Olaf Lies soll Regierungschef von Niedersachsen werden
Olaf Lies soll Regierungschef in Niedersachsen werden
Von Carsten Steevens, Hamburg
Niedersachsens Ministerpräsident und SPD-Landeschef Stephan Weil wird sich im Mai von seinen Ämtern zurückziehen. Das gab der 66 Jahre alte SPD-Politiker, der seit Februar 2013 Regierungschef ist und nach einer Koalition mit der CDU seit knapp zweieinhalb Jahren zum zweiten Mal eine rot-grüne Landesregierung anführt, am Dienstag vor der Presse bekannt.
Anzeichen für den Abschied hatten sich zuletzt verdichtet. Weil verabschiedet sich als Ministerpräsident zur Halbzeit der regulär noch bis Herbst 2027 laufenden Legislaturperiode in Niedersachsen. Seinem Wunschnachfolger Olaf Lies gibt er damit Zeit, sich zu profilieren und die kommende Landtagswahl mit dem Amtsbonus eines Regierungschefs anzugehen.
Wahl im Mai
Der 57 Jährige, der seit 2013 Mitglied der Landesregierung und im dritten Weil-Kabinett seit Ende 2022 Wirtschaftsminister ist, soll durch einen Sonderparteitag der Landes-SPD am 16. Mai zur Wahl als Ministerpräsident vorgeschlagen und vier Tage später im Landtag gewählt werden. Es gebe keine Zweifel an der Fortsetzung der Koalition mit den Grünen, sagte Regierungschef Weil in der Pressekonferenz. Lies, der nach dem am 24. Mai geplanten ordentlichen Parteitag auch den SPD-Landesvorsitz übernehmen soll, galt schon länger als Favorit für die Nachfolge.
Für seinen Rückzug aus der Politik seien in erster Linie persönliche Gründe maßgeblich, erklärte Weil. Er betonte zugleich, dass er darüber selbst entschieden habe und „von keiner Seite in irgendeiner Form bedrängt worden“ sei. Die Aufgaben seien anspruchsvoller und kraftraubender geworden, er müsse seinem Alter Tribut zollen. Zudem leide er unter Schlafstörungen. Es sei Zeit, kürzerzutreten. Weil, hinter Reiner Haseloff (CDU) in Sachsen-Anhalt und Winfried Kretschmann (Grüne) in Baden-Württemberg derzeit der Ministerpräsident mit der drittlängsten Amtszeit, fügte hinzu, er gehe mit Wehmut, freue sich aber auf mehr Zeit ohne Druck und ein hohes Maß an Fremdbestimmung. Zugleich gehe er „leichten Herzens, weil ein sehr guter Nachfolger bereitsteht“.
„Absoluter Leistungsträger“
Weil bezeichnete Lies vor der Presse als „absoluten Leistungsträger unserer Landesregierung“ und hob drei Beispiele aus den vergangenen zweieinhalb Jahren hervor. Er verwies auf die maßgebliche Rolle des ausgebildeten Funkelektronikers und studierten Diplom-Ingenieurs bei der Errichtung des ersten deutschen Flüssigerdgas-Terminals in Wilhelmshaven, um die Energieversorgung nach dem Stopp der Gaslieferungen aus Russland zu stabilisieren. Zweitens habe Lies die Rettung der in Finanznot geratenen Meyer Werft in Papenburg orchestriert. Und schließlich verwies Weil auf die beispielgebende Novelle der niedersächsischen Bauordnung. Lies sei zudem „charakterlich absolut integer und absolut loyal“. Hätten sie zunächst im Wettbewerb miteinander um politische Verantwortung gestanden, sei inzwischen eine „echte Freundschaft“ entstanden.
Vor der Landtagswahl 2013 hatte der gebürtige Wilhelmshavener Lies als damaliger SPD-Landeschef die angestrebte Spitzenkandidatur in einem Mitgliederentscheid gegen Hannovers Oberbürgermeister Weil verloren. Gestaltenden Einfluss übte Lies, der dem niedersächsischen Landtag als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Friesland angehört, als Wirtschafts- und später als Umweltminister dennoch aus. Nun sagte vor der Presse, Ziel sei es, die amtierende rot-grüne Koalition in Niedersachsen fortzusetzen, auch über 2027 hinaus. Er warb zugleich um fraktionsübergreifende Zusammenarbeit aller Demokraten im Landtag, wie etwa bei der Rettung der Meyer Werft. Die jüngste Entscheidung im Bundestag und Bundesrat für mehr Investitionsmöglichkeiten in Deutschland biete auch in Niedersachsen Chancen, Projekte voranzubringen und die Demokratie zu stärken.
Mit Blick auf die wichtigste Industriebeteiligung des Landes sagte Lies, er sei mit Blick auf die Standortentwicklung „froh und dankbar“, dass Weil seit 2013 Aufsichtsrat von Volkswagen sei. Es sei „selbstverständlich“, dass Niedersachsen „seine Verantwortung weiter übernehmen“ werde. An VW, das aktuell durch einen überwiegend an niedersächsischen Standorten geplanten Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen bis 2030 deutlich profitabler werden will, ist das Land mit einem Stimmrechtsanteil von 20% beteiligt. Als voraussichtlich nächster Ministerpräsident ist Lies auch im Aufsichtsrat von VW designierter Nachfolger von Weil. Er dürfte wie der gebürtig aus Hamburg stammende Jurist auch eines der acht Mitglieder im Aufsichtsratspräsidium werden, dem engeren Machtzirkel.
Aufsichtsrat bei VW
Dem VW-Kontrollgremium gehörte Lies bereits an: als Wirtschaftsminister Niedersachsens im ersten Weil-Kabinett von 2013 bis 2017. In diesen Zeitraum fiel die Aufdeckung des Abgasmanipulationsskandals von VW im September 2015 sowie die anschließende Forcierung des Umbaus in Richtung Elektromobilität und Digitalisierung. Insofern kennt Lies die Bedingungen und Herausforderungen bei Volkswagen bereits aus eigener Erfahrung.