Diversity

Schwarze Managerinnen verlassen deutsche Firmen

Bei den US-Tochtergesellschaften deutscher Großkonzerne häufen sich die Abgänge von bislang ohnehin kaum in Spitzengremien vertretenen schwarzen Top-Managerinnen. Die zuletzt im Vorstand der Allianz Life für Vielfalt und Integration zuständige...

Schwarze Managerinnen verlassen deutsche Firmen

Von Norbert Kuls, New York

Bei den US-Tochtergesellschaften deutscher Großkonzerne häufen sich die Abgänge von bislang ohnehin kaum in Spitzengremien vertretenen schwarzen Top-Managerinnen. Die zuletzt im Vorstand der Allianz Life für Vielfalt und Integration zuständige Cecilia Stanton Adams verlässt den Lebensversicherer nach weniger als zwei Jahren in dieser damals eigens geschaffenen Position. Sie wird sich künftig wieder der gemeinsam mit ihrer Frau Malissa Adams gegründeten, gleichnamigen Beratungsgesellschaft widmen. Stanton Adams bestätigte der Börsen-Zeitung den Wechsel auf Anfrage, nachdem sie ihr Profil auf dem sozialen Business-Netzwerk Linkedin geändert hatte.

Ende Mai war zudem Ivory Harris von der US-Tochtergesellschaft des Chemiekonzerns BASF als Personalvorständin zum amerikanischen Landmaschinenhersteller Agco ge­wechselt. Die Afroamerikanerin war zuletzt US-Personalchefin bei BASF gewesen und wurde im November des vergangenen Jahres in das oberste Führungsgremium, das nordamerikanische Executive Committee, berufen. Agco ist die Muttergesellschaft des deutschen Traktorenherstellers Fendt und wurde bis Ende des vergangenen Jahres 16 Jahre lang vom deutschen Manager Martin Richenhagen geführt. Harris ist die erste Person afroamerikanischer Herkunft im obersten Führungzirkel von Agco. Die Zahl der Frauen in dem 14-köpfigen Gremium steigt mit Harris auf zwei.

„Einvernehmlich“

Den Abschied von Stanton Adams bei Allianz Life bezeichnete ein Unternehmenssprecher als „einvernehmlich“. Stanton Adams wird den auf Rentenversicherungen spezialisierten Finanzdienstleister zudem weiter beraten. Die Position Chief Diversity and Inclusion Officer soll nach einem formellen Such- und Auswahlprozess wieder neu besetzt werden. Allianz Life wird mit Jasmine Jirele, die derzeit im Vorstand für Strategie verantwortlich ist, ab September auch erstmals eine Vorstandschefin (CEO) bekommen.

Das Thema Vielfalt und Inklusion spielt bei amerikanischen Unternehmen seit Jahren eine zunehmend wichtige Rolle. Nachdem der Fokus wie in Deutschland zunächst auf Gleichberechtigung und Förderung von Frauen lag, drängen Kunden, Investoren und Mitarbeiter jetzt stärker auf Vielfalt, die über Gender-Fragen hinausgeht und auch ethnische Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung einschließt.

Die Debatte hatte im vergangenen Jahr nach der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd durch den weißen Polizisten Derek Chauvin in Minneapolis besondere Brisanz bekommen. Zahlreiche Unternehmen, darunter auch die in Minneapolis beheimatete Allianz Life hatten sich öffentlich gegen Rassismus gewandt, Initiativen für die afroamerikanische Gemeinschaft angekündigt und mehr Vielfalt in den eigenen Reihen versprochen. In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Berufung des Aktienanalysten Paul Trussell in das bis dahin ausschließlich weiß besetzte US-Führungsgremium der Deutschen Bank im August des vergangenen Jahres. Die Allianz Life hat nach Angaben eines Sprechers im vergangenen Jahr den Diversitätsaspekt bei der Einstellung von Mitarbeiter forciert und achtet auch bei Lieferanten auf mehr Vielfalt.

Minneapolis stand zuletzt wiederholt im Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit, da dort im März und April der Mordprozess gegen Chauvin stattfand. Zudem wurde der Afroamerikaner Daunte Wright im April bei einer Verkehrskontrolle in der Nähe der Stadt erschossen, woraufhin sich die Allianz Life in einer Stellungnahme erneut gegen „jegliche Form von Rassismus“ aussprach.

Hinter dem Engagement für mehr Vielfalt und Gerechtigkeit stehen nicht nur moralische, sondern auch geschäftliche Überlegungen. „Es gibt neue, sich entwickelnde Märkte, deren Kunden andere Werte und unterschiedliche Bedürfnisse haben“, hatte Stanton Adams vor einem Jahr in einem Interview mit der Börsen-Zeitung gesagt. Um innovative Produkte und Dienstleistungen für diesen vielfältigen Markt zu schaffen, benötigten Unternehmen Mitarbeiter mit unterschiedlichen Perspektiven.

Stanton Adams, deren Großmutter einst aus Honduras in die USA gekommen war, hatte angekündigt, dass sich die Allianz Life stärker auf Afroamerikaner konzentrieren wolle, die jahrelang vom Finanzsystem ausgeschlossen waren und entsprechenden Nachholbedarf bei Lebensversicherungen und Altersvorsorge haben. Das gilt auch für Haushalte von Amerikanern mit lateinamerikanischer Abstammung. Gebe es dieses Wohlstandsgefälle zu weißen Amerikanern nicht, könnten Finanzkonzerne nach Kalkulationen der Unternehmensberatung McKinsey 60 Mrd. Dollar mehr einnehmen – jährlich.