„Ausweitung der Platzierungsfenster für IPOs dringend erforderlich“
Herr von Oppen, ist es richtig, dass in Deutschland der Zeitraum für mögliche prospektpflichtige Aktienemissionen – sogenannte Platzierungsfenster – insbesondere bei IPOs sehr eingeschränkt ist?
Börsengänge können nur stattfinden, wenn das Marktumfeld stimmt und die regulatorischen Anforderungen erfüllt sind. Die regulatorischen Anforderungen werden insbesondere durch die Notwendigkeit eines von der zuständigen Aufsichtsbehörde – in Deutschland die BaFin – zu billigenden Wertpapierprospekts bestimmt, denn ohne Prospekt ist keine breite Investorenansprache möglich. Der Zeitpunkt der Prospektbilligung markiert den formalen Beginn eines Platzierungsfensters. Das Ende wird von den internationalen Kapitalmarktstandards gesetzt, wonach die Transaktion innerhalb einer Frist umgesetzt werden muss, in der die aktuellsten Finanzinformationen im Prospekt nicht älter als 135 Tage sind. Demzufolge ist für die Dauer des Platzierungsfensters entscheidend, in welchem Zeitraum die BaFin nach Beibringung der aktuellsten Finanzinformationen den Prospekt billigt. Je kürzer das Platzierungsfenster, desto höher das Transaktionsrisiko, da nach Ende des formalen Platzierungsfensters das Prospektverfahren wieder neu eingeleitet werden muss, was zeit- und kostenintensiv ist.
Wie läuft der Billigungsprozess für Wertpapierprospekte?
Der Billigungsprozess bei der BaFin verläuft sehr berechenbar und nach bestehender Verwaltungspraxis bei Börsengängen in vier formalen Schritten nach der Formel: 20/10/10/4. Der Wertpapierprospekt wird typischerweise viermal in Entwurfsform bei der BaFin eingereicht und nach 20, 10, 10 beziehungsweise 4 Werktagen mit Anmerkungen versehen zurückgesandt, bevor er in einem fünften Schritt in finaler Form eingereicht und dann typischerweise taggleich von der BaFin gebilligt wird. Unter Berücksichtigung der üblichen Dauer für die Umsetzung der BaFin-Prospektanmerkungen von jeweils einigen wenigen Tagen dauert der komplette Billigungsprozess bei Börsengängen circa zwölf Wochen.
Und dann?
Die BaFin-Verwaltungspraxis sieht vor, dass die aktuellsten Finanzinformationen bereits in der Zweiteinreichung in stabiler Form vorliegen müssen. Unter Berücksichtigung der notwendigen Zeit für die Erstellung und prüferische Durchsicht der Finanzinformationen und der nach der Zweiteinreichung verbleibenden Billigungsdauer führt dies in der Praxis dazu, dass bei deutschen Börsengängen die aktuellsten Finanzinformationen im Wertpapierprospekt regelmäßig deutlich älter als 90 Kalendertage sind. Das ist im europäischen Vergleich nicht gut.
Andere EU-Jurisdiktionen bieten also mehr Flexibilität?
Unsere vergleichende Rechtsanalyse zeigt, dass andere Aufsichtsbehörden in Europa (Luxemburg, Benelux, Frankreich, England) flexibler sind, was die verbleibende Zeit nach Beibringung der letzten Finanzinformationen angeht. Entweder der Billigungszeitraum nach der Zweiteinreichung ist kürzer oder die aktuellen stabilen Finanzinformationen können auch später eingereicht werden.
Welche Vorteile hat die Ausweitung der Platzierungsfenster?
Aus unserer Sicht sollte es das Ziel sein, den Billigungsprozess nach der Zweiteinreichung um mindestens zwei Wochen zu verkürzen. Vorteile einer solchen Flexibilisierung sind erheblich für die Vermarktung und Transaktionssicherheit, denn der Börsengang könnte so auf der Grundlage aktuellerer – und damit verlässlicherer – Finanzinformationen vermarktet werden und die Gefahr eines kurzfristigen Scheiterns des Börsengangs würde reduziert.
Wie könnte das Platzierungsfenster ausgeweitet werden?
Für eine Flexibilisierung des Billigungsverfahrens ist keine Gesetzesänderung notwendig. Die BaFin kann ihre Verwaltungspraxis jederzeit anpassen, solange ihr dafür die nötigen Ressourcen gewährt werden. Eine Flexibilisierung der BaFin-Verwaltungspraxis hinsichtlich der Länge der Platzierungsfenster würde sich auch nahtlos in aktuelle Bemühungen auf deutscher und europäischer Ebene einfügen, den deutschen beziehungsweise europäischen Kapitalmarkt moderner und flexibler zu gestalten.
Matthias von Oppen ist Partner der Kanzlei Ashurst.
Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.