Börsengänge

Porsche als Modell für pan­europäisches Retail-IPO

Mit einem Angebot an Privatanleger in sechs europäischen Ländern mit insgesamt etwa 280 Millionen Einwohnern ist das Porsche-IPO ein Präzedenzfall.

Porsche als Modell für pan­europäisches Retail-IPO

Von George Hacket und

Axel Wittmann*)

Das Porsche-IPO hat trotz widrigen Marktumfelds im September 2022 zahlreiche Rekorde im europäischen Kapitalmarkt gebrochen. Auf Basis der Marktkapitalisierung von 78 Mrd. Euro am Tag der Börsennotierung war das IPO der größte Börsengang in der Geschichte Europas, nach Volumen der angebotenen Aktien mit 9,4 Mrd. Euro der in Deutschland größte Börsengang seit dem IPO der Deutschen Telekom 1996.

Auch in der Vermarktung brach Porsche Rekorde: Obwohl ein sogenanntes Retail-Angebot bei Börsengängen in der Regel eine untergeordnete Rolle spielt, entschied sich der Volkswagen-Konzern, Vorzugsaktien Privatanlegern in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich und der Schweiz anzubieten – mit herausragendem Erfolg.

In der Vergangenheit war ein Retail-Angebot in mehr als zwei Ländern­ bereits eine kleine Sensation. Meist steht und fällt der Erfolg eines IPOs mit dem Verkauf von Aktien an institutionelle Investoren außerhalb des öffentlichen Angebots. Retail-Angebote in einem paneuropäischen IPO können für be­stimmte Unternehmen dennoch hochinteressant sein, bringen aber gleichzeitig auch einige Herausforderungen mit sich.

Regionale Unterschiede

Gemäß der EU-Prospektverordnung (EU) 2017/1129 dürfen Angebote von Wertpapieren, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind, nur auf Basis eines geprüften Wertpapierprospekts vorgenommen werden. Die Prospektverordnung sieht für öffentliche Angebote an Privatanleger in mehreren europäischen Ländern ein grundsätzlich einfaches Vorgehen vor. Ein Emittent kann eine Notifizierung, d. h. das sogenannte Passporting, in jedem Staat des europäischen Wirtschaftsraums (EEA) im Heimatstaat beantragen. Das Passporting selbst ist unkompliziert und wird in Deutschland von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) durchgeführt.

Die Komplexität für ein paneuropäisches Retail-Angebot ergibt sich aus einer Reihe anderer Faktoren. So steht es den EEA-Staaten beispielsweise frei, die Zusammenfassung des Prospekts in der jeweils gültigen Landessprache zu fordern. Die meisten EEA-Staaten machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Zu­sätzlich ist es Marktpraxis, die steuerlichen Gegebenheiten in jeder Jurisdiktion, in der ein öffentliches Angebot erfolgt, in einem eigenen Steuerkapitel im Wertpapierprospekt zu be­schreiben. Außerdem be­stehen zivilrechtliche Unterschiede in Haftungsfragen in den einzelnen EEA-Staaten.

Neben diesen rechtlichen Punkten gibt es prozedurale Unterschiede. In einigen EEA-Staaten verlangen die Aufsichtsbehörden eine Vorabprüfung der Marketingmaterialien, die für die jeweiligen Retail-Angebote verwendet werden. Auch die Vertragsdokumentation zwischen den koordinierenden Retail-Banken und der Emittentin ist typischerweise länderspezifisch. Der Prozess des Settlements, d. h. der Abwicklung der Zahlung der Privatanleger gegen Übertragung der Aktien, ist in Europa ebenfalls nicht einheitlich. Beim Porsche-IPO mussten daher für die Vertragsdokumentation und für den Settlement-Prozess europaweit einheitliche Vorgehen entwickelt werden, welche in diesem Fall dem deutschen Marktgebrauch entsprachen.

Eine weitere Hürde: Nicht alle Investmentbanken sind in der Lage, in jedem europäischen Land die Zeichnung durch Privatanleger zu koordinieren. Vor allem die großen Retail-Banken mit Filialnetzen in den einzelnen Ländern kommen für diese Koordination in Frage. In Zukunft könnten allerdings auch Fintech-Anbieter mit Mobile-App-Plattformen wie Primary Bid Alternativen für die Zeichnung von Privatanlegern anbieten.

Trotz des erhöhten Aufwands zur Vorbereitung und Koordination können paneuropäische Retail-IPOs nach dem Vorbild Porsches für Unternehmen mit starken Marken und hohem Bekanntheitsgrad interessant sein. Einerseits kann mit dem Retail-Angebot ein signifikantes Nachfragevolumen im Börsengang generiert werden, welches die Transaktionssicherheit erhöht und die Liquidität im Markt nach dem IPO stärkt. Andererseits kann ein IPO dadurch einmal mehr als Marketinginstrument und zur Kundenbindung verwendet werden, da sowohl Kunden als auch Mitarbeitern über die Grenzen Deutschlands hinaus ein wirtschaftlicher Einstieg in das Unternehmen ermöglicht wird.

Positiver Marketingeffekt

Auch in den nächsten Jahren werden in Europa milliardenschwere Börsengänge erwartet. Insbesondere der positive Marketingeffekt durch Angebote an Privatanleger sollte in jedem zukünftigen IPO bereits zu Beginn des Prozesses gegen den Aufwand abgewogen werden. Mit jedem weiteren Retail-Angebot in mehreren europäischen Ländern dürfte der Prozess außerdem einfacher werden, da sich eine Verwaltungspraxis etablieren wird. Diese Entwicklung könnte auch ein Schritt auf dem Weg zu einer weiteren Integration des Kapitalmarkts in Europa sein, wodurch sich der europäische Markt zukünftig an die Gegebenheiten im US-Markt annähern könnte.

*) Dr. George Hacket ist Partner, Dr. Axel Wittmann Counsel bei Clifford Chance in Frankfurt.

Die Autoren haben mit einem großen Team der Kanzlei die Emissionsbanken beim Porsche-IPO beraten.

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