Große Personalrochade

Österreichs Wirtschaftsminister Kocher wird Notenbankchef

Gleich drei der vier Direktoriumsmitglieder der Notenbank in Österreich werden ihre Posten räumen. An die Spitze rückt der Verhaltensökonom und Politiker Martin Kocher. Mit dem Wechsel könnten die Tauben im EZB-Rat Aufwind bekommen.

Österreichs Wirtschaftsminister Kocher wird Notenbankchef

Österreichs Wirtschaftsminister Kocher wird Notenbankchef

mpi Frankfurt
Von Martin Pirkl, Frankfurt

Im Vorstand der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ist großes Stühlerücken angesagt. Gleich drei der vier Mitglieder räumen ihre Posten. Österreichs Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher wird Gouverneur der OeNB. Er rückt im September kommenden Jahres an die Spitze der Notenbank, wenn die Amtszeit von Robert Holzmann endet. Das sieht das Personalpaket vor, auf das sich die Regierung in Wien nun nach einem wochenlangen Ringen einigen konnte. Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss die Ernennung des 50-jährigen Verhaltensökonomen noch genehmigen. Das gilt jedoch als reine Formsache.

Umstrittene Rochade

Bereits im Dezember dieses Jahres übernimmt die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Edeltraud Stiftinger den Posten der Vize-Gouverneurin. Derzeit ist sie Geschäftsführerin der Förderbank Austria Wirtschaftsservice. Der jetzige Vize Gottfried Haber, der gerne Gouverneur geworden wäre, räumt seinen Posten Ende November. Eigentlich wäre sein Mandat bis Juli 2025 gegangen. Im kommenden Jahr wird zudem Josef Mechenitsch in das Direktorium einziehen. Lediglich das jetzige Vorstandsmitglied Thomas Steiner verbleibt längerfristig. Er wird bis 2031 wiederbestellt.

Das große Stühlerücken ist nicht unumstritten. Dass sich die österreichische Regierung jetzt mit den Posten befasst hat, obwohl etwa die Amtszeit von Robert Holzmann noch über ein Jahr läuft, kommt nicht von ungefähr. Der Koalition in Wien, bestehend aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und den Grünen, droht eine Wahlniederlage bei den Parlamentswahlen im September. In Umfragen liegt die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) vorne. Wirtschafts- und Arbeitsminister Kocher ist parteilos, steht jedoch der ÖVP nahe. Mechenitsch gehört den Grünen an, die künftige Vize-Gouverneurin Stiftinger der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ).

EZB-Rat verliert Falken

Mit dem Abgang Holzmanns als Gouverneur der österreichischen Notenbank verliert der EZB-Rat einen dezidierten Verfechter einer restriktiven Geldpolitik (Falken). In Analysen gilt er regelmäßig als der falkenhafteste Falke. Kocher wiederum hat sich bislang kaum zum Thema Geldpolitik geäußert, sodass noch offen ist, wie er sich positionieren wird.

Der gebürtige Salzburger geriet als Minister unter anderem dadurch in die Schlagzeilen, dass er eine Reduktion der Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte forderte. Dies würde mehr Anreize für eine Vollzeitbeschäftigung setzen. Zudem befürwortet Kocher anders als die Bundesregierung Österreichs ein Freihandelsabkommen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur.

Sportbegeisterter Ökonom

Vor seiner Zeit als Minister arbeitete Kocher unter anderem als Professor für Verhaltensökonomik am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien. Von 2016 bis 2021 war er zudem wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Höhere Studien.

Kocher veröffentlichte als Wirtschaftswissenschaftler zahlreiche Arbeiten. So beschäftigte er sich unter anderem damit, wie sich Zeitdruck auf individuelle Entscheidungen auswirkt. In einer anderen Untersuchung kam der sportbegeisterte Ökonom, der gerne Marathon läuft und Berge besteigt, zu dem Schluss, dass Schiedsrichter im Fußball dazu neigen, die Heimmannschaft zu bevorteilen, wenn diese zurückliegt.


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