Großaktionär MFE

Druck aus Italien auf ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets

Einen Monat vor der Hauptversammlung von ProSieben-Sat.1 verschafft der Großaktionär MFE seiner Unzufriedenheit Luft. Pier Silvio Berlusconi verlangt von Bert Habets mehr Tempo.

Druck aus Italien auf ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets

Druck aus Italien auf den Chef von ProSiebenSat.1

Von Joachim Herr, München, und Gerhard Bläske, Mailand

Seit dem Beginn ist es eine schwierige Aufgabe für Bert Habets. Die für den Umsatz und noch mehr für die Profitabilität von ProSiebenSat.1 so wichtige TV-Werbung schwächelt. Diese Misere gepaart mit der relativ hohen Verschuldung engt den finanziellen Spielraum des Vorstandsvorsitzenden ein, um das Kerngeschäft zu stärken: das klassische Fernsehen und die Streaming-Plattform Joyn.

Auch mit den anderen beiden Segmenten – Dating & Video sowie Commerce & Ventures – kommt der 53 Jahre alte Niederländer, seit November 2022 Vorstandschef, nicht richtig voran. Sowohl von der Dating-Sparte Parship Meet Group als auch vom Verbraucherportal Verivox und der Online-Parfümerie Flaconi will sich der Medienkonzern trennen. Doch da Umsatz und Ergebnis von Parship Meet zuletzt geschrumpft sind, steht ein Börsengang vorerst nicht auf der Agenda. Und die Verkaufspreise, die für Verivox und Flaconi derzeit zu erzielen wären, sind dem Management zu niedrig.

Geduld offenbar erschöpft

Das Zögern gefällt dem italienischen Groß- und Hauptaktionär Media for Europe (MFE) mit Pier Silvio Berlusconi (54) an der Spitze überhaupt nicht: Dem Vorstand wird angekreidet, trotz der wiederholt geäußerten Absicht „keine wesentlichen Fortschritte“ zu erzielen. Die Geduld der Italiener scheint erschöpft zu sein: Berlusconi will die Trennung vom Digitalgeschäft beschleunigen und fordert, diese Sparte abzulösen und an die Börse zu bringen. Der virtuellen Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 am 30. April schlägt MFE vor, über eine Abspaltung abzustimmen. Ein Konglomeratsabschlag ließe sich so vermeiden. Vom „vollen Unternehmenswert“ könnten alle Aktionäre profitieren.

Ziemlich hilflos

Seit der frühere RTL-Chef Habets, der zunächst im Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 war, CEO in Unterföhring bei München ist, setzt sich der Abstieg an der Börse nahezu stetig fort. Zum Start im November 2022 lag der Aktienkurs bei etwa 7 Euro. Zwischenzeitlich stieg er im April vor einem Jahr auf 10 Euro, dümpelt aber jetzt bei 6 Euro dahin. Die Marktkapitalisierung schrumpfte auf 1,4 Mrd. Euro. Als MFE im Mai 2019 erstmals eine Beteiligung an ProSiebenSat.1 gemeldet hatte, stand der Kurs bei 15 Euro. Damals besaß das Unternehmen 7,5% der Stimmrechte, inzwischen sind es knapp 30%.

In der Bilanzpressekonferenz Anfang März verwies Habets – angesprochen auf den Aktienkurs – darauf, dass auch andere Medienunternehmen an der Börse verloren haben. Ähnliches war schon von seinen Vorgängern zu hören; es klingt ziemlich hilflos. 2023 sank der Umsatz um 7% auf 3,9 Mrd. Euro, unter dem Strich stand ein Verlust von 134 Mill. Euro.

Das Verhältnis zu MFE beschrieb Habets vor drei Wochen als konstruktiven Dialog. Der Aktionär habe bestätigt, daran zu glauben, dass die Strategie von ProSiebenSat.1. in die richtige Richtung gehe. Mittlerweile wirken diese Aussagen schal wie Floskeln. MFE erhöht den Druck. Den lässt Pier Silvio Berlusconi einen Monat vor der Hauptversammlung deutlich spüren.

Im Schatten des Vaters

Jahrelang stand er im Schatten seines Vaters Silvio, der ein riesiges, von der Familienholding Fininvest kontrolliertes Firmengeflecht aufgebaut hatte, bevor er Karriere in der Politik machte. Dabei steht sein Sohn schon seit 2015 an der Spitze des Medienkonzerns MFE, der früher Mediaset hieß.

Pier Silvio Berlusconi leitet den Medienkonzern MFE, früher Mediaset, seit 2015.
IPP/Paolo Bona

Fast geräuschlos machte Pier Silvio Berlusconi das Unternehmen zur Nummer 1 in Italiens Fernsehmarkt und überholte nach Marktanteilen den Staatssender Rai. Noch vor dem Tod des Vaters im vergangenen Frühsommer holte er von der Rai, die unter Premierministerin Giorgia Meloni mehr denn je auf Staatskurs ist, auch linke Zugpferde wie Bianca Berlinguer, Tochter des früheren Kommunisten-Chefs Enrico Berlinguer.

Idee von einer europäischen Senderfamilie

Den Konzernsitz hatte Berlusconi junior schon zuvor nach Amsterdam verlegt, integrierte die spanische Tochterfirma und steigert die Werbeeinnahmen auch in einem schwierigen Umfeld. Und er erwarb nach und nach die fast 30% der Stimmrechte von ProSiebenSat.1, die er zu einem Teil einer europäischen Senderfamilie machen möchte.

Residenz in Traumlage

Ambitionen für ein Engagement in der Politik zeigte Pier Silvio Berlusconi bisher nicht. Und die hat er nach wie vor nicht, wie er jüngst der Tageszeitung „Corriere della Sera“ sagte. Der einst als Playboy geltende Berlusconi-Sprössling kontrolliert mit seiner Schwester Marina, die das Verlagshaus Mondadori leitet, die Mehrheit von Fininvest. Sein Leben führt er fernab des Rampenlichts. Seit 2002 ist er mit dem einstigen Mediaset-Showgirl Silvia Toffanin liiert, mit der er zwei Kinder hat.

Seit vielen Jahren lebt er im ligurischen Jetset-Ort Portofino. Nach der abgeschlossenen Renovierung steht der Umzug aus dem bisherigen Wohnsitz, dem Castello Paraggi, in das Traum-Luxusanwesen Villa San Sebastiano nun offenbar unmittelbar bevor. Berlusconi hatte das ehemalige Kloster, das von Weinbergen und Olivenhainen umgeben ist und eine Traumlage über dem Ort hat, vor etwa zwei Jahren für angeblich 20 Mill. Euro erworben.

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