Nun geht es dem Gründer von Evergrande an den Kragen
Für den Hauptverantwortlichen der Misere rund um den angeschlagenen chinesischen Immobilienkonzern Evergrande wird es eng. Der Gründer, Haupteigner und Chairman der Evergrande Group, Hui Ka Yan, befindet nach Informationen von Bloomberg in einer Form der polizeilichen Kontrolle, die in China als „Wohnraumüberwachung“ bezeichnet wird. Damit verbindet sich in der Regel ein hausarrestähnlicher Zustand in einer von Justizbehörden gewählten Umgebung. Die erlaubt auch abseits einer förmlichen Festnahme der betroffenen Person nur geringste oder keine Bewegungsmöglichkeiten und führt zudem zu einer wesentlichen Beschneidung ihrer Kommunikationsmöglichkeiten nach außen.
Peking lässt dem Gründer von Evergrande
nun doch die Flügel stutzten
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Kommunikation abgeschnitten
Dass sich Hui in einem von der Justiz angeordneten Isolierungszustand befindet, deckt sich mit Aussagen aus dem Umfeld von Evergrande, denenzufolge er seit einiger Zeit nicht mehr in direkter Kommunikation mit der operativen Geschäftsführung steht. Man muss also davon ausgehen, dass Hui bis auf weiteres nicht mehr an den zuletzt immer stärker kompromittierten Rettungsplänen für die Evergrande Group mitwirken kann.
Erst am Vortag hatte das Wirtschaftsmagazin "Caixin" berichtet, dass zwei besonders wichtige Verantwortlichen für das Evergrande-Geschäft der vergangenen Jahre ebenfalls von der Justiz angegangen worden sind. Dem Vernehmen befindet sich der vor einem Jahr zurückgetretene langjährige Chief Executive Xia Haijun in einer ähnlichen Restriktionsform wie Hui, während der zeitgleich mit Xia zurückgetretene frühere Chief Financial Officer (CFO) Pan Darong laut Informationen von "Caixin" kürzlich festgenommen worden war.
Evergrande steht als welthöchstverschuldeter Immobilienkonzern geradezu sinnbildlich für die weitreichende Krise im chinesischen Wohnungsbausektor, die sich in den letzten Monaten wegen immer neuer Schieflagen und Zahlungsausfällen von großen Bauträgern weiter zugespitzt hat. Die neue Nachrichtenlage zu den Hauptakteuren bei Evergrande gilt als ein Anzeichen dafür, dass bei der Pekinger Regierung ein Geduldsfaden gerissen ist.
Seit Frühjahr 2021, als die prekäre Situation bei Evergrande immer mehr ans Licht rückte, wurde der von der Kommunistischen Partei über viele Jahre hinweg als Starunternehmer in hohen Ehren gehaltene und mit einem hohen Mandat im Beratungsgremium des Volkskongresses versehene Hui in den Staatsmedien nie persönlich diskreditiert. Er wurde lediglich dazu aufgefordert, sein Haus wieder bestmöglich in Ordnung zu bringen.
Mittlerweile schwinden aber nicht nur die Hoffnungen, dass sich Evergrande als sanierungsfähig erweist. Vielmehr muss Peking erkennen, dass sich die Verschuldungskrise der privaten Bauträger mit Evergrande im Zentrum sich hochgradig konjunkturgefährdend auf den gesamten Immobiliensektor auswirkt und wesentlich zu einem Vertrauensschwund an den Finanzmärkten beiträgt.
Nun gilt es als immer wahrscheinlicher, dass man an Hui als einem indirekten Wirtschaftssaboteur, der Schande über das Land gebracht hat, in irgendeiner Form ein Exempel statuieren wird. Das abenteuerliche Finanzierungsgeflecht von Evergrande bietet nach allem, was man bislang weiß, ohnehin einige Ansätze, um nicht nur halsbrecherisches Unternehmertum zu geißeln, sondern auch wirtschaftskriminellen Vergehen nachzuspüren.