Schweizer Starbanker wartet auf Urteil
Von Daniel Zulauf, Zürich
Der Raiffeisen-Prozess ist zu Ende. Des Betrugs, ungetreuen Geschäftsbesorgung und etlicher anderer Delikte angeklagt waren Pierin Vincenz, der langjährige Chef der drittgrößten Schweizer Bankengruppe und dessen einstiger Geschäftspartner und Unternehmensberater Beat Stocker sowie fünf weitere Personen.
Nach acht langen Verhandlungstagen, in denen sich drei Staatsanwälte und die Verteidiger der sieben Beschuldigten einen schonungslosen Kampf um die besten Argumente geliefert haben, liegt der Ball nun beim Zürcher Bezirksgericht.
Urteil kommt am 13. April
Am 13. April will Gerichtspräsident Sebastian Aeppli das Urteil verkünden. Die Anklägerin fordert sechs Jahre Gefängnis für die beiden Hauptbeschuldigten Vincenz und Stocker. Sie sollen sich auf Kosten der Raiffeisen Schweiz respektive der Zahlungsdienstleisterin Aduno unrechtmäßig bereichert haben – teilweise in gewerbsmäßiger Manier. Den beiden müssten die auf kriminelle Weise erzielten Gewinne von rund 25 Mill. sfr entzogen werden, verlangt die Klägerin. Für die Mitbeschuldigten, denen in der Anklage eine Art Gehilfenfunktion zukommt, sind Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. in einem Fall eine kleine Geldstrafe gefordert. Bei ihnen will die Staatsanwaltschaft unrechtmäßig erworbenen Vermögen von mehr als 40 Mill. sfr abschöpfen.
Dem Gericht liege Beweismaterial „in schier unüberblickbaren Mengen“ vor, konstatierte Lorenz Erni, der Verteidiger von Pierin Vincenz am letzten Verhandlungstag in dieser Woche in seiner Replik auf den letzten Auftritt der Staatsanwaltschaft. Zum wiederholten Mal kritisierte der Staranwalt, dass die Anklägerin diese Flut an Beweismaterial nur dazu benutzt habe, ihre vorgefertigte Meinung zu zementieren. Vehement versuchten Erni und seine Verteidigerkollegen bis zum Schluss des Prozesses das Bild der Verschwörung zu zerstören, das die Staatsanwaltschaft entworfen und vor zwei Wochen in der Replik auf die Plädoyers der Beschuldigtenvertreter in einfacher und prägnanter Weise nachgezeichnet hatte. Der Fall sei „im Kern einfach“, hatte Staatsanwalt Oliver Labhart über die fünf technisch teilweise hochkomplexen Finanztransaktionen gesagt, mit denen sich die Beschuldigten seiner Auffassung nach unrechtmäßig bereichert haben.
Zwei Hüte aufgehabt
Vincenz und Stocker hätten bei ihren Geschäften stets zwei Hüte aufgehabt. Sie seien jeweils auf beiden Seiten des Verhandlungstisches gesessen, hatte Anklägerin am 10. März resümiert. Dies hätten auch die Mitbeschuldigten so gewollt, denn sie hätten sich ihrerseits Vorteile auf Kosten der Privatkläger (Aduno/Raiffeisen) versprochen.
„Aber wer sich heimlich auf Kosten seines Arbeitgebers bereichert, macht sich strafbar“, hatte der Staatsanwalt seinen Standpunkt klargemacht. „Das gilt für die Kassiererin im Laden und es gilt für das Personal von systemrelevanten Banken. Wäre es anders, hätte das System versagt.“
Der Vergleich mit einem Diebstahl an der Kaufhauskasse sei „ein Versuch der Staatsanwaltschaft, die Intuition des Gerichts anzusprechen und damit von den Fakten abzulenken“, erwiderte am letzten Verhandlungstag Fatih Aslantas, einer der sieben Verteidiger. Stellvertretend für alle Beklagten warnte er das Gericht, sich von der scheinbar simplen Logik der Anklage verführen zu lassen.
Angesichts der immensen Fülle an Informationen und technischen Einzelheiten zu den fraglichen Finanztransaktionen ist diese Gefahr mindestens für außenstehende Prozessbeobachter durchaus real.
Auf andere Fährten locken
Freilich zeigten sich auch die Verteidiger stets höchst bemüht in ihrem Ziel, das Gericht auf andere Fährten zu locken und die Anklage in Zweifel zu ziehen. In stundenlangen Plädoyers wurden aus der Flut von Beweismitteln unzählige Einzelheiten herausgefischt, um zu belegen, dass Vincenz und Stocker nie gemeinsame Sache machten, wenn es darum ging, Firmen mit großem Gewinn an Raiffeisen oder Aduno zu verkaufen, an denen zuvor schon Stocker, nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in klandestiner Weise aber immer auch Vincenz beteiligt waren.
Mindestens Vincenz, der sich auf Kosten seiner Arbeitgeberin auch ausgiebig im Schweizer Rotlichtmilieu herumgetrieben hatte, räumte am Ende des Prozesses immerhin ein, dass sein Geschäftsgebaren nicht vorbildlich war. „Ich bin mir bewusst, dass ich Fehler gemacht und übertrieben habe. Aber nie habe ich mit dem Vorsatz gehandelt, Raiffeisen oder Aduno zu schädigen“, beteuerte der frühere Raiffeisen-Chef. Er habe sich „mit Herzblut“ für die gute Entwicklung dieser Firmen eingesetzt und „nichts Unrechtmäßiges“ getan. Wie zu seinen besten Zeiten zeigte sich der 65-Jährige hart in der Sache. aber geschmeidig im Stil.