen versichern: Das wird sie auch bleiben“, sagt Nagel – und macht klar, worauf es für ihn ankommt: klarer Fokus auf die Preisstabilität, Wahrung der Unabhängigkeit der Geldpolitik, Nein zu dauerhaft hohen Schulden. Und er betont, dass er die aktuellen Inflationssorgen angesichts der Rekordinflation von 5,0% im Euroraum ernst nimmt und eher Risiken sieht, dass die Teuerung länger höher bleibt als derzeit erwartet. „Auf alle Fälle muss die Geldpolitik auf der Hut sein“, sagt er.

Im EZB-Rat dürfte Nagel da noch so manche kontroverse Debatte be­vorstehen. Am Ende richtet er sich auch an die zugeschalteten Kollegen aus dem EZB-Rat, wobei er eigens ins Englische wechselt. Er freue sich auf „fruchtbare Diskussionen“, sagt er, hinterlegt für die Kollegen aber gleich, was für ihn zählt: „Wir alle sind bestrebt, unser gemeinsames Ziel zu erreichen, nämlich die Preisstabilität für die Menschen im Euro-Währungsgebiet zu gewährleisten.“

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