EU-Spitzenpersonalien

Von der Leyen gelingt der Spagat

361 Stimmen hat sie gebraucht – 401 hat sie letztlich bekommen. Die amtierende EU-Kommissionspräsidentin ist damit für weitere fünf Jahre in ihrem Amt bestätigt worden.

Von der Leyen gelingt der Spagat

Von der Leyen gelingt der Spagat

Von Detlef Fechtner. Brüssel
fed Brüssel

Am Ende war die Mehrheit dann doch ziemlich deutlich. 401 Europaabgeordnete votierten für eine zweite Amtszeit der Präsidentin der EU-Kommission – 40 mehr als notwendig. Damit fiel die Mehrheit für Ursula von der Leyen satter aus als vor fünf Jahren, denn seinerzeit ging sie nur mit neun Stimmen über die Ziellinie.

Dass die Zahl 401 genau der Summe der Sitze von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen im neuen EU-Parlament entspricht, ist dabei ein Zufall. Denn auch wenn die Wahl geheim ist, so ist doch offensichtlich, dass es Abweichler bei Sozialdemokraten und Liberalen gab, und sogar bei von der Leyens eigener Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei.

Das ist erstens nicht ungewöhnlich für Abstimmungen im EU-Parlament, weil es in Athen, Helsinki und Luxemburg sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was konservativ oder liberal ist. Und das ist zweitens nicht überraschend, weil bereits in den vergangenen Tagen einzelne Abgeordnete aus dem Kreis von Sozial- und Christdemokraten sowie von Liberalen angekündigt hatten, nicht für die 65-jährige Deutsche zu stimmen, so die fünf Vertreter der FDP.

Auch Grüne an Bord

Andererseits hatten die Grünen erklärt, von der Leyen unterstützen zu wollen – wohl auch im Bewusstsein, dass jede andere Präsidentin oder jeder andere Präsident aus den Reihen der Volkspartei sich weit zurückhaltender zum Green Deal bekennen würde, als von der Leyen, die den Green Deal in den zurückliegenden fünf Jahren zu einer ihrer zentralen Vorhaben erklärt hatte.

Zudem haben die Grünen bei den Europawahlen stärker an politischem Gewicht eingebüßt als alle anderen Parteien. Sie treten daher bescheidener auf als etwa die erstarkten rechtskonservativen Brüder Italiens unter Führung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, wenn es darum geht, Gegenleistungen für eine Unterstützung von der Leyens zu fordern.

Zugeständnisse ebnen den Weg

Der früheren Bundesministerin gelang am Donnerstag der Spagat, sich Unterstützung von grünen EU-Parlamentariern zu sichern, ohne zugleich die Konservativen zu verprellen. Dem rechten Flügel des eigenen Lagers kam die studierte Medizinerin und Volkswirtin entgegen, indem sie das Thema Wettbewerbsfähigkeit priorisierte, eine strengere Gangart im Kampf gegen illegale Migration ankündigte – und ein kleines Türchen öffnete, das eine Abkehr vom absoluten Verbrennerverbot erlaubt und die Rolle synthetischer Treibstoffe betont. Auch wenn sie dabei nicht spürbar über das hinausging, was Bundesverkehrsminister Volker Wissing ohnehin bereits signalisiert wurde, um auf dessen Vorbehalte zu reagieren. 

Die grüne Seele streichelte sie unter anderem mit einer Bekräftigung der Reduktionsziele für Schadstoffe und die Ansage eines noch etwas schemenhaften Green Industrial Deals sowie durch klare Worte der Distanzierung gegenüber dem jüngsten diplomatischen Alleingang des ungarischen EU-Ratsvorsitzes.

Den Parteien der Mitte haben durch den unfallfreien Verlauf der Abstimmungen in dieser Woche – neben von der Leyen wurden ja auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und deren Stellvertreter bestätigt – die erste Bewährungsprobe für ihre neue Zusammenarbeit überstanden. Schließlich wollen sie ja in der neuen Legislaturperiode kooperieren, um Vorhaben zu beschließen, ohne dabei auf die Unterstützung der Rechtsaußen-Parteien angewiesen zu sein.

Fraktionsdisziplin in Europa gering

Eigentlich sollte das in der neuen Amtsperiode durchaus möglich sein, denn die vier Parteien der Mitte – Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne – verfügen gemeinsam über mehr als 450 der insgesamt 720 Sitze. Angesichts der im Verhältnis zu nationalen Parlamenten schwach ausgeprägten Fraktionsdisziplin bedeutet dies aber, dass sich mindestens drei und idealerweise alle vier Parteien über Gesetzesvorlagen einig sein müssen, um sich auf  stabile Mehrheiten stützen zu können.

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