Distressed M&A

Kunden greifen verstärkt bei insolventen Firmen zu

Schutzschirmverfahren und Insolvenz in Eigenverwaltung schaffen Sanierungsmöglichkeiten. Steht ein insolventes Unternehmen zum Kauf, ist steigendes Interesse bei Kunden und Lieferanten zu spüren.

Kunden greifen verstärkt bei insolventen Firmen zu

Sabine Wadewitz

Frau Baars-Schilling, Herr Dr. Berjasevic, welche Besonderheiten bergen Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren gegenüber einem traditionellen Insolvenzverfahren und was macht sie so attraktiv?

Berjasevic: Das Schutzschirmverfahren und die Insolvenz in Eigenverwaltung geben insolventen Unternehmen die Möglichkeit, sich über einen Insolvenzplan in einem geschützten Raum zu entschulden, neu aufzustellen und bestenfalls das eigene Geschäft wieder profitabel zu machen. Im Gegensatz zur übertragenden Sanierung findet dabei in der Regel kein Wechsel auf Ebene der Eigentümer statt. Oftmals nehmen sie sogar noch einmal Geld in die Hand, damit die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen gegen das insolvente Unternehmen verzichten.

Wie läuft es im Einzelnen?

Berjasevic: Beide Verfahren zeichnet aus, dass die Geschäftsführung des insolventen Unternehmens Herrin des Geschehens bleibt – anders als im herkömmlichen Insolvenzverfahren. In diesem gibt die Unternehmensführung die Kontrolle an den Insolvenzverwalter ab. In Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren bekommt die Ge­schäftsführung lediglich einen Sachwalter an die Seite gestellt, dessen Handlungsspielraum sich überwiegend auf Überwachungsaufgaben beschränkt.

Bedeutet dies, dass wir in Zukunft weniger traditionelle Insolvenzen und Übernahmen von Unternehmen aus der Insolvenz sehen werden?

Berjasevic: Mit Sicherheit nicht. In vielen Fällen ist der Gesellschafter eines insolventen Unternehmens eben nicht mehr bereit oder fähig, noch einmal zu investieren. Am Markt gibt es gerade viele kleine traditionelle Insolvenzen, hinter denen keine großen Namen stehen und die daher nicht öffentlichkeitswirksam sind. In aller Regel erfolgt in diesen Fällen das Insolvenzverfahren im Wege der übertragenden Sanierung: Ein neuer Investor übernimmt die Vermögensgegenstände und gegebenenfalls Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens, um das Geschäft in veränderter Form in einer neuen Gesellschaft weiterzuführen.

In dem Zusammenhang wird immer wieder von „Dual Track“ gesprochen. Was ist darunter zu verstehen?

Baars-Schilling: Die gesetzlichen Anforderungen an einen Insolvenzplan sehen quasi einen Dual Track vor. Hierunter versteht man die Restrukturierung im Rahmen eines Insolvenzplans, bei der gleichzeitig ein Veräußerungsprozess initiiert wird. Im Insolvenzplan ist darzulegen, dass ein Verkauf der einzelnen Vermögenswerte nicht zu einer höheren Befriedigungsquote für die Insolvenzgläubiger geführt hätte. Das bedeutet: Ein Verkauf der einzelnen Vermögenswerte hätte nicht mehr Geld in die Kassen gespült als die im Insolvenzplan vorgesehenen Beiträge.

Sehen Sie vermehrtes Interesse bei Kunden oder Lieferanten, eine insolvente Firma zu übernehmen, um das eigene Geschäft abzusichern?

Baars-Schilling: Ja, eine solche Entwicklung ist durchaus erkennbar und auch nachvollziehbar. Viele Unternehmen, die auf Produkte oder Leistungen eines in der Krise befindlichen Partners angewiesen sind, übernehmen solche Partner zum Schutz ihres eigenen Geschäfts. Denn die mit der Insolvenz verbundenen Risiken, wie zum Beispiel der Erwerb des Geschäfts durch einen Konkurrenten, sind groß. Im besten Fall lassen sich durch eine eigene Übernahme sogar Synergien schaffen. Solche Übernahmen – Vertikalintegrationen – müssen vorab jedoch kartellrechtlich geprüft werden.

Myriam Baars-Schilling ist Partnerin, Dr. Nefail Berjasevic Partner der Kanzlei Oppenhoff.

Die Fragen stellte .

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