Rechenzentren als Chance für den Wirtschaftsstandort
Rechenzentren als Chance für den Wirtschaftsstandort
Hohe Nachfrage stößt auf derzeit eher begrenztes Angebot – Enormer Strombedarf – Faktische Hemmnisse und neue rechtliche Restriktionen
Von Fabian Liepe und Dr. Christoph Tamcke *)
Frankfurt am Main verfügt mit dem Internetknoten DE-CIX – gemessen am Datendurchsatz – über einen der größten Internetknoten. In einer Welt, die immer stärker getrieben wird von Digitalisierung, Clouddienstleistungen und künstlicher Intelligenz, ist dies ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor.
Für die Datenverarbeitung sind Rechenzentren (Data Centres) ein integraler Bestandteil und damit Rückgrat der Digitalisierung. Insbesondere für Clouddienstleistungen, die eine niedrige Latenz, d.h. einen schnellen Zugriff auf die Daten, erfordern, müssen Rechenzentren örtlich in der Nähe wichtiger Internetknoten stehen.
Starker Zubau
Aussagekräftiger als die Zahl der sehr unterschiedlich dimensionierten Rechenzentren ist deren IT-Leistung (Rechenleistung). Die German Data Center Association (GDA) als Verband der Branche weist in ihrem Data Center Impact Report Deutschland 2024 für Frankfurt am Main mit 831 Megawatt (MW) eine Gesamtkapazität aus, die die Berlins als zweitgrößtem deutschen Standort mit 115 MW bei Weitem übertrifft. Für Frankfurt wird ein Zubau von mehr als 1.000 MW erwartet, was etwa zwei Drittel des bundesweiten Zubaus entspricht.
Neben dem faktischen Nachfragewachstum ist es Ziel der Politik, Datenverarbeitungsprozesse innerhalb der Europäischen Union zu halten; dies hat sowohl datenschutzrechtliche als auch geostrategische Hintergründe, denn insbesondere Daten von strategischer Relevanz sollen aus Souveränitätsgründen nicht in Drittstaaten verarbeitet werden.
Rechenzentren sind damit unabhängig von der rechtlichen Einordnung eine essenzielle und kritische Infrastruktur für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Ein weiterer Zubau ist nicht nur erwartbar, er findet bereits statt mit zunehmender Größe und Rechenleistung der Projekte. Das Investitionsvolumen wird bis 2029 auf jährlich über 2 Mrd. Euro geschätzt. Die Region Frankfurt als Hauptstandort der Branche in Deutschland wird vom aktuellen Boom maßgeblich profitieren.
Wachstumshemmnisse
Dem rasanten Wachstum der Branche werden zunehmend Grenzen gesetzt, wobei der allgegenwärtige Fachkräftemangel die Branche wie andere auch trifft. Zum einen benötigen Rechenzentren hinreichend große Grundstücke, die im Raum Frankfurt nur noch begrenzt zur Verfügung stehen. Dies führt zu entsprechenden Preisentwicklungen und Eingriffen der Kommunalpolitik, die einen Verdrängungswettbewerb mit anderen Industriezweigen befürchtet (in Frankfurt mit einem Rechenzentrenkonzept mit vorgesehenen Ansiedlungsclustern und Bauverbot im Übrigen).
Zum anderen übersteigt der Strombedarf von Rechenzentren den klassischer Industriebetriebe typischerweise erheblich und stellt kommunale Netzbetreiber selbst in gut erschlossenen Bereichen vor Herausforderungen. Umfangreiche und kostenintensive Netzertüchtigungs- und -ausbaumaßnahmen mit langen Vorlaufzeiten für Planung und Umsetzung führen zur weiteren Verknappung von Ressourcen und erschweren den zügigen Zubau von Rechenzentren. Die Errichtung der Netzinfrastruktur durch die Rechenzentrenbetreiber selbst kann dies nur begrenzt beschleunigen.
Der Strombedarf wird sich zukünftig weiter erhöhen, da Anwendungen der künstlichen Intelligenz hohe Rechenleistungen erfordern. Es verwundert nicht, dass die International Energy Agency eine Verdopplung des Strombedarfs von Rechenzentren bis 2026 prognostiziert.
Geschäftsmodelle
Unmittelbare Nutzer von Rechenzentren sind neben großen Anbietern von Clouddienstleistungen (z.B. AWS, Google, Apple, Microsoft, Alibaba) auch kleinere Unternehmen. Während die Cloudanbieter Rechenzentren exklusiv nutzen, benötigen kleinere Nutzer nur einen Teil der Rechenleistung. Daraus leiten sich unterschiedliche Geschäftsmodelle ab: Hyperscaler für exklusive Großnutzer und sog. Colocation-Rechenzentren für eine Vielzahl kleinerer Nutzer.
In beiden Modellen betreiben die Nutzer die Rechenzentren typischerweise nicht selbst, sondern sind Mieter. Das Grundstück mitsamt Gebäude, Strom- und Glasfaseranschluss (power & shell) wird von einem Dritten vermietet. Im Bereich der Hyperscaler wird spezifisch nach Wünschen der Nutzer gebaut, um auf deren individuelle und von ihnen selbst eingebrachte Hardware zugeschnittene Lösungen zu ermöglichen. Eine Vermietung an einen anderen Mieter ist damit kaum möglich.
Investoren
Mit der Vermietung leistungsfähiger Rechenzentren lassen sich relativ hohe Renditen erzielen, denn die große Nachfrage stößt auf ein derzeit eher begrenztes Angebot. Neue Anwendungen wie künstliche Intelligenz stellen nicht nur umfangreiche, sondern qualitativ höhere Anforderungen. Der Zubau kann mit der wachsenden Nachfrage nicht Schritt halten, insbesondere wegen der Dauer der Genehmigungsverfahren. Dies zeigt sich auch in niedrigen Leerstandsquote großer Rechenzentren.
Hohe Renditen und enormer Kapitalbedarf führen dazu, dass neben (Spezial-) Immobilienentwicklern und regional tätigen Energieversorgungsunternehmen verstärkt Finanzinvestoren in diesen Bereich vordringen. Risikoaversere Investoren, die nicht selbst entwickeln, erwerben Rechenzentren häufig noch während der Bauphase. Demgegenüber errichten und betreiben Unternehmen immer seltener Rechenzentren für eigene Zwecke, sondern kaufen zu günstigeren Preisen lediglich Rechenleistung bei externen Dienstleistern ein.
Regulierung und Standortpolitik
Neben faktischen Hemmnissen sieht sich die Branche verstärkt neuen rechtlichen Restriktionen gegenüber. Der hohe Strombedarf ist Auslöser für einen breiten Fächer zusätzlicher regulatorischer Anforderungen: Strom muss – ab 2027 sogar ausschließlich – aus erneuerbaren Quellen stammen, effizient genutzt werden und auch die entstehende Abwärme soll Verwendung finden. Die essenzielle Notstromversorgung mit regelmäßigen Tests soll ebenfalls emissionsarm ausfallen.
Die im Energieeffizienzgesetz (EnEfG) ausdifferenzierten und auf lokaler Ebene im Rahmen von Baugenehmigungen und Verträgen zwischen Kommune und Betreibern teils noch verschärften Anforderungen sind häufig kleinteilig. Die Branche unterliegt mittlerweile detaillierten regulatorischen Berichtspflichten z.B. zur Strom- und Wassereffizienz (PUE bzw. WUE). Zielkonflikte sind programmiert. Staatliche Förderprogramme für die Abwärmenutzung im Zusammenhang mit der forcierten kommunalen Wärmewende, für die Rechenzentren eine wichtige Rolle spielen können, bleiben nicht ohne Reibungs- und Effizienzverluste.
Kritische Infrastruktur
Das politische Bestreben Daten in der Europäischen Union zu speichern und zu verarbeiten ist angeklungen. Dies äußert sich z.B. in der Datenschutzgrundverordnung und der Außenwirtschaftskontrolle. Schon vergleichsweise kleine Rechenzentren gelten ab Inbetriebnahme als kritische Infrastruktur und dürfen von unionsfremden Dritten nur nach Durchlaufen eines Freigabeprozesses beim Bundeswirtschaftsministerium erworben werden.
Neben den Vorgaben auf Bundes- und europäischer Ebene bergen zusätzliche regionale Anforderungen die Gefahr, den regulatorischen Bogen zu überspannen. So wird beispielsweise gefordert, dass die Grundstücke öffentlich zugänglich sein sollen, was angesichts der Einordnung als kritische Infrastruktur zur sicheren Verarbeitung sensibler Daten – d.h. sicher vor äußeren Angriffen – nicht überzeugt.
Koordinierungsbüro
Die hessischen Koalitionsparteien haben den Standortvorteil im Koalitionsvertrag benannt und ein Koordinierungsbüro für die Rechenzentrumsplanung geschaffen. Die Kommunen sollten bei der Schaffung lokaler Hürden darauf achten, dass neu geschaffene Anforderungen in sich widerspruchslos und aktuell technisch umsetzbar sind.
Ein stärkerer Dialog zwischen Betreibern, Nutzern und Politik (auf allen Ebenen) könnte helfen, Prozesse zu beschleunigen. Technische Machbarkeit und regulatorische Anforderungen stehen noch nicht immer im Einklang. Verantwortlichkeiten zwischen den Betreibern (Vermieter), Nutzern der Rechenzentren (Mieter) und Abnehmern der Abwärme müssen beispielsweise häufig in einer heterogenen Interessenlage vertraglich ausbalanciert werden.
Die hohe Konzentration im Frankfurter Raum führt zu einer spürbaren Verknappung von Ressourcen und einer Verlängerung der Prozesse. Mit Berlin als aufstrebendem inländischen Markt – fast ein Drittel des Ausbaus wird dort erwartet – ist zu erkennen, dass die Branche nach Ausweichmöglichkeiten sucht.
*) Fabian Liepe ist Counsel und Dr. Christoph Tamcke Managing Associate von Linklaters in Frankfurt. Die Rechtsanwälte betreuen schwerpunktmäßig Unternehmen aus der Rechenzentrumsbranche.
*) Fabian Liepe ist Counsel und Dr. Christoph Tamcke Managing Associate von Linklaters in Frankfurt. Die Rechtsanwälte betreuen schwerpunktmäßig Unternehmen aus der Rechenzentrumsbranche.