Porsche will Vizechef und Vertriebsvorstand vor die Tür setzen
Porsche will Vizechef und Vertriebsvorstand feuern
Von Stefan Kroneck, München
Paukenschlag bei der Porsche AG. Der Sportwagenbauer zieht erste, weitreichende personelle Konsequenzen aus dem Absatzdesaster in China, schwachen Finanzzahlen, einem trüben Ausblick für 2025 und einem drastischen Kursrückgang der Aktie. Der Aufsichtsrat will Vizechef und Finanzvorstand Lutz Meschke (58) sowie Vertriebsvorstand Detlev von Platen (61) vor die Tür setzen. Einer Pflichtmitteilung des Dax-Mitglieds aus Stuttgart-Zuffenhausen zufolge beauftragte das Kontrollgremium seinen Vorsitzenden, mit den beiden Managern Gespräche zu führen „über ein einvernehmliches vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand“.
Dem gingen wohl heftige Diskussionen in einer Sondersitzung des Aufsichtsrats voraus. Das Organ leitet Wolfgang Porsche. Der 81-jährige Enkel des Firmengründers Ferdinand Porsche ist das Oberhaupt des gleichnamigen Familienzweigs in dem verzweigten Clan Porsche-Piëch. Am Samstag rang sich der 20-köpfige Aufsichtsrat zu einer Entscheidung durch, die um 21:37 Uhr an die Öffentlichkeit ging. Der Vorstand der Porsche AG setzt sich aus acht Personen zusammen. Über die Pflichtmitteilung wollte die Porsche AG auf Nachfrage keine weiteren Angaben machen.
Chaostage
Dass nach dem Vertrauensentzug der Mutterkonzern Volkswagen und die Eigentümerfamilie keinen geordneten Wechsel vollziehen konnten und nunmehr gezwungen sind, unter Zeitdruck geeignete (konzerninterne) Nachfolger für beide Manager zu benennen, wirft ein Schlaglicht auf die Corporate Governance im Gebilde VW-Porsche und auf die angespannte Lage der traditionsreichen schwäbischen Edelmarke. In den obersten Etagen am Porsche-Hauptsitz und in der Wolfsburger VW-Zentrale muss es turbulent zugegangen sein.
Offen ist, ob der Porsche-Aufsichtsrat abermals einen Statthalter für Vorstandschef Oliver Blume (56) nach Meschkes Format installiert. Dieser soll sich angeblich hausintern zunehmend missfällig geäußert haben in Bezug auf seine eigene Position im Unternehmen, wie einige Medien berichten. Das wird als Kritik interpretiert an Blume, der auf Geheiß der beiden Familienzweige seit September 2022 in einer CEO-Doppelrolle agiert. Der eigentliche Vorstandsvorsitzende der Porsche AG führt seitdem in gleicher Position auch die Muttergesellschaft, das Dax-Schwergewicht aus der niedersächsischen Tiefebene. Seinerzeit folgte Blume auf Herbert Diess, der aufgrund vieler Missstände vor allem bei der Pkw- Kernmarke von VW bei Porsche-Piëch in Ungnade fiel.
Auch Posten bei der Porsche SE wackelt
In der Gemengelage dürften auch Meschkes Tage im Vorstand der Porsche SE gezählt sein. Der aus Hilden stammende Diplom-Kaufmann ist in der vom Familienclan dominierten Stuttgarter Beteiligungsholding seit 2020 zugleich für den Bereich Beteiligungen zuständig. Die Porsche SE ist zweitgrößter Einzelaktionär der Porsche AG und nach Stimmrechten Mehrheitseigentümer von VW. Seit Oktober 2015 ist Meschke CFO und stellvertretender CEO des Sportwagenherstellers. Seitdem ist er Blumes sogenannte rechte Hand in Zuffenhausen, als dieser dort zeitgleich zum Vorstandschef aufstieg. Der Aufsichtsrat der Porsche AG verlängerte Meschkes Vertrag zuletzt Anfang 2022. Sein Vertrag bei der Porsche SE wurde sogar erst im August 2024 bis ins Jahr 2030 verlängert.
Multiple Rollen keine Ausnahme
Multiple Rollen sind in der Corporate-Governance-befreiten Welt des VW-Konzerns keine Ausnahme. Volkswagen-Chefaufseher Hans Dieter Pötsch (73), der in seiner Funktion als CEO der ebenfalls im Dax notierten Holding zugleich dem Aufsichtsrat der Porsche AG angehört, sprach er Meschke ebenfalls das Misstrauen aus. Der aus Österreich stammende Pötsch ist ein enger Vertrauter von Wolfgang Porsche. Pötsch gehört wie Blume zu der Riege von Managern im VW-Porsche-Konglomerat mit Mehrfachaufgaben.
Führungstandem zeigt Risse
Die Schwächen dieses strukturellen Führungsgebildes treten vor allem in schlechten Zeiten wie aktuell offen zutage. Das Tandem Blume-Meschke, welches Porsche Ende September 2022 erfolgreich wieder an die Börse brachte, bekam zunehmend Risse, als der Gegenwind im operativen Geschäft immer rauer wurde. Nach dem sehr guten Geschäftsjahr 2023 ging es rapide bergab. 2024 fiel schwach aus. Der Absatzeinbruch in China trug wesentlich dazu bei, dass weltweit die Auslieferungen von Porsche um 3% absackten. Die Porsche-Händler im Reich der Mitte sind verunsichert. Von Platen lehnt Preisnachlässe, wie sie die Händler fordern, mit dem Hinweis ab, dass das Unternehmen ansonsten die eigene Marke verwässere. Der chinesische Markt ist hochkompetitiv. Aufstrebende lokaler Anbieter sorgen für Preisdruck. Der Umsatz ist rückläufig. Aufgrund hoher Vorleistungen für den Umbau zur Elektromobilität erodieren die Margen. Porsche legt am 12. März ihre Bilanz für 2024 vor.
Auch für 2025 sieht es bei Porsche mau aus. Auf einer Analystenkonferenz dieser Tage gab der Leiter von Investor Relations Molltöne ab. Absatz und Ergebnis bleiben unter Druck. Für Blume, dessen Kapazitäten immer stärker für die Sanierung der Pkw-Marke von VW beansprucht werden, sind das schlechte Vorzeichen. Eigentlich sollte die Porsche AG 2025 wieder in die Spur kommen. Der abermalige Rückschlag belastet das Arbeitsklima in der obersten Etage.
Imageschädigender Kursrutsch
Die Anleger wenden sich von der Porsche AG ab. Die Aktie büßte seit ihrem Hoch Mitte 2023, als der Kurs fast 130 Euro erreichte, über die Hälfte an Wert ein. Das Papier notiert derzeit ein Viertel unter dem Ausgabepreis von 82,50 Euro. Das nagt am Image und Selbstwertgefühlt der stolzen Luxusmarke. Die Eigentümerfamilie sah sich nun gezwungen, die Reißleine zu ziehen.