GastbeitragSanierungsverfahren

Restrukturierungslandschaft als Standortfaktor

Die Effizienz von Sanierungsinstrumenten ist für Investoren ein Gradmesser ihrer Investitionsentscheidungen. Daher ist die Funktionsfähigkeit und Robustheit von Sanierungsverfahren eine wesentliche Standortfrage.

Restrukturierungslandschaft als Standortfaktor

Restrukturierung als Standortfaktor

Bei internationalen Sanierungen kommt das deutsche StaRUG selten zum Einsatz – Diskussion um Einordnung von Gesellschafterdarlehen als Risikokapital

Von Sabine Vorwerk *)

Die Restrukturierung von Unternehmen kennt viele Spielarten. Welche Anforderungen sie dem Management abverlangt, hängt maßgeblich davon ab, welchem Gefährdungsgrad das Unternehmen bereits ausgesetzt ist. Adressiert die Restrukturierung eine vorausschauende Neuausrichtung eines Geschäftsmodells oder einer Konzernstruktur, dann wird dieser Prozess meist in einem deutlich stabileren Umfeld ablaufen, als wenn akuter Finanzierungsbedarf hinzutritt oder bereits Kündigungsrechte unter einem Finanzierungsvertrag eingetreten sind.

Welche prozessualen Zutaten eine Sanierungssituation tatsächlich benötigt, hängt demnach entscheidend vom Einzelfall und dem Eskalationsgrad ab. Ist dieser derart fortgeschritten, dass ein Insolvenzgrund bereits eingetreten ist oder einzutreten droht, kann unter Umständen die Flucht nach vorne in ein Insolvenzverfahren der richtige Weg sein.

Präventives Verfahren

Häufig werden Gesellschafter und Finanzierer jedoch versuchen, ein Insolvenzverfahren zu vermeiden, sofern dies mit nicht kalkulierbaren Risiken einhergeht, vor allem im Hinblick auf mögliche operative Folgen. In diesen Fällen steht Unternehmen und Gläubigern ein präventives Verfahren zur Verfügung, welches die Umsetzung einer Sanierung zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens ermöglicht. Es handelt sich um das sogenannte StaRUG, einem gerichtlich begleiteten Restrukturierungsplan, der zur Abstimmung gestellt wird und dabei einem gesetzlich vorgegebenen Rahmen folgt.

Wenn eine Restrukturierung vollständig konsensual durchgeführt wird und alle Beteiligten daran mitwirken, bedarf es im Zweifel keines dieser Verfahren.

Die Effizienz von Sanierungsinstrumenten – gerade auch zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens – wird für Investoren zum Gradmesser ihrer Investitionsentscheidungen. Daher ist die Funktionsfähigkeit und Robustheit von Sanierungsverfahren eine wesentliche Standortfrage.

StaRUG hauptsächlich bei innerdeutschen Restrukturierungen

Das StaRUG wird bislang vor allem für Transaktionen in einem rein innerdeutschen Rechtskontext nachgefragt, hauptsächlich für die Restrukturierung von Schuldverschreibungen und Schuldscheindarlehen. Bei internationalen Restrukturierungen wird es weiterhin eher zurückhaltend eingesetzt. Das liegt wohl auch daran, dass das deutsche Verfahren aus Sicht vieler internationaler Investoren als nicht ausreichend erprobt und verlässlich genug gilt.

Die Sorge um einen Zugang zu einer sanierungsfreundlichen Jurisdiktion in Krisenzeiten führt nicht selten dazu, dass Finanzierungen – auch wenn sie an deutsche Unternehmen ausgereicht werden – nicht deutschem Recht unterliegen, sondern englischem oder US-amerikanischem. Diese Rechtswahl erleichtert die Anwendung von Sanierungsverfahren außerhalb Deutschlands. Insoweit besteht ein reger Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Sanierungsregimen.

Die Briten nutzen seit vielen Jahren vor allem das „UK Scheme of Arrangement“, ein seit Jahrzehnten etabliertes Verfahren, welches dazu dient, Sanierungen der Fremdkapitalseite auf der Basis von Mehrheitsentscheidungen durchsetzen zu können. Großbritannien hat die Bedeutung von Sanierungen als Standort- und Wettbewerbsfaktor schon lange für sich erkannt. Kurz vor Inkrafttreten des deutschen StaRUG hat es gleichgezogen und einen fast spiegelbildlichen „Restructuring Plan“ eingeführt, um alle Spielarten der Implementierung von Sanierungen auch gegen den Willen einzelner Gläubigergruppen oder Gesellschafter anbieten zu können.

Großbritannien weiter beliebt

Eine Vielzahl von Beispielen aus der jüngsten Sanierungspraxis zeigt, dass der Weg nach Großbritannien weiterhin sehr beliebt ist, um Restrukturierungen umzusetzen. Dabei werden verschiedene Techniken angewandt, um die Zuständigkeit britischer Gerichte zu begründen. In Frage kommt hier die Änderung des geltenden Rechts und der Gerichtsbarkeit der Finanzierungsdokumente, die Verlegung des Schwerpunkts der hauptsächlichen Interessen des Unternehmens oder die nachträgliche Integration britischer Gesellschaften in bestehende Finanzierungsvereinbarungen. Vertrauen in die Vorhersehbarkeit eines Sanierungsverfahrens, hohe Professionalität und kommerzieller Sachverstand der Gerichte sind wesentliche Faktoren, mit denen Großbritannien als Sanierungsstandort ins Rennen geht.

Negatives Image

Damit soll nicht gesagt sein, dass der verfahrensrechtliche Werkzeugkasten im deutschen Recht ein schlechter ist. Neben dem StaRUG steht in Deutschland auch das Insolvenzverfahren als zusätzliches Sanierungsmittel zur Verfügung. Bereits bei der Reform des deutschen Insolvenzverfahrens im Jahr 1999 wurde die Idee eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens fest in der Insolvenzordnung verankert.

Das Insolvenzverfahren ist seither multifunktional und dient sowohl der Liquidation als auch der Rettung von Unternehmen. Jedoch ist es bislang nicht gelungen, das negative Image des Verfahrens abzustreifen. Doch genau das ist es, was Deutschland als Standort für Restrukturierungen benötigt: ein positives Image, welches den Erwartungen eines internationalen Investorenmarktes standhält.

Dazu zählt auch, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die für Gesellschafter attraktiv genug sind, um sich mit frischem Geld an der Rettung ihrer Unternehmen zu beteiligen. Im deutschen Recht gilt aktuell der Grundsatz, dass die Ansprüche von Gesellschaftern, die sich mit neuen Gesellschafterdarlehen an der Rettung beteiligen wollen, das Risiko tragen, wenn diese Rettung nicht gelingt. In diesem Fall treten die Rückzahlungsansprüche des Gesellschafters hinter sämtliche andere Gläubiger zurück. Das Neuinvestment eines Gesellschafters, auch wenn es als Darlehen gewährt wurde, wird damit in der Krise gesetzlich zum Risikokapital herabgestuft. Auch eine rechtlich geschützte Besicherung dieser Ansprüche ist nicht möglich. Ist diese Einordnung noch zeitgemäß? Sollte ein Gesellschafter, der sich bei einer seriösen Restrukturierung engagiert, nicht den gleichen Schutz für sein Engagement genießen können, wie jeder Kreditgeber? In anderen Jurisdiktionen wird dies durchaus befürwortet, mit dem klaren Ziel, Gesellschafter zu incentivieren, sich mit zusätzlichem Kapital einzubringen.

Sanierungsprivileg

Auch in Deutschland gilt die automatisch angenommene Einordnung von Gesellschafterdarlehen als Risikokapital nicht, wenn das Darlehen von einer staatlichen Förderbank, einer Tochter einer staatlichen Förderbank oder einem Unternehmen, an dem eine staatliche Förderbank (mittelbar) beteiligt ist, gewährt wurde. Staatliche Förderbanken sind beispielsweise die KfW, die Landesförderbanken, Landesinvestitionsbanken, Länderaufbaubanken oder Landesbürgschaftsbanken sowie deren Beteiligungsgesellschaften. Der Bundesrat war seinerzeit der Auffassung, dass es der Wirtschaftsförderung nicht dienlich sei, die KfW oder die Landesförderinstitute den Regelungen über Gesellschafterdarlehen zu unterwerfen, da „diese Regelungen […] im Ergebnis dazu“ führen, „dass sich eine Förderbank sehr gut überlegen wird, ob sie einen Kredit an ein Unternehmen, an dem sie oder eines ihrer Tochterunternehmen bereits beteiligt ist, ausreichen wird“.

Das ist eine nachvollziehbare und richtige Erwägung. Jedoch drängt sich unmittelbar die Frage auf, warum der Wirtschaftsförderungszweck staatlicher Förderbanken höher stehen soll als der ernsthafte Rettungswille eines privatrechtlich organisierten Gesellschafters. Sollte ein investorenfreundlicher Sanierungsstandort nicht ein hohes Interesse daran haben, dass sich privates Kapital aus dem Gesellschafterkreis an der Rettung deutscher Unternehmen beteiligt?

Nachjustieren mit Augenmaß

Es bedarf nicht einer rigorosen Abkehr von bestehenden Rechtsgrundsätzen, sondern lediglich einer gesetzlichen Gleichbehandlung aller finanzierenden Gesellschafter in einem Sanierungsfall – egal ob Neu- oder Altgesellschafter, egal ob staatlich geführt oder nicht. Dieses Ziel könnte durch eine gesetzliche Erweiterung des sogenannten Sanierungsprivilegs mit wenigen gesetzgeberischen Handgriffen erreicht werden.

Festzuhalten bleibt: Es ist nicht der ganz große Wurf erforderlich, um die deutsche Restrukturierungslandschaft wettbewerbsfähiger und somit den Standort Deutschland für Investoren attraktiver zu machen. Es geht um ein sinnvolles Nachjustieren mit Augenmaß, um der heutigen wirtschaftlichen Realität angemessen Rechnung zu tragen.

*) Dr. Sabine Vorwerk ist Partnerin von Linklaters. Sie leitet die Praxis Restrukturierung & Insolvenz der Kanzlei.

Dr. Sabine Vorwerk ist Partnerin von Linklaters. Sie leitet die Praxis Restrukturierung & Insolvenz der Kanzlei.