EU-Ratspräsidentschaft

Viktor gegen den Rest der Welt

Der Besuch Viktor Orbáns, nur wenige Tage nach Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft, hat scharfe Kritik anderer EU-Regierungschefs ausgelöst.

Viktor gegen den Rest der Welt

Viktor gegen den Rest der Welt

fed Frankfurt

Finnlands Ministerpräsident Petteri Orpo fand am Freitag klare Worte. Die Entscheidung des frischgebackenen EU-Ratspräsidenten Viktor Orbán, nach Moskau zu reisen, sei verstörend, wurde Orpo von Nachrichtenagenturen zitiert. Der Besuch des ungarischen Regierungschefs im Kreml „zeigt die Missachtung der Aufgaben der EU-Ratspräsidentschaft und untergräbt die Interessen der Europäischen Union“.

Mit Empörung und Distanzierung reagierten europaweit auch andere Regierungschefs auf den unabgesprochenen Alleingang des Ungarns, den er selbst als „Friedensmission“ verstanden haben wollte. So konterkariere Orbán mit seiner Stippvisite bei Wladimir Putin den Grundsatz der EU, über die Zukunft der Ukraine nur zu beraten, wenn die Ukraine dabei mit am Tisch sitze.

Umgehende Distanzierung

Bundeskanzler Olaf Scholz und der noch amtierende EU-Außenbeauftragte Josep Borrell unterstrichen, dass Orbán bei seinem Besuch nicht die Europäische Union vertrete. Ähnlich reagierten Vertreter der Nato. Generalsekretär Jens Stoltenberg stellte ausdrücklich klar, dass sich Orbán in seiner Funktion als ungarischer Ministerpräsident in Moskau aufhalte – und eben nicht als Vertreter des westlichen Verteidigungsbündnisses. Die amtierende und womöglich auch künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte, Beschwichtigungspolitik werde Putin nicht stoppen. „Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen“, schrieb sie in einem Tweet.

Die Galligkeit, mit der EU-Spitzenpolitiker auf die Reise Orbáns reagierten, spiegelt die angespannte Stimmung in Kreisen des EU-Rats wider. Die Tatsache, dass Ungarn routinemäßig die Geschäftsführung im Spitzengremium der nationalen Regierungen übernommen hat, wird von ernsthaften Zweifeln begleitet, ob Orbán die Rolle als Ratsvorsitzender nicht politisch missbraucht. Denn eigentlich ist Usus, dass die EU-Ratspräsidentschaft eigene nationale Interessen zurückstellt und sich als Moderator und Makler für alle Ziele einsetzt, die Aussichten auf eine Mehrheit im Kreise der nationalen Regierungen haben. Genau gegen dieses ungeschriebene Gesetz verstößt Orbán, indem er den bisherigen diplomatischen Kurs der EU in puncto Ukraine-Krieg jäh verlässt, der von 26 der 27 EU-Mitgliedstaaten – allen außer Ungarn – klar unterstützt wird.