Parlamentswahlen Frankreich

Wer wird nächster Premierminister von Frankreich?

Der Ausgang der zweiten Wahlrunde am Sonntag entscheidet darüber, wie Frankreichs künftige Regierung aussehen wird und wer sich Hoffnungen machen kann, Premierminister zu werden.

Wer wird nächster Premierminister von Frankreich?

Frankreich sucht neuen Premierminister

Von Gesche Wüpper, Paris

Kurz vor der entscheidenden Wahlrunde spekuliert Frankreich, wie sein künftiger Premierminister heißen könnte. Jordan Bardella vom rechtsextremen Rassemblement National (RN), Jean-Luc Mélenchon von der linksextremen La France Insoumise (LFI), ein anderer Kandidat vom Linksbündnis Nouveau Front Populaire oder gar jemand ganz anderes? Noch scheinen mehrere Szenarien möglich, auch wenn der RN im ersten Wahlgang mit 33% der Stimmen vorn lag.

„Ich möchte der Premierminister aller Franzosen sein“, erklärte RN-Parteichef Jordan Bardella nach der ersten Wahlrunde. Hatte der aus dem nördlich von Paris gelegenen Drancy stammende 28-Jährige zuvor ausgeschlossen, dass seine Partei ohne absolute Mehrheit die Regierungsverantwortung übernimmt, so ist er inzwischen davon abgerückt. Sollte er Premierminister werden, so will der Sohn eines mittelständischen Unternehmers mit italienischen und algerischen Vorfahren das Amt des Wirtschafts- und Finanzministers aufspalten, sagte er dem „Figaro“. Bardella selbst hat nach dem Abitur an einer Privatschule Geografie an der Sorbonne studiert, jedoch ohne Abschluss abgebrochen, um sich vollkommen der Politik zu widmen.

Mélenchon zu umstritten

Sollte der RN am Sonntag nicht auf die dafür erforderlichen 289 Sitze in der Assemblée Nationale kommen, sondern beispielsweise nur auf 270, dann werde er auf andere Abgeordnete zugehen, die ähnliche Positionen vertreten, erklärte die ehemalige Parteivorsitzende Marine Le Pen. Mit deren Nichte Nolwenn Olivier war Bardella die letzten vier Jahre liiert. Nach dem ersten Wahlgang haben sich rund 215 für die zweite Runde qualifizierte Kandidaten zurückgezogen, um in ihrem Wahlkreis einen Sieg des RN zu verhindern. Deshalb hat sich rein rechnerisch das Risiko verringert, dass die rechtsextreme Partei die absolute Mehrheit erhält.

Selbst in diesem Fall wäre Präsident Emmanuel Macron nicht gezwungen, einen Vertreter des RN als Regierungschef zu ernennen. In der französischen Verfassung der V. Republik heißt es lediglich: „Der Präsident der Republik ernennt den Premierminister.“ Allerdings haben die Vorgänger Macrons in den wenigen Fällen, in denen nicht ihre eigene Partei die absolute Mehrheit bei Parlamentswahlen erzielt hat, das Votum bei der Nominierung des Regierungschefs respektiert.

Ein Wahlsieg der Neuen Volksfront ist deshalb nicht vollkommen ausgeschlossen. Ihr gehört neben Sozialisten, Grünen und Kommunisten die linksextreme LFI an. Dass deren 72-jähriger Parteigründer Jean-Luc Mélenchon Premierminister wird, erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, da er selbst innerhalb des linken Bündnisses zu umstritten ist. Seiner Partei wird vorgeworfen, antisemitisch und destruktiv zu sein, da sie in den letzten zwei Jahren zahlreiche Vorhaben der Regierung Macrons mit Hunderten Abänderungsanträgen torpediert hat.

Technische Regierung mit Experten möglich

Stattdessen werden andere Kandidaten der Linksfront als mögliche Premierminister gehandelt, darunter Raphaël Glucksmann von PS-Place Publique. Der 44-jährige Sohn des Philosophen André Glucksmann ist laut Umfragen inzwischen der viertbeliebteste Politiker in Frankreich, vor dem 55-jährigen Kommunisten Fabien Roussel. Allerdings hat sich dieser nicht für den zweiten Wahlgang qualifiziert. Dagegen hat sich Grünen-Generalsekretärin Marine Tondelier während des kurzen Wahlkampfs einen guten Namen gemacht. Die 37-jährige Politologin gehört der Opposition des Stadtrates von Hénin-Beaumont an, dem der RN seit 2014 vorsteht.

Für rein rechnerisch wahrscheinlicher als eine Mehrheit der Linksfront halten Experten, dass keiner der drei Blöcke am Sonntag auf eine Mehrheit kommt. Präsident Macron könnte dann versuchen, eine Regierung der „nationalen Einheit“ zu bilden, der neben der jetzigen Regierungspartei auch Vertreter der Neuen Volksfront mit Ausnahme von LFI angehören könnten. Sollte dies nicht gelingen, könnte Macron laut Verfassung eine technische Regierung ernennen, die aus Experten, nicht Berufspolitikern besteht.

wü Paris
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