GastbeitragNachhaltigkeit

ESG-Transformation von Unternehmen ist eine Managementaufgabe

Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie organisatorisch mit dem Thema Climate Change & ESG umgehen sollen. Die klare Positionierung des Managements hinsichtlich der Bedeutung von ESG-Vorgaben ist entscheidend für eine erfolgreiche Transformation.

ESG-Transformation von Unternehmen ist eine Managementaufgabe

Die ESG-Transformation ist eine Managementaufgabe

International und national nimmt der Gesetzgeber Unternehmen für Nachhaltigkeit in die Verantwortung

Von Sophia Habbe und Daniel Zapf *)

Seit Mitte der 2000er Jahre gewinnt Compliance zunehmend an Bedeutung bei der Leitung deutscher Unternehmen. Bestand Compliance zunächst als Präventionsaufgabe in der Verhinderung von Korruption, vor allem bei Auslandsgeschäften, und richteten Unternehmen dafür oftmals neue „Compliance-Abteilungen“ innerhalb oder neben der Rechtsabteilung ein, nahmen der Umfang von Compliance und die dafür notwendigen Ressourcen stetig zu.

Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht lässt sich die Umsetzung von Compliance in der Organisation delegieren, die Letztverantwortung verbleibt jedoch beim Management, und das ressortübergreifend. In der Folge kam es zu vielfältigen Haftungs- und Schadenersatzklagen gegen (ehem.) Mitglieder von Geschäftsleitungen für die Beteiligung an Straf- und Ordnungswidrigkeiten oder auch dem Vorwurf, notwendige und effektive Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung solchen Fehlverhaltens durch ihre Mitarbeiter unterlassen zu haben.

Zeitintensiv und herausfordernd

Heute stehen Unternehmen – und in letzter Konsequenz deren Management – vor der Frage wie sie, vor allem organisatorisch, mit dem Thema Climate Change & ESG umgehen sollen. Nach erstem Herantasten in den letzten Jahren, zeigt sich immer mehr, dass auch dieser Bereich als Kernaufgabe der Compliance, und damit als Leitungsaufgabe, zu verstehen ist und der maßgeblichen Prägung und Fürsorge durch das Management bedarf.

Diese Befassung gestaltet sich umso zeitintensiver und herausfordernder, als der Bereich unentwegt von neuen rechtlichen Entwicklungen geprägt ist. So zeigen die Corporate Sustainability Directive (CSRD), Sustainable Finance-Vorgaben, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sowie die EU Entwaldungsverordnung (EUDR) nur beispielhaft, welche EU-weiten Regelungen Unternehmen vor allem im Hinblick auf Berichtspflichten zu erfüllen haben. Daneben gibt es auf nationaler Ebene weitere (Sonder-)Regelungen, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die die Unternehmen vor immense Herausforderungen stellen.

Vor diesem Hintergrund sehen sich Unternehmen und ihr Management wachsenden Anforderungen ausgesetzt, eigene Nachhaltigkeitsziele zu definieren und diese – unter Einhaltung der umfangreichen gesetzlichen Anforderungen – umzusetzen. Sich dafür zu wappnen, wird in den nächsten Jahren für Unternehmen eine der wesentlichen Compliance-Aufgaben sein.

Im Blick der Öffentlichkeit

Die öffentliche Wahrnehmung von Unternehmen sowie Konsum-, Finanzierungs- und Investorenentscheidungen hängen zunehmend von der jeweiligen Sustainability eines Unternehmens ab. Unternehmen müssen damit rechnen, für ihre umweltbezogenen Aussagen in die Verantwortung genommen zu werden, wie die steigende Anzahl von ESG-bezogenen Klagen heute schon zeigt. Bloße Bekenntnisse zu einem bestimmten Werteverständnis reichen den Stakeholdern nicht aus. Vielmehr wird erwartet, dass dieses Werteverständnis von den Unternehmen auch umgesetzt wird.

Werben Unternehmen mit Sustainability, gilt täuschende oder irreführende Werbung nicht erst seit den durch den European Green Deal eingeführten Neuregelungen als verboten. Ziel der neuen Green Claims Directive ist es, darüber hinaus Standards für entsprechende Umweltaussagen sowie einen Rahmen für die Sanktionierung von Fehlverhalten zu schaffen. Bestimmte Nachhaltigkeitsaussagen sind seit Inkrafttreten der Empowering Consumers-Richtlinie (EmpCO) im März dieses Jahres verboten.

Daneben spielt ESG für Anleger und Investoren eine immer entscheidendere Rolle. In ihren Strategieerklärungen haben die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die European Securities and Markets Authority sich dafür ausgesprochen, durch Regulierungs- und Aufsichtsmaßnahmen auf ein nachhaltiges Finanzwesen hinzuwirken. Vor allem die Anforderungen an die Berichterstattung zur eigenen ESG-Risikobewertung und dem entsprechenden Risikomanagement steigen.

Die Berichterstattung ist dabei kein Selbstzweck; aufgrund ihrer Außenwirkung hat sie enorme Bedeutung und wird von den Stakeholdern wahrgenommen und eingefordert.

Ausrichtung an ESG-Zielen

Im Sinne der Organisationsverantwortung beginnt die Ausrichtung des Unternehmens an den ESG-Zielen beim Management und ist dessen originäre Aufgabe. Als Teil der Pflicht zum rechtmäßigen Handeln hat das Management die Einhaltung der gesetzlichen Regulierungen im ESG-Bereich sicherzustellen. Hierzu muss eine mit der Unternehmensstrategie im Einklang stehende ESG-Strategie unter Berücksichtigung der ESG-Ziele, Chancen und Risiken entwickelt werden.

Die Einhaltung der gesteckten Ziele ist durch ein Kontrollsystem abzusichern. Dabei kann teilweise auf bestehende Strukturen zurückgegriffen und auf diesen aufgebaut werden (z.B. im Rahmen der Geschäftspartnerprüfung). Überwiegend müssen aber organisatorische Vorkehrungen getroffen und Know-how aufgebaut werden.

Zugleich sind die Bereiche Compliance und Internal Audit, die mit der Überwachung des operativen Geschäfts betraut sind, entsprechend einzubinden. Der Bereich Compliance und verwandte Bereiche, die „2nd Line of Defense“, müssen immer weitergehende und komplexere Themengebiete abdecken. Eine häufig beobachtete Herausforderung ist dabei die notwendige Vernetzung der neuen (vielseitigen) ESG-Bereiche innerhalb des Unternehmens.

Hohe Risiken

Gelingt die notwendige Transformation nicht oder kommt es auf dem Weg dorthin zu Versäumnissen, drohen erhebliche immaterielle sowie materielle Schäden für das Unternehmen. Diese können in fehlenden Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des operativen Geschäfts durch entgangene Finanzierungs- oder Investitionsmöglichkeiten, der Nichtaufnahme von Geschäftsbeziehungen wegen etwaiger Reputationsschäden oder deren Abbruch liegen.

Daneben kommen Verbraucherklagen und andere zivilrechtliche Haftungstatbestände wegen Nichterfüllung der ESG-Pflichten in Betracht. Verbraucherverbände können bei Verletzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf der Grundlage des Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) gegen Unternehmen vorgehen.

Allein die Deutsche Umwelthilfe geht seit Mai 2022 in 92 Fällen gegen vermeintlich irreführende Werbeaussagen mit Nachhaltigkeitsbezug (Werbung mit klimaneutralen Produkten oder Dienstleistungen) vor. Darüber hinaus kommen verstärkt Gewährleistungsansprüche in Betracht, etwa bei Verwendung eines Klima- oder Nachhaltigkeitssiegels, für dessen Erlangung die Voraussetzung angeblich nicht vorliegen.

Auch Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Täuschungen im Fall des Greenwashing nehmen zu. Neben potenziellen zivilrechtlichen Ansprüchen gegen Unternehmen drohen erhebliche Schäden durch Bußgelder.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sieht etwa bei Unternehmen mit mehr als 400 Mill. Euro durchschnittlichem Jahresumsatz ein Bußgeld in Höhe von bis zu 2% des weltweiten (Konzern-)Jahresumsatzes vor.

Das Management kann in diesen Fällen wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten eine Haftung treffen. Kommt das Management seinen Organisations- und Überwachungspflichten nicht oder nur unzureichend nach und entsteht der Gesellschaft durch diese Pflichtverletzungen ein Schaden, kann das Management für diesen haften.

Insbesondere mit Blick auf die fluide regulatorische Situation ist die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit eine Herausforderung, die nur mit dem notwendigen Bewusstsein des Managements und auf allen Ebenen eines Unternehmens sowie der notwendigen Ausstattung an Personal und Know-how gelingen kann. Bei der Umsetzung dieser Führungsaufgabe ist ein entsprechender „tone from the top“ entscheidend.

Kulturwandel von innen heraus

Das bedeutet eine klare Positionierung des Managements hinsichtlich der Bedeutung von ESG-Vorgaben. Der „tone from the top“ schafft eine Kultur, die den Wandel von innen heraus herbeiführt. Dabei ist die Transformation mit Blick auf die zunehmend schärferen rechtlichen Rahmenbedingungen kein „nice to have“ mehr, sondern ein existenzieller Grundpfeiler der Compliance und Führungsaufgabe des Managements.

*) Dr. Sophia Habbe und Dr. Daniel Zapf sind Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei White & Case in Frankfurt.

Dr. Sophia Habbe und Dr. Daniel Zapf sind Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei White & Case in Frankfurt