Reizfigur, Überzeugungstäter, letzter Ampelfan: Volker Wissings eigener Weg
Reizfigur, Überzeugungstäter, letzter Ampelfan: Volker Wissings eigener Weg
Von Andreas Heitker, Berlin
An der grünen Basis ist Volker Wissing so etwas wie ein rotes Tuch. Eine Reizfigur. Einer, der die Verkehrswende ausbremst. Der kein Tempolimit, dafür aber den Bau neuer Straßen fordert. Der die jährlichen Sektorziele abgeschafft hat, um bei den CO2-Zielen eine laxere Verkehrspolitik fahren zu können. Einer, der auf EU-Ebene im letzten Moment das längst beschlossene Verbrenner-Aus kippen wollte. Dass der 54-Jährige auch der Erfinder des Deutschlandtickets ist und unter seiner Regie aktuell so viele Milliarden wie noch nie in die Sanierung der Deutschen Bahn gepumpt werden, wird dabei gerne unterschlagen.
Bruch mit der FDP
Viele werden ihr Bild des liberalen Ministers nach den vergangenen Tagen ohnehin noch einmal revidieren müssen: Immerhin hat Wissing den Bruch mit seiner Partei vollzogen, wohl wissend, dass dies in Kürze das Ende seiner politischen Karriere bedeutet. Der sonst eher zurückhaltend und bedacht auftretende Jurist hat mit seinem Austritt aus der FDP und seinem Verbleib im Kabinett für einen besonders lauten Paukenschlag innerhalb der zusammenstürzenden Regierungskoalition gesorgt. Dies sei eine persönliche Entscheidung, die seiner Vorstellung von Übernahme von Verantwortung entspreche, begründete Wissing dies. „Ich möchte mir selbst treu bleiben.“
In Berlin und insbesondere in der FDP war die Haltung des bekennenden Christen, der in einer calvinistischen Familie in Rheinland-Pfalz groß geworden und in einer Kirche dort lange Zeit die Orgel gespielt hat, nicht unbekannt. Am Freitag vor dem Ampel-Knall hat Wissing in einem Gastbeitrag für die FAZ noch einmal eindringlich für eine Fortführung der Koalition geworben. Ein Rückzug wäre „respektlos gegenüber dem Souverän“, schrieb er. Dass in dem schwierigen Regierungsbündnis unterschiedliche Positionen vertreten werden, ist für den Minister, der als Generalsekretär der FDP 2021 den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hatte, kein Problem, sondern ein „Glücksfall“.
Gute Ampel, schlechte Ampel
Die Antwort seines Parteichefs kam nur wenige Stunden nach Erscheinen des Artikels. Da wurde das umstrittene 18-seitige Wirtschaftspapier von Finanzminister Christian Lindner öffentlich, das letztendlich das Ende des Regierungsbündnisses zwar nicht unmittelbar herbeigeführt, aber doch deutlich beschleunigt hatte. Der Austritt des Verkehrsministers aus der FDP war Lindner dann nur noch dürre Worte wert: Er wünsche ihm „menschlich alles Gute“, so der einzige Kommentar.
Dass Wissing heute so etwas wie der letzte Ampelfan ist, hat auch viel mit den Erfahrungen des langjährigen FDP-Landesvorsitzenden in Rheinland-Pfalz zu tun. Von 2016 bis 2021 war er dort Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau sowie stellvertretender Ministerpräsident in einer stabilen rot-gelb-grünen Koalition, die bis heute hält. Es ist „die gute Ampel“, wie es der heutige Landeschef Alexander Schweitzer zuletzt formuliert hatte. In Berlin hatte Wissing im Dreierbündnis dagegen oft vergeblich für einen respektvollen Umgang und Vertragstreue geworben.
Den Grundwerten verpflichtet
In der Bundesregierung wird Volker Wissing bis zur Neuwahl im nächsten Jahr nicht nur das Verkehrs- und Digitalressort weiter verantworten, in denen er hofft, noch weitere Weichen für eine modernere Infrastruktur stellen zu können. Er wird zusätzlich auch noch das Justizministerium von seinem bisherigen Parteifreund Marco Buschmann übernehmen. Dass der verheiratete Vater einer Tochter vor seiner politischen Laufbahn bereits in Zweibrücken und Landau in der Pfalz als Staatsanwalt sowie Richter am Amts- und Landgericht tätig war, dürfte ihm dabei sicherlich helfen. Einer anderen Partei will er übrigens nicht beitreten. Den Grundwerten der FDP fühlt er sich weiterhin verbunden, wie er selbst betont.