Web 3.0

Aufbruch ins Metaverse

Neben den technischen Herausforderungen virtueller Welten sind die Betreiber mit einer Vielzahl regulatorischer Rahmenbedingungen konfrontiert. Diese hängen nicht zuletzt vom Business-Modell ab.

Aufbruch ins Metaverse

Von Kristina Ehle*)

Zum Frühstück bin ich mit meiner Kollegin Yuki aus unserem Büro in Tokio verabredet. Wir treffen uns im Urth Café in der Melrose Avenue in L.A.. Ich setze meine VR-Brille auf und logge mich in meinem virtuellen Apartment ein, wo ich meinem digitalen Zwilling ein sommerliches Outfit verpasse und mich ins Urth Café beame. Ein Giraffenkopf auf der Terrasse des Cafés winkt mir wild zu. Yuki klopft mir zur Begrüßung mit ihren Giraffenhufen kräftig auf die Schultern. Es dauert immer etwas, bis man einen neuen Avatar bewegungsmäßig gut unter Kontrolle hat.

Yuki hat wie ich ein Abonnement für drei verschiedene Avatare. Tieravatare sind gerade der große Trend. Unser Frühstück ist selbstverständlich nicht virtuell – wir haben es bei den lokalen Lizenznehmern des Cafés bestellt, mit Ether bezahlt und uns nach Hause liefern lassen. Danach geht es zu Vertragsverhandlungen in unserem virtuellen Berliner Konferenzraum.

Am Abend gehen meine Tochter und ich auf ein Harry-Styles-Konzert in der „O2 Academy Brixton“. Das Konzert wird live gestreamt; die Sendelizenzen werden über NFTs administriert und direkt an die Rechteinhaber abgerechnet. Wir lassen unsere Avatare mit unseren Körpersensoren zur Musik tanzen – ich nur ganz dezent, denn tanzende Eltern sind natürlich auch im Metaverse total peinlich.

Virtuelle Welten in Echtzeit

Zahlreiche Technologieunternehmen arbeiten längst an der Verwirklichung solcher Versionen eines Web 3.0, in der die Nutzer in dreidimensionalen, virtuellen Welten in Echtzeit miteinander agieren. Dafür hat sich der Begriff „Metaverse“ etabliert. Die Visionen sind vielfältig: Gearbeitet wird an digitalen Zwillingen einzelner physischer Strukturen, wie digitalen Fabriken, ebenso wie an virtuellen Welten, die riesigen Entertainment-, Shopping- und Business-Malls vergleichbar sind.

In diesen neuen „Metaverses“ stellen die Betreiber Dritten virtuellen Raum zur Nutzung zur Verfügung. Das können virtuelle Museen, Shops, Konzerthallen, Restaurants, aber auch Privathäuser oder Unternehmenszentralen sein. Yuga Lab etwa, die Erfinder der „Bored Ape Yacht Club NFTs“ launcht gerade das „Outside­ Metaverse“ und bietet virtuelle NFT-Grundstücke sogenannte „Otherdeeds NFTs“, zum Kauf gegen Bezahlung in Apecoin an.

Inspiriert vom Roman „Snow Crash“ des Autors Neal Stephenson aus dem Jahr 1991, der die Begriffe „Metaverse“ und „Avatar“ maßgeblich geprägt hat, haben einige Tech-CEOs­ eine öffentlich zugäng­liche, globale und dezentrale Plattform­ vor Augen. Deren Architektur baut auf einvernehmlichen, offenen Standards und Protokollen auf, unsere Avatare kommunizieren darin applikationsübergreifend in vernetzten virtuellen Welten miteinander.

Unterschiedliche Modelle

Neben den technischen Herausforderungen des Metaverse müssen künftig eine Vielzahl noch im Entstehen befindliche regulatorische Rahmenbedingungen­ berücksichtigt werden. Diese hängen nicht zuletzt auch vom jeweiligen Business-Modell ab: Welche virtuellen oder physischen Produkte werden vertrieben? Wer ist der Betreiber – gibt es nur einen „Herrscher des Universums“, vermarktet der Betreiber selbst oder als Marktplatz auch Produkte Dritter? Oder ist er sogar nur Betreiber einer „Plattform-as-a-Service“, auf der die unterschiedlichsten Entwickler nach einvernehmlichen Regeln die virtuelle Welt gestalten und nutzen?

Für Kryptowerte werden die teilweise in der Europäischen Union bereits bestehenden regulatorischen Anforderungen erweitert. Die im Entwurf vorliegenden EU-Verordnungen über Märkte für Kryptowerte (die MiCA-VO) sowie zur Geldwäschebekämpfung sind hier maßgeblich. Der Vorschlag für die MiCA-VO enthält eine weite Definition von „Kryptowerten“ als digitale Darstellung von Rechten oder Werten, die mittels Blockchain-Technologie elektronisch übertragen werden können. Er erfasst auch Kryptowährungen, wie Bitcoin und Ether, sowie NFTs. Allerdings gelten nach derzeitigem Stand viele der Anforderungen nur für die fungiblen Kryptowerte und nicht für NFTs.

NFTs können jedoch in bestimmten Nutzungsszenarien auch als Utility Token unter der MiCA-VO reguliert sein oder anderen Finanzmarktregeln unterfallen, z. B. soweit sie zu Anlagezwecken vertrieben werden. Bei NFTs ist zudem konkret zu regeln, was der Käufer mit dem NFT eigentlich erwirbt. Der auf der Blockchain gespeicherte NFT verlinkt nur auf den anderweitig abgespeicherten (digitalen) Wert. Nutzungsrechte an geistigem Eigentum, z. B. digitalen Kunstwerken, sowie eine nutzungsabhängige oder bei Weiterverkauf zu zahlende Lizenzvergütung müssen im Smart Contract des NFT und in den Verkaufsbedingungen vereinbart werden, um rechtliche Risiken zu minimieren und geistiges Eigentum zu schützen.

Auf allen Ebenen

Einigkeit besteht auch, dass KI-Anwendungen auf allen Ebenen des Metaverse – vom Management der technischen Infrastruktur bis zur Gestaltung der User Experience – eine wichtige Rolle spielen werden. KI kann auf verschiedenen Ebenen dazu beitragen, das Metaverse zu einem inklusiven und sicheren Raum zu machen.

Je nach Einsatzbereich der KI-Anwendungen sind diese, gemäß dem Entwurf der EU Verordnung für künstliche Intelligenz, in verschiedenen Risikoklassen eingeteilt und reguliert. Soweit ein KI-System mit Menschen agiert, z. B. ein Roboter-Avatar, der mit den menschlichen Avataren auf der Basis von Emotionserkennungssystemen kommuniziert, muss dies zukünftig den Nutzern offengelegt werden.

Auch das Metaverse wird einen Schwerpunkt auf Verbraucheranwendungen haben, für welche die verbraucherrechtlichen Informationsanforderungen des EU-Rechts umzusetzen sind. Allerdings möchte niemand auf seiner VR-Brille mit dem Joystick lange Texte durchscrollen und Kästchen anklicken. Im Web 3.0 sind kreativere und nutzerfreundliche Gestaltungen machbar:

Mit seinem Avatar kann der Nutzer Produktinformationen auf Verpackungen oder Aushängen in virtuellen Räumen lesen, digitale Dokumente unterschreiben oder verbal zustimmen. Hierbei können auch elektronische Signaturen genutzt werden; in verschlüsselten E-Wallets können Tickets, Verträge und andere digitale Dokumente so hinterlegt werden, dass sie die Anforderung der Bereitstellung von Verbraucherinformationen auf einem „dauerhaften Medium“ erfüllen und E-Mails überflüssig machen.

Da es verschiedene Metaverse-Welten diverser Anbieter geben wird, sind auch Anforderungen an deren Interoperabilität mitzudenken: Als Nutzer möchte ich nicht nur meine Avatare und E-Wallets in andere Welten mitnehmen können, sondern auch meine digitalen Vermögensgegenstände, wie etwa meine Kunst-NFTs. Verantwortlichkeiten des Betreibers, etwa zum Umgang mit Rechtsverstößen von Nutzern, wie die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder Begehung von Straftaten, müssen festgelegt werden, denn in den öffentlich zugänglichen Räumen des Metaverse werden Menschen mittels ihrer Avatare in Echtzeit miteinander interagieren. Fragen des Datenschutzes und der Cybersicherheit werden hoch relevant sein, z. B. bei der Verifizierung der Identität von Nutzern und ihren Avataren und der Gestaltung von Schnittstellen.

„Compliance by Design“

Die Echtzeitkommunikation im Metaverse setzt zudem eine physische Infrastruktur mit hohen Rechenleistungen voraus, die einen entsprechenden Energieverbrauch hat. Kann diese so gestaltet werden, dass sie die umweltrechtlichen Vorgaben zur Senkung der CO2-Emissionen erfüllt? Insofern kann sich auch die EU-Taxonomie für Nachhaltigkeit auf die Finanzierung von Web-3.0-Projekten auswirken. Wie stets bei der Transformation neuer Ideen und Technologien zu realen Geschäftsmodellen werden sich auch beim Metaverse neue Risiken, die der Markt allein nicht regeln kann, erst im Laufe der Entwicklung zeigen. Viele Themen können aber heute schon antizipiert und auf Basis einer „Compliance by Design“ bei der Konzeptionierung des Metaverse berücksichtigt werden.

*) Kristina Ehle ist Partnerin der Kanzlei Morrison Foerster in Berlin.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.