Außenhandel

Gratwanderung für deutsche Unternehmen in China

Untersagungen von chinesischen Investments spiegeln den chinakritischen Kurs der Bundesregierung. Unternehmen sind in der Pflicht, laufend zu prüfen, ob ihre China-Strategie nachhaltig ist.

Gratwanderung für deutsche Unternehmen in China

Von Heiner Braun *)

Der Besuch des Bundeskanzlers in Peking hat den deutschen Streit um ein Decoupling von China nicht befriedet. Im Gegenteil: nach der Teiluntersagung (und Genehmigung in Höhe von 24,9%) der Cosco-Beteiligung am Hamburger Hafenterminal Tollerort, gleichsam als Gastgeschenk für die Kanzler-Reise, hat jetzt die chinakritische Fraktion innerhalb der Bundesregierung die Untersagung von zwei geplanten chinesischen Erwerben in der Halbleiter- und Halbleiteranlagenindustrie durchsetzen können, namentlich Elmos und ERS Electronic.

Inwieweit diese Genehmigung bzw. die beiden Untersagungen im Einzelnen gerechtfertigt waren, lässt sich ohne genaue Kenntnisse der Hintergründe nur schwer beurteilen. Im Falle des Hafenterminals Tollerort gilt es zu bedenken, dass nicht nur Cosco an einer Reihe europäischer Hafenbetreiber beteiligt ist, sondern sich auch andere Reedereien (einschließlich der großen deutschen und europäischen Adressen) regelmäßig in Hafenbetreiber einkaufen und diese Häfen dann privilegiert anlaufen. Zudem ist unklar, ob das Terminal Tollerort eigentlich kritische Infrastruktur (Kritis) im Sinne des Außenwirtschaftsrechts betreibt.

Der Hamburger Senat scheint dies zu verneinen, wobei nicht ganz eindeutig ist, ob er sich damit nur auf Infrastruktur im natürlichen Wort­sinne, also Eigentum an Hafenflächen und -anlagen bezieht, oder um kritische­ Infrastruktur im Sinne der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Sollte es sich nicht um kritische Infrastruktur handeln, wäre die Teiluntersagung, und damit Genehmigung bis 24,9%, eigentlich unspektakulär, da Investitionen in Nicht-Kritis betreibende Unternehmen unterhalb der Schwelle von 25% nach der AWV ohnehin nicht genehmigungspflichtig sind – jedenfalls dann nicht, wenn damit keine weiteren Governance-Rechte (wie Sitze im Aufsichtsrat etc.) einhergehen (auch dies ist im Falle Cosco derzeit unklar).

Investitionen in die Halbleiterindustrie stehen im Zentrum des globalen Handelskriegs zwischen China und dem Westen, insofern sind diese Untersagungen keinesfalls überraschend. Sie dienen allerdings weniger dem Schutz vor Abhängigkeiten, sondern verhindern vielmehr, dass China selbst seine Abhängigkeiten in diesem kritischen Sektor von westlichen Zulieferern reduzieren kann.

Es geht der Bundesregierung also um beides: Reduzierung eigener Abhängigkeiten und Verhinderung einer umfassenden chinesischen Autarkie in Schlüsselbereichen. Das ist nicht illegitim, aber zumindest bemerkenswert. Sofern sich überhaupt ein Konsensus im Ringen um die richtige China-Strategie herauszubilden beginnt, lautet dieser wohl: Abhängigkeiten reduzieren, ohne Marktchancen zu zerstören und Brücken unnötig abzubrechen.

Worin aber bestehen unsere Abhängigkeiten von China? Klar ist: Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China ist strukturell völlig anders gelagert als im Falle Russlands. Es geht in erster Linie um den Zugang zum riesigen chinesischen Konsumentenmarkt, den sich kaum eine Volkswirtschaft so erfolgreich erschlossen hat wie die deutsche Industrie, insbesondere im Automobilsektor, Maschinenbau sowie der Chemie- und Pharmaindustrie. Erst in zweiter Linie ist die deutsche Industrie abhängig von chinesischen Spezialrohstoffen wie seltenen Erden sowie Metallen, die insbesondere in der Wende hin zur E-Mobilität eine große Rolle spielen.

Im Bereich der EV-Batterien, aber auch in anderen Sektoren wie E-Banking, hat sich China in den letzten Jahren zudem eine Technologieführerschaft erarbeitet, die es bei Investitionen in Europa einbringen, aber auch ausspielen kann. Chinesische Batterie- und auch E-Auto-Hersteller drängen zunehmend auf unsere Märkte, und die große Frage ist: Ergeben sich hieraus mehr Chancen oder mehr Risiken, und wie bringen wir diese in ein verantwortbares Gleichgewicht? Aber auch: Können wir es uns leisten, den chinesischen Markt gerade jetzt aufzugeben, wo der russische Angriffskrieg Deutschland in eine Rezession zu stürzen droht; wollen und können wir die damit verbundenen Wohlstandsverluste wegstecken? Ein Abschreiben des chinesischen Marktes wäre um ein Vielfaches teurer als die aktuelle Energiekrise. Dies muss verantwortliche Politik im Auge behalten.

Zugleich ist richtig, dass sich Deutschland nicht von einem Land abhängig machen darf, das unsere fundamentalen Werte nicht teilt, sich in den letzten Jahren zunehmend abgeschottet hat und zudem immer autoritärer auftritt, etwa in Hongkong, Xinjiang oder Taiwan. Der Wandel Chinas von einer „konstitutionellen Diktatur“ mit klaren Term Limits für die obersten Führungspositionen zurück zu einem „persönliche Regime“ à la Mao ist besorgniserregend.

Wirtschaft folgt der Politik

Vor diesem Hintergrund müssen deutsche Unternehmen laufend prüfen, ob ihre China-Strategie nachhaltig ist. Dies ist insbesondere mit Blick auf eine mögliche Eskalation um Taiwan nicht einfach, denn in einem solchen Szenario könnten von einem auf den anderen Tag Sanktionen folgen, welche die Tochterunternehmen und Produktionsstätten der deutschen Unternehmen in China unmittelbar betreffen. Die daraus resultierenden Verluste wären massiv. Dieses extreme, aber leider nicht komplett unrealistische Szenario zeigt, wie schwer die Gratwanderung zwischen Nutzung von Marktchancen und Reduzierung von Abhängigkeiten geworden ist. Am Ende gilt: Die Wirtschaft folgt der Politik.

*) Dr. Heiner Braun ist Office Managing Partner von Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt.