Übernahmen

M&A-Vertragsverhandlungen im volatilen Umfeld

Lange haben verkäuferfreundliche Transaktionsbedingungen den M&A-Markt geprägt. Ändert sich das durch Energiekrise und Inflation? Die Branche diskutiert über eine Renaissance der Ausstiegsklausel.

M&A-Vertragsverhandlungen im volatilen Umfeld

Von Stefan Widder und Christina Mann*)

Nachdem die letzten Jahre aufgrund einer immer steigenden Nachfrage nach attraktiven Zielunternehmen insbesondere für Verkäufer sehr lohnenswert waren, ist in letzter Zeit eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Ukraine-Krieg, Inflation, Energiekrise, Lieferengpässe und weitere geopolitische Spannungen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf den Markt für Unternehmenskäufe und -übernahmen (M&A).

Manche Beobachter erwarten, dass eine Entwicklung weg vom bisherigen Verkäufermarkt und den damit verbundenen sehr verkäuferfreundlichen Transaktionsbedingungen die Folge sein wird. Insbesondere wird diskutiert, ob Käufer zunehmend auf sogenannte MAC-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen be­stehen werden. Diese gewähren dem Käufer ein Rücktrittsrecht, wenn zwischen Abschluss (Signing) und Vollzug (Closing) des Unternehmenskaufs, was nicht selten mehrere Monate dauert, eine wesentliche Verschlechterung (Material Adverse Change oder kurz MAC) eintritt.

Verändertes Marktumfeld

Nach Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 wurde ein ähnlicher Trend erwartet, der aber nicht eingetreten ist. Im Gegenteil, nach einer kurzen Schockstarre gab es vielmehr eine enorme M&A-Aktivität, die zu einem noch stärkeren Verkäufermarkt geführt hat. Eine Zu­nahme käuferfreundlicherer Regelungen wie Kaufpreisanpassung anstatt Festkaufpreis (Locked Box), bedingte Kaufpreisbestandteile (Earn-outs), Kaufpreiseinbehalte zur Absicherung von Ansprüchen (Escrows) oder eben MAC-Klauseln lässt sich empirisch nicht feststellen.

Selbst wenn es eine Entwicklung hin zu ausgewogeneren Unternehmenskaufverträgen geben sollte, bleibt fraglich, ob es angesichts der aktuellen Krisenmomente zu einer Zunahme von MAC-Klauseln kommen wird. Entsprechende Rücktrittsrechte greifen in aller Regel nur, wenn eine wesentliche Verschlechterung spezifisch die Zielgesellschaft betrifft (sog. Target oder Bu­siness MAC). Ist hingegen der Markt insgesamt betroffen, ist ein Rücktritt typischerweise ausgeschlossen.

Eine Ausnahme bilden öffentliche Übernahmen, bei denen der Bieter die MAC-Klausel nicht ausverhandeln muss, sondern einseitig in sein Angebot aufnehmen kann. Dies wird die Aktionäre der Zielgesellschaft aber kaum davon abhalten, das Übernahmeangebot, sofern attraktiv, anzunehmen, zumal viele Aktionäre ihre Aktien ohnehin erst am Ende der Annahmefrist andienen, wenn klar ist, dass kein MAC eingetreten ist.

Der Fall Fresenius/Akorn

Aus diesen Gründen waren MAC-Klauseln schon während der Corona-Pandemie kein probates Mittel, um sich von einer abgeschlossenen Transaktion zu lösen oder sich in neuen Deals gegen weitere pandemiebedingte Verwerfungen zu schützen. Und deshalb ist auch in den USA, wo MAC-Klauseln – anders als in Deutschland und generell in Europa – ganz regelmäßig vereinbart werden, nur ein einziger und extremer Fall bekannt, in dem sich der Käufer unter Berufung auf MAC erfolgreich von einem Unternehmenskauf lösen konnte: Nach Unterzeichnung des Vertrags, mit dem Fresenius Kabi 2017 den US-Generikahersteller Akorn übernehmen wollte, wurden dramatische Einbrüche des Umsatzes (−25%) und des operativen Gewinns (−105%) von Akorn offenbar. Diese Einbrüche beruhten zwar wohl eher auf schwerwiegenden Compliance-Verstößen bei Akorn als auf unvorhergesehenen äußeren Umständen, gegen die eine MAC-Klausel üblicherweise schützen soll. Trotzdem konnte Fresenius Kabi den Deal unter Berufung auf die vereinbarte MAC-Klausel absagen.

Sicherlich kann man als Käufer versuchen, maßgeschneiderte und atypische MAC-Klauseln zu verhandeln, die selbst bei allgemeinen Verschlechterungen zum Rücktritt berechtigen und auch Umstände erfassen, die bei Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrags jedenfalls dem Grunde nach bekannt sind.

Ob das angesichts der enormen Kaufkraft, die insbesondere bei Fi­nanzinvestoren weiter im Markt ist (global spricht man von sogenanntem Dry Powder bei Private Equity in Höhe von sagenhaften 1,2 Bill. Dollar oder sogar mehr), und der daraus folgenden weiterhin großen Konkurrenz um interessante Zielgesellschaften tatsächlich durchgesetzt werden kann, scheint zumindest fragwürdig.

Soweit es trotzdem zu einer Verschiebung hin zu käuferfreundlicheren Markt- und Transaktionsbedingungen kommt, scheint es naheliegender, dass etwaige Unsicherheiten zunehmend eingepreist und in der Kaufpreisverhandlung Abschläge gemacht werden oder man sich auf einen Earn-out, also einen bedingten Kaufpreisanteil verständigt.

Vielleicht werden sich Verkäufer aber auch eher zweimal überlegen, ob sie zu solchen Bedingungen in der aktuellen Marktlage verkaufen wollen. Zu übermäßigem Pessimismus besteht allerdings auch kein Anlass, wie jüngere, auch großvolumige Deals gerade im Bereich Infrastruktur und IT gezeigt haben.

Transaktionen finden also weiterhin statt, wenn vielleicht auch nicht unbedingt um jeden Preis. Insgesamt bleibt daher abzuwarten, ob wir tatsächlich eine Renaissance von MAC-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen sehen werden.

*) Dr. Stefan Widder ist Partner und Christina Mann Counsel von Latham & Watkins.

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