MiCAR

EU-Krypto-Verordnung auf der Zielgeraden

Mit der Einführung eines vollharmonisierten Aufsichtsregimes für Kryptowerte möchte die EU den Verbraucherschutz stärken und die Attraktivität des europäischen Markts steigern.

EU-Krypto-Verordnung auf der Zielgeraden

Von David Jansen *)

Die europäische Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) befindet sich auf der Zielgeraden. Nach Abschluss der seit April andauernden informellen Trilog-Verhandlungen liegt ein Kompromissvorschlag vor, der schon bald Gesetz sein könnte. Neben Regeln für die Ausgabe und das Angebot von Kryptowerten wie Stablecoins und die Erbringung diesbezüglicher Dienstleistungen enthält das Regelwerk Vorschriften zur Verhütung des Marktmissbrauchs. Mit der Einführung eines vollharmonisierten Aufsichtsregimes für Kryptowerte möchte die EU einerseits den Verbraucherschutz stärken und andererseits die Attraktivität des europäischen Markts für die willkommenen Innovationen der Distributed-Ledger-Technologie steigern.

Unregulierte Bereiche bleiben

Mit einem umfassenden Regelwerk für Kryptowerte nimmt die EU im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle ein. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Gesetzgeber mit den tatsächlichen Entwicklungen nicht Schritt hält. Seit der Veröffentlichung des ersten MiCAR-Entwurfs im September 2020 hat sich am Markt für Kryptowerte einiges getan.

Die Volatilität des Bitcoin hat manchem Anleger seither eine Achterbahnfahrt beschert, der Zusammenbruch des TerraUSD führte zu einem Verlust von geschätzten 45 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung und die US-Kryptobörse Celsius musste Insolvenz anmelden. Indes verlagert der nun vorgelegte Entwurf für die Praxis wichtige Fragen auf das sog. Level 2 und 3 und damit weit in die Zukunft. In dem sich dynamisch entwickelnden Feld ist zu hoffen, dass künftige Anpassungen und Konkretisierungen zügiger implementiert werden, damit sich die Regeln nicht zum Hemmschuh entwickeln.

NFT (Non-Fungible Token), mit denen digitale Kunstwerke und andere Vermögenswerte auf der Blockchain übertragen werden können, sollen nach intensiver Diskussion nicht in den Anwendungsbereich der MiCAR fallen und bleiben damit weitgehend unreguliert. Für die praktisch wichtige Frage, wann Kryptowerte ggf. nicht unter die MiCAR, sondern als Finanzinstrumente in den Anwendungsbereich der Finanzmarktrichtlinie Mifid fallen, soll die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) binnen 18 Monaten nach Inkrafttreten der MiCAR Richtlinien entwickeln.

Während der Gesetzgeber im Bereich der Ausgabe von Krypto-Token vor allem bestehende Marktusancen wie die Erstellung sog. White Paper aufgreift, bedient er sich bei der Regulierung von Kryptodienstleistern und Marktmissbrauchsvorschriften vor allem bei bereits bestehenden Regelwerken wie der Mifid oder der Marktmissbrauchsverordnung (MAR).

Hierdurch könnte sich ein Effekt verstärken, der der Finanzmarktregulierung allgemein zugeschrieben wird: die Begünstigung größerer Marktteilnehmer und die Förderung der Marktkonsolidierung. Etablierten Banken und Finanzdienstleistern wird die Umsetzung der neuen Vorgaben auch deshalb leichter fallen, weil diese Parallelen zu bereits bestehenden Finanzmarktregeln aufweisen.

Insiderregeln

Auch das Erlaubnisverfahren begünstigt bereits regulierte Banken, Wertpapierinstitute, Fondsverwalter und Marktbetreiber, die lediglich ergänzende Anzeigen machen müssen, bevor sie ihre Dienstleistungen auf Kryptowerte erstrecken.

Die Ausgabe der wirtschaftlich bedeutenden Stablecoins, die offizielle Währungen referenzieren (in den Worten der MiCAR: E-Money-Token), ist künftig beaufsichtigten Kreditinstituten und E-Geld-Instituten vorbehalten. Für bereits bestehende Kryptowährungen enthält die MiCAR verschiedene Übergangs- und Bestandsschutzvorschriften, sodass die vollständige Verordnung nur für neue Projekte und E-Money-Token gelten wird.

Die Marktmissbrauchsvorschriften führen unter anderem ein Verbot von Insidergeschäften und die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ein. Diese Regeln sind sinnvoll, weil Informationsasymmetrien zwischen Anlegern und Anbietern von Kryptowerten keine Seltenheit sind. Aus den USA sind schon zwei Verfahren bekannt, in denen ehemaligen Mitarbeitern von großen Handelsplattformen strafrechtliche Vorwürfe gemacht werden.

Eigenständige Anlageklasse

In diesem Bereich liegen die Vorstellungen des Regelsetzers und die der Normadressaten eventuell noch auseinander. Wer sich etwa in sozialen Medien über den Einstieg in Krypto-Investments informiert, erfährt, dass Phänomene wie Frontrunning, also die Platzierung einer eigenen Order unmittelbar vor einer kursbeeinflussenden Kundenorder, zwar eine in der Community unerwünschte, aber letztlich nicht ganz auszuschließende Praxis darstellten. Um mehr Sensibilität über die mit der MiCAR eingeführten Verbote zu schaffen, sollten Aufsichtsbehörden daher auch Aufklärungskampagnen erwägen, damit nicht zwei Welten aufeinander prallen, wenn die MiCAR in Kraft tritt.

Mit der MiCAR billigt der Gesetzgeber Kryptowerte als eigenständige Anlageklasse und schafft einen dementsprechenden Anlegerschutz. Ob die neuen Regeln dem europäischen Kryptomarkt den erhofften Impuls geben können, bleibt abzuwarten.

*) David Jansen ist Rechtsanwalt bei Willkie Farr & Gallagher.