Unternehmenssanierung

Schutzschirm­verfahren und Regel­insolvenzen stehen für Erfolg

Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen ist zehn Jahre alt. Aus diesem Anlass untersucht die Anwaltskanzlei Schultze & Braun die Nachhaltigkeit von Unternehmenssanierungen.

Schutzschirm­verfahren und Regel­insolvenzen stehen für Erfolg

Von Volker Böhm und Jürgen Erbe*)

Im März 2012 hat das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) die Optionen bei der Sanierung von Unternehmen grundlegend erweitert. Anlässlich des zehnten ESUG-Jahrestags ist Schultze & Braun der Frage nachgegangen, wie erfolgreich und nachhaltig Sanierungen im Rahmen von Regelinsolvenz, Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren sind.

Untersucht wurden dafür Zweitinsolvenzen – also, wenn die erste Sanierung eines Unternehmens nicht nachhaltig war und das Unternehmen erneut den Gang zum Insolvenzgericht antreten musste. Auf Basis von Daten von STP Business Information wurden vom 1.3.2012 bis 1.9.2021 (jeweils rollierende Jahre vom 1.3. bis zum 28./29.2.) 114 Zweitinsolvenzen identifiziert. Die Definition einer Zweitinsolvenz, die Erkenntnisse, die Datenbasis und das Design der Untersuchung sind auf www.nachhaltige-unternehmenssanierung.de dargestellt.

Nachhaltigkeitsquoten

Die Kernerkenntnis der Untersuchung ist, dass beim Blick auf die 114 Zweitinsolvenzen Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren (ESUG-Verfahren) bei der Nachhaltigkeit der Sanierung nicht per se besser abschneiden als Regelinsolvenzverfahren. Zwar ist deren Anteil (70) im Vergleich zum Anteil der ESUG-Verfahren (44) rund 1,6-mal so hoch – allerdings gab es im Untersuchungszeitraum auch wesentlich mehr Regelinsolvenzverfahren (70 Zweitinsolvenzen bei mindestens 54 405 vorläufigen Verfahren/Regelinsolvenzverfahren entspricht einem Wert von 0,0013) im Vergleich zu den ESUG-Verfahren (44 Zweitinsolvenzen bei mindestens 2189 Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren entspricht einem Wert von rund 0,02).

Die Untersuchung zeigt: Sowohl Regelinsolvenzverfahren als auch ESUG-Verfahren stehen für erfolgreiche und nachhaltige Sanierungen. Die Nachhaltigkeits-Quoten können sich definitiv sehen lassen. Die passende Sanierungsform für jedes Unternehmen sollte gleichwohl immer individuell geprüft werden – besonders mit dem Blick auf die Nachhaltigkeit der Sanierung.

Die untersuchten Zweitinsolvenzen zeigen, dass die Corona-Pandemie bis September 2021 nicht zu mehr Zweitinsolvenzen geführt hat. Die überwiegende Anzahl der Zweitinsolvenzen (101) gibt es vor Corona (1.3.2012 bis 1.3.2020). Während Corona (1.3.2020 bis 1.9.2021) gibt es hingegen nur 13 Zweitinsol­venzen.

Auf Jahressicht zeigt sich zudem ein weiterer Corona-Effekt: 2017, 2018 und besonders 2019 (jeweils 1.3. bis 28./29.2.) stieg die Anzahl der Zweitinsolvenzen stark an. Im ersten Corona-Jahr (1.3.2020 bis 28.2.2021) setzte sich dieser Anstieg allerdings nicht fort, es gab vielmehr einen starken Rückgang.

Diese an sich positive Nachricht hat jedoch eine Kehrseite: Die staatlichen Finanzhilfen, die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes und der leichte Zugang zu zinsgünstigem Fremdkapital lassen befürchten, dass erforderliche Sanierungen vertagt wurden und eigentlich insolvente Unternehmen mit staatlichen Hilfen fortgeführt werden. Diese Zombifizierung einzelner Marktteilnehmer kann in den nächsten Jahren zu einem erneuten deutlichen Anstieg auch der Zweitinsolvenzen führen.

Die Untersuchung zeigt, dass der überwiegende Anteil der identifizierten Zweitinsolvenzen innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Erstinsolvenz erfolgt ist. Es zeigt sich also relativ schnell, ob ein Unternehmen nachhaltig saniert wurde. Sind nach einer Sanierung mehr als fünf Jahre vergangen, sind in der Regel die Ursachen überwunden, die zur Erstinsolvenz geführt haben. Natürlich ist ein Blick in die wirtschaftliche Zukunft über mehrere Jahre nur bedingt möglich. Gleichwohl belegt die Untersuchung, welch große Bedeutung der Zeithorizont von fünf Jahren bei der Sanierung eines Unternehmens hat.

Tiefgreifende Einschnitte

Ein Ziel des Gesetzgebers ist es – nicht nur, aber eben gerade auch mit dem ESUG –, dass Unternehmen die Sanierung mit Hilfe eines Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahrens als zweite Chance sehen und ergreifen. Die Untersuchung zeigt, dass es wichtig ist, diese zweite Chance beim ersten Mal zu nutzen: Unternehmen, die innerhalb von fünf Jahren nach der Erstinsolvenz erneut einen Insolvenzantrag stellen müssen, werden fast 1,5-mal häufiger abgewickelt als saniert. Dies ist ebenfalls ein Beleg für die große Bedeutung der ersten fünf Jahre nach einer Sanierung.

Die Fortführung des Unternehmens und der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze stehen zurecht im Fokus einer Sanierung. Wichtig ist jedoch, in einer Sanierung immer auch die Ursachen anzugehen, die zur Insolvenz geführt haben. Lediglich die Passivseite der Bilanz zu reduzieren und dann operativ weiter so wie bisher vorzugehen, mag kurzfristig zu einem Erfolg führen. Um jedoch eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmenssanierung zu erreichen, darf man sich nicht davor scheuen, mitunter auch tiefgreifende Einschnitte vorzunehmen. Denn: Von einer nachhaltigen Unternehmenssanierung profitieren am Ende alle.

*) Volker Böhm und Dr. Jürgen Erbe sind Fachanwälte für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun.