Widerstand im EU-Parlament gegen Fitto und Ribera schwindet
Widerstand im EU-Parlament gegen Fitto und Ribera schwindet
Von Detlef Fechtner, Brüssel
Und sie bewegen sich doch: Die großen Parteien im EU-Parlament haben nach tagelangen Streitigkeiten über die Besetzung der EU-Kommission einen Schritt aufeinander zugemacht. Damit sind die Chancen der designierten EU-Vizepräsidenten Raffaele Fitto und Teresa Ribera ebenso wie des vorgeschlagenen EU-Kommissars aus Ungarn, Oliver Varhelyi, gestiegen, die notwendige Zustimmung des EU-Parlaments zu erhalten. „Vizepräsidenten“ sind EU-Kommissare mit einer etwas herausgehobenen Position, diesen Titel sollen in der neuen EU-Kommission sechs der 26 EU-Kommissare tragen.
Am Dienstag Abend und Mittwoch verhandelten Spitzenvertreter von Christdemokraten und Sozialdemokraten sowie Liberalen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Wie mehrere EU-Abgeordnete bestätigten, ist es das Ziel dieser Gespräche, den Weg für die bisher blockierten Kandidaten für die EU-Spitzenposten dadurch zu bahnen, dass sich die Parteien der Mitte auf eine Koalitionsvereinbarung verständigen – wobei es dem Vernehmen nach zwischen den beteiligten Parteifamilien unterschiedliche Vorstellungen über den Umfang einer solchen Verabredung und deren Verbindlichkeit gibt. Grundsätzlich soll sie aber dazu beitragen, dass die Parteien der Mitte in der nun begonnenen Legislaturperiode Mehrheiten für Gesetze schmieden – und nicht mit den Parteien rechts der Mitte zusammenarbeiten, um etwas durchzuboxen. Das hatten zuletzt etwa die Christdemokraten bei der Entwaldungs-Verordnung getan.
Jenseits der „Brandmauer“
Der Streit um Fitto hatte sich daran entfacht, dass von der Leyen für den Kandidaten, den Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni von den „Brüdern Italiens“ ins Rennen geschickt hatte, die Position als Vizepräsident vorgesehen hatte. Sozialdemokraten, Liberale und Grüne blockierten diesen Plan, weil sie den 55jährigen nicht mit dem herausgehobenen Amt des Vizepräsidenten ausstatten wollen. Für die Mitte-Links-Parteien befindet sich Melonis Regierungspartei, die sie als postfaschistisch bezeichnen, jenseits der „Brandmauer“, gehört also zu den Kräften, mit denen jede Form der Zusammenarbeit tabu sein sollte.
Die Christdemokraten reagierten auf die Blockade von Fitto mit Widerstand gegen die ebenfalls 55 Jahre alte Spanierin Ribera. Die Konservativen stören sich zum einen am Zuschnitt des Ressorts – Wettbewerb sowie nachhaltige Transformation. Zum anderen werfen Spaniens Christdemokraten Ribera vor, eine politische Mitschuld an den eklatanten Mängeln bei der Bewältigung der Flutkatastrophe in Valencia zu tragen. Ribera wurde dazu am Mittwoch vor dem spanischen Parlament befragt. Die Konservativen waren mit Riberas Antworten unzufrieden und bekräftigten ihre Forderung, sie möge versprechen, aus dem EU-Amt auszuscheiden, falls die Justiz wegen ihres Krisenmanagements Anklage gegen sie erhebe. Ob es den Verhandlungspartnern gelingt, trotzdem zu einem Abschluss zu kommen und damit den Weg für eine Bestätigung aller EU-Kommissare nächste Woche zu ebnen, war bei Redaktionsschluss nicht absehbar. Die Chancen dafür wurden von Europaabgeordneten als realistisch eingeschätzt.