Nachhaltiges Investieren

Neue ESG-Abfragepflichten für Finanzanlagenvermittler

Auf Finanzanlagenvermittler kommen in der Anlageberatung neue Abfragepflichten zu. Marktteilnehmer sollten sich zeitnah mit den ESG-Kriterien auseinandersetzen.

Neue ESG-Abfragepflichten für Finanzanlagenvermittler

Von Detmar Loff, Cornelius Hille und Tobias Bauerfeind*)

Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f und Honorar-Finanzanlagenberater nach § 34h der Gewerbeordnung sind voraussichtlich ab März 2023 verpflichtet, ihre Kunden im Rahmen einer Anlageberatung zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Dies folgt aus einem Entwurf des Bundeswirtschafts­ministeriums zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) von November vergangenen Jahres.

Der Vorschlag stößt bei den einschlägigen Verbänden überwiegend auf Zustimmung. Allerdings wird der von der Regierung dabei veranschlagte Zeit- und Kostenaufwand als zu gering kritisiert.

Verweis auf EU-Recht

Die geplante Änderung geschieht durch einen unscheinbaren rechtstechnischen Kniff in der Verweistechnik: Bisher verwies die FinVermV „starr“ auf eine bestimmte Fassung der einschlägigen europäischen Vorschriften. Zukünftig erfolgt ein „dynamischer“ Verweis auf deren jeweils geltende Fassung. So wird jeder künftigen Entwicklung und Anpassung der EU-Regelungen umfassend Rechnung ge­tragen.

Nach den Vorschriften der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mi­fid muss das Geschäft, das einem Kunden empfohlen oder für diesen getätigt werden soll, dessen Anlagezielen entsprechen. Die Informationen über dessen Anlageziele umfassen nunmehr (auch) die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden. Für die Definition von „Nachhaltigkeitspräferenzen“ wird umfassend auf die Taxonomie-VO und Offenlegungs-VO verwiesen, die zusammen den ESG-Rechtsrahmen auf EU-Ebene bilden.

Die hohe Detaildichte und Komplexität dieser Regulierung sowie ihre Umsetzung werden die Branche vor große Hürden stellen – nicht zuletzt in Bezug auf Zeit und Kosten. Es darf sich insoweit glücklich schätzen, wer parallel zu 34f als Versicherungsvermittler bereits mit dem Thema vertraut ist.

Es gilt zu beachten, dass sowohl ein Greenwashing als auch eine fehlerhafte Beratung zivilrechtliche Haftungsrisiken bergen und mitunter bereits zu erfolgreichen Schadenersatzforderungen geführt haben. Verstärkt werden könnten solche Risiken durch den aktuellen Wirtschaftsabschwung und entsprechende Kursverluste am Kapitalmarkt. In einem solchen Klima stützen sich Anlegerklagen gerne auf (vermeintliche) Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen.

Im Übrigen werden die Finanzanlagenberater mit der Anpassung der FinVermV lediglich demselben Regulierungsniveau unterworfen wie der übrige Finanzmarkt. Denn seit dem 2. August vergangenen Jahres sind nahezu sämtliche Finanzmarktteilnehmer, allen voran die in der Beratung oder Vermögensverwaltung tätigen Kredit- und Wertpapierinstitute, zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden verpflichtet.

Um einen Gleichlauf vergleichbarer Beratungssituationen zu gewährleisten, musste der deutsche Gesetzgeber schon aus Verbraucherschutzgründen aktiv werden und die bisherige Lücke schließen.

Geeignetheitsbeurteilung

Nach dem Entwurf müssen Berater – nicht jedoch reine Vermittler – künftig Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erfragen, diese bei der vorzunehmenden Geeignetheitsbeur­teilung berücksichtigen und nur solche nachhaltigen Finanzanlageprodukte empfehlen, die nach den eingeholten Informationen für den jeweiligen Kunden geeignet sind – sollte sich der Kunde dafür interessieren.

Möchte ein Kunde Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, d. h. neben den finanziellen vor allem die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Investition in seine An­lageentscheidung einbeziehen, so muss der Berater die kundenspezifischen Nachhaltigkeitspräferenzen mit Fragen zum Mindestanteil ökologisch nachhaltiger Investitionen im Sinne der Taxonomie-VO und Offenlegungs-VO ermitteln sowie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen.

Dokumentation unerlässlich

Umfangreiche Details sind in den EU-Regularien vorgegeben. Ein Branchenstandard muss sich nach den Vorgaben der ESMA noch ent­wickeln.

Generell unerlässlich ist eine saubere Dokumentation. Schon heute ist im Rahmen der Beratung für Privatkunden eine Geeignetheitserklärung anzufertigen, die die Geeignetheit der abgegebenen ­Empfehlung dokumentiert. Die Geeignetheitserklärung muss zu­künftig auch die Nachhaltigkeitspräferenzen erfassen. Die Schwierigkeit in der Praxis wird sein, dass aktuell nur wenige wirklich nachhaltige Finanzprodukte im Markt existieren.

ESG trifft nun also doch auf 34f. Die Berufsgruppe der Finanzanlagenberater muss das Thema Nachhaltigkeit schnell priorisieren, ihre Strukturen und Dokumentation anpassen und sich mit den Chancen und Risiken der neuen „grünen“ Produkte auseinandersetzen.

*) Dr. Detmar Loff ist Partner von Ashurst in Frankfurt, Dr. Cornelius Hille und Dr. Tobias Bauerfeind sind Rechtsanwälte der Kanzlei.

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