Erleichterte Unternehmensfinanzierung
Zukunftsfinanzierungsgesetz
erleichtert Kapitalerhöhungen
Bezugsrechtsemissionen künftig in größerem Umfang prospektfrei möglich
Von Michael Schlitt und Susanne Ries *)
Kapitalerhöhungen sind ein bedeutender Baustein bei der Unternehmensfinanzierung börsennotierter Unternehmen. Die Aufnahme von „Equity“ durch die Emission neuer Aktien ist für die Herstellung gesunder Bilanzrelationen, die Finanzierung von Akquisitionen sowie die Rückführung von Fremdkapitalinstrumenten von substantieller Bedeutung. Dabei ist die deutsche Eigenkapital-Transaktionspraxis bislang von einem Dualismus von 10-Prozent-Kapitalerhöhungen aus genehmigten Kapital und Bezugsrechtsemissionen geprägt.
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde nunmehr die Unternehmensfinanzierung durch Eigenkapital insbesondere für Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU erleichtert. Zudem können künftig Sachkapitalerhöhungen einfacher umgesetzt werden, indem der marktorientierten Unternehmensbewertung mehr Gewicht beigemessen wird. Flankierend, aber unabhängig davon, wird auf europäischer Ebene der Entwurf des EU Listing Act im Trilog-Verfahren finalisiert. Ziel des EU Listing Acts ist es u.a., das Prospektrecht weiter zu vereinfachen, indem neue Prospektausnahmen und -formate geschaffen werden und in inhaltlicher Hinsicht der Umfang der offenzulegenden Informationen zum Teil stark reduziert wird.
Prospektfreie Bezugsrechtsemissionen
Die klassische Form der Kapitalerhöhung, die Bezugsrechtsemission, wird künftig in größerem Umfang prospektfrei möglich sein: So werden Sekundäremissionen mit einem Gesamtumfang von unter 30% (bzw. nach Vorschlag der Kommission: 40%) der bereits am selben Markt zugelassenen Aktien, betrachtet über einen Zeitraum von 12 Monaten, künftig prospektfrei durchgeführt werden können. Darüber hinaus kann von einem Prospekt sowohl für Zwecke des Angebots, als auch der Zulassung, abgesehen werden, wenn Aktien gleicher Art und Gattung des Emittenten mindestens 18 Monate an einem geregelten Markt oder KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind und er ein Informationsdokument von voraussichtlich 10 DIN-A4-Seiten mit Risikofaktoren (summary document) veröffentlicht, solange die Kapitalerhöhung nicht im Zusammenhang mit einer Insolvenz, Sanierung oder Übernahme oder aufgrund eines Tauschangebotes, einer Umwandlung oder Spaltung durchgeführt wird.
Ob ein solches kurzes Summary Document auch bei Bezugsrechtsemissionen mit internationaler Privatplatzierung unter Due Diligence Defense-Gesichtspunkten praktikabel sein wird, bleibt freilich abzuwarten. Sollte mit der Bezugsrechtsemission ein Uplisting vom Scale-Segment in den geregelten Markt verbunden sein, wird künftig zwar ein Prospekt erforderlich sein, jedoch mit deutlichen Erleichterungen gegenüber einem klassischen IPO. Vorgesehen ist ein sog. EU-Folgeprospekt mit einem Umfang von maximal 50 Seiten, wobei sich auch hier die Frage nach dem Haftungsrisiko und der Praktikabilität stellt.
Erleichterter Bezugsrechtsausschluss
Das maximale Volumen für Kapitalerhöhungen mit erleichtertem Bezugsrechtsausschluss wurde im Rahmen des ZuFinG von 10% auf 20% des Grundkapitals erhöht. Auch insoweit ist eine prospektfreue Platzierung möglich. Gleiches gilt für die Platzierung von Wandelschuldverschreibungen. Man wird sehen, ob deutsche Gesellschaften diesen neu gewonnen Rahmen künftig auch tatsächlich nutzen können. Stimmrechtsberater akzeptieren nämlich bislang ein genehmigtes Kapital mit Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss oft nur bis 10%.
Beim maximalen Abschlag, zu dem die neuen Aktien platziert werden können, hat sich nichts geändert. Er beträgt weiterhin 5%. Bei Unternehmen mit wenig liquiden Aktien wird zu beobachten sein, ob eine Platzierung im erhöhten Umfang von 20% des Grundkapitals auch zu diesem Discount gelingen wird. Denkbar ist, dass es mehr kombinierte Platzierungen von Aktien und Wandelschuldverschreibungen geben wird, um neben Equity- auch Equity-Linked-Investoren ansprechen zu können.
Börsenkursorientierte Bewertung bei Sachkapitalerhöhungen
Sachkapitalerhöhungen, insbesondere zur Umsetzung von Unternehmenszusammenschlüssen, haben in der Vergangenheit in der deutschen Transaktionspraxis ein Schattendasein geführt. Die Ursache lag vor allem in den Bewertungsschwierigkeiten, bei denen nicht nur die Einlage, sondern auch die von der Gesellschaft auszugebenden Aktien zu bewerten waren. Sofern die Sachkapitalerhöhung von der Hauptversammlung beschlossen wurde, bestand ein hohes Anfechtungsrisiko. Dabei war lange umstritten, inwiefern der Börsenkurs bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses maßgeblich ist oder nur einer Untergrenze der Bewertung darstellt. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde der Akzent deutlich zu einer börsenkursorientierten Bewertung verschoben. Danach bemisst sich der Wert der „gewährten Aktien“ bei im regulierten Markt notierten Unternehmen nach deren Aktienkurs. Neu ist auch, dass eine Anfechtung nicht mehr darauf gestützt werden kann, dass der Wert einer Einlage unangemessen niedrig ist. Für eine solche Bewertungsrüge steht den außenstehenden Gesellschaftern nur ein Ausgleichsanspruch zu, der im Spruchverfahren überprüft werden kann.
Wird eine nicht börsennotierte Unternehmensbeteiligung eingebracht, ist weiterhin eine (zumindest) ergänzende Betrachtung des intrinsischen Werts der kapitalerhöhenden Gesellschaft (insbesondere nach Ertragswert- oder DCF-Methode) möglich. Zudem bleibt es weiterhin zulässig, bei Bildung der Wertrelation Aufschläge auf den Wert der Sacheinlage anzusetzen (also beispielsweise bei einem Umtauschangebot ein marktübliches Premium anzubieten).
*) Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner bei Hogan Lovells und Honorarprofessor an der Universität zu Köln, Dr. Susanne Ries ist Of Counsel bei Hogan Lovells.