Hybridkapitalinstrumente als maßgeschneiderte Liquiditätsmaßnahmen
Hybridkapital als maßgeschneiderte Option
Strukturelle Ausgestaltung von Investmentalternativen mit breitem Spektrum − Individuelle Einsatzmöglichkeiten für Liquiditätsmaßnahmen
Von Alexander Lentz *)
Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass es in diesem Jahr am M&A-Markt spürbar aufwärts geht: So erwarten neun von zehn Private-Equity-Gesellschaften eine höhere Anzahl an Transaktionen als im Vorjahr. Dafür sprechen nicht zuletzt ihre enormen Kapitalreserven und die makroökonomischen Rahmenbedingungen. Insbesondere die bei institutionellen Investoren aufgelaufenen Liquiditätsvolumina und aufgeschobene Exits von Portfoliounternehmen im durchwachsenen M&A-Jahr 2024 sorgen weiterhin für Investitionsdruck.
Zugleich besteht auf Seite der Unternehmen nicht nur in kapitalintensiven Industrien ein enormer Liquiditätsbedarf, beispielsweise für Refinanzierungs- oder Rekapitalisierungszwecke, Wachstumskapital oder allgemeine Unternehmenszwecke. Gründe dafür sind vor allem die Konjunkturschwäche, die Inflation, die weiterhin relativ hohen Finanzierungskosten und der anhaltende Transformationsdruck, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und ESG.
Alternativen gesucht
Doch oft sind in diesem Zusammenhang weder echtes Fremdkapital noch klassische Beteiligungen gewünscht oder möglich. Sei es, dass Unternehmen sich weiteren Leverage in der bestehenden Kapitalstruktur nicht leisten können oder, dass sich Altgesellschafter mit einer umfassenden Abgabe von Corporate-Governance-Rechten an Investoren schwer tun. Zudem soll eine strukturierte Lösung nicht selten lediglich temporär zum Einsatz kommen, so etwa zur Überbrückung zu erwartender Liquiditätsereignisse wie etwa einem Verkauf oder einem Börsengang.
Vor diesem Hintergrund rücken immer häufiger maßgeschneiderte Investmentalternativen und Kapitallösungen in den Fokus, wobei die strukturelle Ausgestaltung ein weitreichendes Spektrum aufweisen kann und in den Details selten direkt vergleichbar ist. Mögliche Hybridlösungen reichen dabei von strukturierten oder „preferred“ Minderheitsbeteiligungen, über Hybridfinanzierungen und wandelbare Anleihen bis hin zu Optionsscheinen. Auch bieten Pre-IPO Convertibles für mittelständische Familienunternehmen und große Start-ups beziehungsweise Scale-Ups eine attraktive Möglichkeit, um potenzielle Ankeraktionäre langfristig vor einer möglichen Börsennotierung an Bord zu bringen und für die weitere Wachstumsphase Liquidität als vorgelagertes Eigenkapital einzusammeln.
Hybridlösungen stoßen aufgrund ihrer strukturellen Vielfalt und ihrer individuellen Einsatzmöglichkeiten bei Unternehmen wie auch Investoren auf großes Interesse. Dies gilt für mittelständische Familienbetriebe bis zu multinationalen Konzernen. Die Kapitalvolumina können dabei vom zweistelligen Millionen- bis in den Milliardenbereich reichen.
Auf den Einzelfall anpassen
Die Struktur und die Vertragsdokumentation hängen stark vom jeweiligen Einzelfall und den Bedürfnissen der Vertragsparteien ab und werden an die konkrete Situation angepasst. Hybride Kapitalinstrumente haben jedoch gewöhnlich gemeinsam, dass sie Kernelemente von Fremdfinanzierungen und M&A- beziehungsweise Joint Venture-typischen Investorenrechten kombinieren.
Für Unternehmen ist es meist von entscheidender Bedeutung, dass das Instrument unter den geltenden Rechnungslegungsstandards als Eigenkapital behandelt wird. Schwieriger kann sich die Eigenkapitalqualifizierung in Bezug auf Ratingaspekte gestalten. Gerade bei börsennotierten Unternehmen ist das oftmals ein wichtiger struktureller Faktor. Aktuellere Beispiele zeigen, dass Ratingagenturen unter den angewendeten Standards und Richtlinien bisweilen Schwierigkeiten haben, das Instrument teilweise oder vollständig als Eigenkapital anzuerkennen.
Grundsätzlich stehen dabei kreditgebertypische Investorenrechte in einem immanenten Spannungsverhältnis zur Qualifikation als Eigenkapital. Dazu gehören neben rechtlich verbindlichen Zahlungsverpflichtungen wie fixe Zins- oder Dividendenzahlungen beziehungsweise vertraglich vereinbarte Fälligkeitstermine auch kredittypische Kündigungsrechte, die Bestellung von Sicherheiten oder das Einräumen von Optionen oder Put-Rechten.
Strukturierter Prozess
Die Vermittlung von Kontrollrechten des Investors in einer bestimmten Investitionsphase oder bei Verletzung von Verhaltenspflichten kann für eine Eigenkapitalqualifikation ebenfalls schädlich sein und unter Umständen zu einer potenziellen De-Konsolidierung des Unternehmens führen. Für einen Investor kann dies umgekehrt als Absicherung in einem potentiellen Krisenszenario von Bedeutung sein.
Zudem ist es für Investoren entscheidend, sich mit dem Management und den bestehenden Gesellschaftern auf einen Business Plan zu verständigen. Denn auf dieser Basis können zukünftige Cashflows aus dem Unternehmen und eine Exitstrategie zu bestimmten Return-Levels genau betrachtet und in die Gesamtkalkulation angemessen eingewertet werden.
Keine Standardstrukturen
Auch wenn einzelne Transaktionen eine besondere Marktresonanz erfahren haben, beispielsweise einige Pre-IPO Convertibles im Vorfeld erwarteter Börsengänge, gibt es weiterhin keine Standardstrukturen beziehungsweise -dokumentationen auf diesem Gebiet. Die Transaktionsdetails müssen folglich von Fall zu Fall neu bewertet und verhandelt werden. Um die Transaktionssicherheit und einen effizienten Prozess zu gewährleisten, sollten die unverzichtbaren Anforderungen aller Parteien frühzeitig klar definiert und kommuniziert werden – in der Term-Sheet-Phase oder idealerweise bereits bei der Vorstrukturierung des Instruments. Bei komplexen Transaktionen geht dem Endergebnis oft ein längerer Verhandlungs- und Austauschprozess voraus.
Vor der Investorenansprache sollten die Transaktionsstruktur und die einzelnen Prozessphasen unternehmensseitig bereits gründlich vorbereitet sein. Dazu zählen die Vorstrukturierung beziehungsweise die Zusammenstellung des Zielportfolios, die Erstellung aussagekräftiger Due-Diligence-Materialien sowie die Voranalyse wesentlicher steuerlicher, regulatorischer oder sonstiger Aspekte, die für potentielle Investoren entscheidungsrelevant sein könnten. Ergänzend dazu empfiehlt sich für einen effizienten Transaktionsprozess eine frühzeitige Einbeziehung von Abschlussprüfern, Ratingagenturen und anderen Beratern.
Modell für die Autoindustrie?
Hybridkapitalgeber erwarten in der Regel Renditen, die deutlich über dem Niveau klassischer Fremdfinanzierungen liegen. Unternehmensentscheider müssen deshalb häufig mit Return-Forderungen zwischen zehn und 15 Prozent pro Jahr rechnen, abhängig von der Strukturierung des Instruments und der Risikobewertung der zugrunde liegenden Asset-Basis.
Das wirft die Frage auf: Ist das Modell auch für Unternehmen in Krisensituationen geeignet? Diese Frage stellt sich derzeit zum Beispiel für Unternehmen aus der Automobilindustrie, die aufgrund technologischer Umbrüche und Absatzproblemen auf wichtigen Märkten in schwieriges Fahrwasser geraten sind. Für sie kann es von existenzieller Bedeutung sein, frische Liquidität zu erhalten, ohne den bestehenden Verschuldungsgrad weiter zu steigern. Idealerweise sollte dies geschehen, um anstehende Fälligkeiten, beispielsweise in Form von ausstehenden Anleihen, bereits frühzeitig zu adressieren.
Kriselnde Unternehmen haben grundsätzlich eine gute Chance auf eine strukturierte Lösung, wenn sie Vermögensgegenstände wie Patente oder Immobilienportfolios besitzen, die stabile und ausreichende Zahlungsströme generieren. Selbstverständlich muss das Instrument mit der bestehenden Kapitalstruktur kompatibel sein, einschließlich der übergeordneten Unternehmensstrategie. Sollte eine Hybridlösung grundsätzlich in Frage kommen, könnte diese Unternehmen eine attraktive Alternative oder Ergänzung zu herkömmlichen Liquiditätsbeschaffungsmaßnahmen bieten.
Immobilienbranche greift zu
In den vergangenen Monaten kamen Hybridinstrumente mit Eigenkapitalcharakter beispielsweise in der von der Zinswende gebeutelten Immobilienbranche zum Einsatz. Doch auch in anderen Branchen erfreut sich das Modell wachsender Beliebtheit, und das ist keineswegs nur in Krisensituationen der Fall.
Das zeigt: Im Hinblick auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von hybriden Kapitalmaßnahmen und das Potenzial für maßgeschneiderte Strukturlösungen sind Vorstände und Geschäftsführer gut beraten, diese Option ernsthaft zu prüfen.
*) Dr. Alexander Lentz ist Rechtsanwalt und Partner bei Latham & Watkins in Frankfurt.