30 Jahre nach dem Barings-Kollaps

Wie Nick Leeson die Welt veränderte

Vor 30 Jahren verursachte Nick Leeson den Zusammenbruch der ältesten britischen Handelsbank. Heute spricht er über Risikomanagement.

Wie Nick Leeson die Welt veränderte

Wie Nick Leeson die Welt veränderte

Von Andreas Hippin, London

Nick Leeson hat bis heute noch etwas davon, dass er vor 30 Jahren den Zusammenbruch der ältesten britischen Handelsbank verursachte. Am 27. Februar 1995 kollabierte Barings Bank, nachdem durch seine riskanten Wetten ein Verlust von 862 Mill. Pfund aufgelaufen war. Inzwischen bekommt Leeson als Gastredner 5.000 Pfund für einen 45-minütigen Auftritt. Meist geht es um Risikomanagement, aber auch um Themen wie Verhalten und Firmenkultur.

Die Firmenkultur von Barings sah damals so aus, dass der 28-jährige Leeson seine Handelsgeschäfte in Singapur tätigen konnte, ohne dabei direkt beaufsichtigt zu werden. Trotz mittelprächtiger schulischer Leistungen hatte er sich als Trainee im Geschäft mit Futures und Optionen von Morgan Stanley gut geschlagen. Also ließ man ihn gewähren. 1992 erhielt er von Barings einen Bonus von 190.000 Pfund. Er handelte den Simex gegen den Nikkei und lieferte damit ordentliche Gewinne.

Kartenhaus stürzt ein

Verluste versteckte er im Konto 88888. Leeson versuchte, sie dadurch wettzumachen, dass er den Einsatz erhöhte. Doch das Erdbeben im japanischen Kobe im Januar 1995 machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Nikkei brach drastisch ein. Barings war nicht mehr in der Lage, Nachschussforderungen nachzukommen. Leeson flüchtete im Februar aus Singapur. Wie er später der „Daily Mail“ erzählte, hätte er in jenem Jahr einen Bonus von 400.000 Pfund bekommen sollen.

Aus kleinen Verhältnissen

Anders als viele seiner Kollegen entstammt Leeson nicht dem Großbürgertum. Er wuchs mit drei Geschwistern in einer Sozialwohnung auf. Seine Mutter war Krankenpflegerin, sein Vater selbständiger Gipser. Es habe ihnen nicht an den nötigen Dingen gefehlt, erinnert er sich später. Doch sei ihm immer klar gewesen, dass man nicht leicht an Geld komme.

Doch er hat die Finanzwelt verändert. „Seit dem Zusammenbruch von Barings hat es sowohl bei den Aufsichtsbehörden als auch bei den Finanzinstituten dramatische Veränderungen im Mindset gegeben“, sagt die Risiko- und Margenexpertin Jo Burnham von der Analytik-Plattform Opengamma. „Dieses Ereignis hat die Entwicklung in Richtung zentrales Derivate-Clearing beschleunigt.“ Das habe für mehr Transparenz gesorgt.

Höhere Kapitalanforderungen

„In Verbindung mit einer stärkeren Risikomanagementkultur ist es dadurch schwieriger geworden, große gehebelte Exposures einzugehen, wie es Leeson vor 30 Jahren getan hat“, sagt Burnham. Wegen höherer Kapitalanforderungen und einer strengeren Regulierung sei es schwieriger geworden, Derivate effizient zu handeln. Für Investoren bedeute das mitunter höhere Kosten.

Barings wurde zum symbolischen Preis von einem Pfund von der ING Groep übernommen. Leeson stellte sich am Ende den Behörden des Stadtstaats. Im Dezember 1995 wurde er zu sechseinhalb Jahren Haft in Changi verurteilt. „Im Gefängnis hatte ich natürlich kein Geld“, sagte er der „Daily Mail“. „In den ersten zwei Jahren war ich 23 Stunden am Tag eingeschlossen. Danach habe ich im Gefängnis gearbeitet. Für eine Woche Geschirrspülen bekam ich 60 Cent – genug für einen Schokoriegel.“

Vom Knast zu Big Brother

Im Juli 1999 kam er vorzeitig frei. Er schrieb das Buch „Rogue Trader“ über seine Zeit bei Barings. Es wurde mit dem Schauspieler Ewan McGregor verfilmt. 2018 war er bei „Celebrity Big Brother“ mit dabei. Der Vater von drei Kindern lebt mit seiner Frau Leona im irischen Galway.

Leeson war nicht der letzte „Rogue Trader“. Jérôme Kerviel bescherte Société Générale einen auf 4,9 Mrd. Euro geschätzten Verlust. Kweku Adoboli richtete 2011 mit eigenmächtigen Handelsgeschäften im Londoner Büro der UBS einen Schaden von 2,3 Mrd. Dollar an. Der damalige CEO Oswald Grübel trat zurück.

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