Stahlindustrie

Thyssenkrupp braucht neuen Finanzvorstand

Thyssenkrupp kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Ausscheiden von Vorstandschefin Martina Merz im Mai verlässt absehbar auch Finanzchef Klaus Keysberg das Unternehmen.

Thyssenkrupp braucht neuen Finanzvorstand

Im Vorstand von Thyssenkrupp
setzt sich der Aderlass fort

ab Düsseldorf
Von Annette Becker, Düsseldorf

Klaus Keysberg, der seit 2019 im Konzernvorstand von Thyssenkrupp sitzt und seit April 2020 den Hut des Finanzvorstands aufhat, hat sich gegen eine Verlängerung seines im Juli kommenden Jahres auslaufenden Vorstandsvertrags entschieden. Keysberg vollende 2024 sein 60. Lebensjahr, schreibt Thyssenkrupp. Der Fortgang des 59-Jährigen trifft das Unternehmen hart, ist Keysberg, der seit 1996 für den Konzern arbeitet, doch nicht nur ein intimer Kenner des Traditionskonzerns. Vielmehr befindet sich der Mischkonzern noch immer mitten im Umbau.

Obendrein war es erst im Frühsommer zu einem Wechsel an der Vorstandsspitze gekommen. Damals hatte Martina Merz entnervt aufgegeben. Seit 1. Juni fungiert Miguel López als CEO. Dass sich der einstige Siemens-Manager die Butter nicht vom Brot nehmen lässt, hatte er gleich zu Beginn zu verstehen gegeben. Inwieweit die Entscheidung Keysbergs mit dem Führungswechsel und etwaigen enttäuschten Karriereambitionen zusammenhängt, ist reine Spekulation. Fakt ist, dass der neue Thyssen-Chef zuletzt ein neues Performance-Programm ausgerufen hat, unabhängig davon, dass Merz ihre vier Jahre an der Vorstandsspitze unter das Motto "Performance, Performance, Performance" gestellt hatte.

Nach einem Bericht von Reuters soll das Performance-Programm in der kommenden Woche dem Aufsichtsrat präsentiert werden. Der Betriebsrat hat sich vorsorglich schon einmal positioniert und erklärt, dass mit ihm keine betriebsbedingten Entlassungen zu machen seien.

Zugleich annoncierte López, an der Verselbständigung des Stahlgeschäfts und des Marineschiffbaus festzuhalten. Darüber hatte es im dreiköpfigen Vorstand unter Leitung von Merz, die den Konzern zu einer Group of Companies mit unterschiedlichen Eigentümerstrukturen in einzelnen Geschäften umbauen wollte, durchaus Dissens gegeben.

Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm bedauerte das Ausscheiden Keysbergs und dankte ihm für das langjährige Engagement. "Klaus Keysberg hat den umfassenden Veränderungsprozess des Unternehmens in den letzten vier Jahren klug und mit großer Umsicht eng begleitet und damit maßgeblich zu den bislang erreichten Fortschritten der Transformation beigetragen", wird Russwurm zitiert. Der Personalausschuss habe den Suchprozess gestartet, um dem Aufsichtsrat "möglichst zeitnah" eine Nachfolgelösung präsentieren zu können.

Keysberg hatte seine Laufbahn bei Thyssenkrupp 1996 im Automotive-Bereich begonnen. Von 2011 bis 2018 war der promovierte Betriebswirt im Bereichsvorstand der Geschäftseinheit Materials Services tätig, zunächst als Chief Operating Officer, anschließend als Chief Financial Officer. 2019 übernahm er die Position des Chief Executive Officer im Werkstoffhandel. Nach der Trennung von Guido Kerkhoff als Vorstandschef von Thyssenkrupp im Herbst 2019 war Keysberg in den Konzernvorstand aufgerückt, mit Zuständigkeit für die Segmente Materials Services und Steel Europe. Zur selben Zeit hatte Martina Merz den Vorstandsvorsitz übernommen. Im April 2020 übernahm Keysberg zusätzlich die Verantwortung für das Finanzressort.