Kehrtwende des Bundesarbeitsgerichts zu Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen
Mitarbeiterbeteiligungsprogramme erfreuen sich bei Unternehmen großer Beliebtheit. Ziel dieser Programme ist es, die Arbeitnehmer unmittelbar an dem wirtschaftlichen Erfolg partizipieren zu lassen und so einen Interessensgleichlauf verschiedener Stakeholder zu schaffen. Den Unternehmen stehen dabei unterschiedliche Möglichkeiten zur Incentivierung zur Verfügung, etwa Programme, die eine unmittelbare Beteiligung in Form von Gesellschaftsanteilen (Aktien) ermöglichen, oder solche, die sich als Wachstums-Boni oder virtuelle Beteiligungen (Optionen) indirekt am Erfolg des Unternehmens orientieren.
Private Equity Investoren beteiligen das Top-Management hingegen i.d.R. als Mitunternehmer und Investoren mittels Sweet Equity in Management Equity Programmen (MEP). Diese weisen gegenüber den Beteiligungen anderer Gesellschafter ein anderes Risikoprofil aus, das sich durch eine höhere Gewinnchance bei gleichzeitig erhöhtem Verlustrisiko auszeichnet.
Motivation und Mitarbeiterbindung
All diese Programme können verschiedene Anreize zum Gegenstand haben. In der Regel sollen sie aber vor allem dazu führen, dass Mitarbeiter motiviert werden, zum Unternehmenserfolg beizutragen und gleichzeitig an das Unternehmen gebunden werden, damit Einsatz und Betriebstreue belohnt werden. Hinsichtlich Arbeitnehmern steht im Vordergrund, Abwerbungen der Konkurrenz vorzubeugen und damit die Interessen von Gesellschaftern, des Unternehmens und des Arbeitnehmers zu vereinen.
Mitarbeiterbeteiligungsprogramme und auch MEPs haben alle in der Regel gemeinsam, dass diese langfristig ausgelegt sind. Das heißt, der Mitarbeiter wird zu einem bestimmten Zeitpunkt „beteiligt“ und der wirtschaftliche Wert zeigt sich erst Jahre später entsprechend der Entwicklung des Unternehmenserfolgs.
Das hat zur Folge, dass für die Laufzeit des Programms bestimmte Störfälle wie etwa die Beendigung des Anstellungsverhältnisses zu bedenken sind. Häufig sehen Programme und auch MEPs daher vor, dass die Beteiligung dann nicht mehr bestehen soll, wenn das Anstellungsverhältnis endet, vor allem dann, wenn der Mitarbeiter eine Eigenkündigung ausgesprochen hat.
Entscheidung aus dem Jahr 2008
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in diesem Zusammenhang 2008 entschieden (BAG, 28.5.2008 - 10 AZR 351/07), dass Aktienoptionsrechte grundsätzlich an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden werden können. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem einem Mitarbeiter Optionsrechte gewährt wurden, die in bestimmten zeitlichen Abständen zukünftig ausübbar („vesting“) sein sollten. Die Ausübung sollte aber davon abhängig sein, dass der Mitarbeiter zum Zeitpunkt der möglichen Ausübung in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis zum Arbeitgeber steht. Anderenfalls sollten die Optionsrechte verfallen.
Das BAG hatte damals den spekulativen Charakter von Aktienoptionen hervorgehoben. Diese würden im Gegensatz zu anderen Sonderleistungen, die an den Gewinn oder Umsatz des Unternehmens in einem Geschäftsjahr anknüpfen oder individuelle Leistungen des Arbeitnehmers innerhalb einer bestimmten, überschaubaren Periode zusätzlich honorieren, weniger Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern vielmehr Gewinnchance und Anreiz für zukünftigen Einsatz darstellen. Es sei daher keine unangemessene Benachteiligung, wenn Aktienoptionen bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses verfallen würden. Es habe sich dann „lediglich“ eine Gewinnchance nicht realisiert, was dem Mitarbeiter mit Blick in die Ausübungsbedingungen auch transparent gemacht wurde.
Kehrtwende
Diese Rechtsprechung stellt das BAG nunmehr knapp 17 Jahre später auf den Kopf. Hatte es noch 2008 geurteilt, Optionen seien allein eine Verdienstchance und gerade nicht bereits erdienter Lohn, der nicht mehr entzogen werden dürfe, ist das BAG nunmehr der Auffassung, dass ein Verfall Mitarbeiter unangemessen benachteilige, weil diese über die Zeit des Vestings Arbeitsleistung erbracht hätten (BAG, 19.3.2025 – 10 AZR 67/24). Außerdem würde dies eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung darstellen, da der Optionsberechtigte zur Vermeidung einer möglichen Vermögenseinbuße das Arbeitsverhältnis vor einem ungewissen Ausübungsereignis nicht kündigen dürfte. Auch die Klausel, nach der „gevestete" Optionen schneller verfallen, als sie erworben wurden, hielt das BAG für unwirksam.
Das Urteil wurde teilweise als „Paukenschlag“ betitelt, was ein wenig übertrieben erscheint. Es ist aber vor allem ein Einschnitt in die gelebte Praxis, die Ausübung von Optionen oder anderen Beteiligungen an ein im Zeitpunkt der Ausübung bestehendes Anstellungsverhältnis zu knüpfen. Bisher liegt lediglich die Pressemitteilung des Urteils und noch keine Urteilsgründe vor. Allerdings werden Unternehmen jetzt nicht nur ihre aktuell bestehenden Mitarbeiterbeteiligungsprogramme überprüfen müssen, sondern vor allem für zukünftige Beteiligungen die Regelungen zu Good/Bad Leaver, Vesting und Bindungsfristen anpassen müssen.
Wenig erfreulich für Start-ups
Dabei erscheint das Urteil vor allem für Start-ups insgesamt wenig erfreulich, weil es Flexibilität bei der Gestaltung einschränkt und die Bindungen von Mitarbeitern über diese Beteiligungsprogramme erschwert. Unmittelbare Auswirkungen auf echte (Equity) Anteilsprogramme, MEPs von Private Equity Investoren und Organe (wie Vorstände/Geschäftsführer) hat das Urteil nicht, weil diese grundsätzlich nicht in den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsgerichte fallen. Indirekte Auswirkungen sollten nach Sichtung der Urteilsgründe bewertet werden, wobei sich Aktienoptionsprogramme für Arbeitnehmer und MEPs in der Ausgestaltung erheblich unterscheiden.