Was die Energiewende beschleunigt – und was sie (noch) bremst
Was die Energiewende beschleunigt und was sie bremst
Investoren benötigen schnelle und nachhaltige Entscheidungen zur künftigen Regulierung – Anreize zum Ausbau der Erneuerbaren greifen
Von Katrin Andrä und Tibor Fedke *)
Die Energiewende war und ist teuer – und für die deutsche Wirtschaft ein großer Kraftakt. Unter anderem sollen die Energieerzeugung kurzfristig komplett auf erneuerbare Energien und klimaneutrale Erzeugung umgestellt und Produktionsprozesse dekarbonisiert werden, um die angestrebte Klimaneutralität bis 2045 sowie die vereinbarten Zwischenziele zu erreichen.
Private Investoren gefragt
Finanziert werden muss die Energiewende größtenteils durch private Investoren aus dem In- und Ausland. Denn nur 10% der erforderlichen Mittel können vom Staat kommen. Folglich steht und fällt die Energiewende hierzulande mit der Frage, ob die regulatorischen Maßnahmen richtige und ausreichende Investitionsanreize zur rechten Zeit bieten.
Ausgehend vom europäischen Green Deal hat die – inzwischen gescheiterte – Koalition in den vergangenen drei Jahren eine Vielzahl an Maßnahmen getroffen, die die Energiewende beschleunigen sollen. Die Maßnahmen zielten in ihrer Gesamtheit darauf ab, den Nachfrage- und Absatzmarkt für erneuerbare Energien zu stärken und regulatorische Hemmnisse – Bürokratie, Genehmigungsdauer, Ausbauhindernisse – abzubauen.
Zu wenig Platz, zu hohe Nachfrage
Bei den klassischen erneuerbaren Energien, wie Onshore Windkraft und Photovoltaik, stellen sich zurzeit insbesondere Platz- bzw. Kapazitätsfragen sowie Netzstabilitätsthemen. Hier zielte der Gesetzgeber bisher maßgeblich darauf ab, durch eine Erweiterung der als Vorranggebiete ausgewiesenen Flächen dem knappen Platzangebot entgegenzuwirken, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen sowie die staatliche Subventionslandschaft anzupassen – um damit die notwendigen Investitionen anzulocken.
Für Offshore Windkraft interessieren sich die meisten Investoren, auch branchenfremde, aufgrund der hohen Stromerträge. In der Folge werden die Projektrechte seit neustem in sogenannten dynamischen Gebotsverfahren vergeben. Die Projektrechte sind aus Investorensicht so attraktiv, dass derzeit nur diejenigen zum Zuge kommen, die bereit sind, hohe Zuzahlungen an die Bundesrepublik zu leisten (sogenannte Negativgebote). Die Mehrkosten gilt es in der Folge wieder zu erwirtschaften: Die Folgen für die Strompreisentwicklung und/oder die Realisierungswahrscheinlichkeit der Projekte werden sich zukünftig zeigen. Als erste Antwort hierauf will der Bund mehr Flächen als ursprünglich geplant zur Ausschreibung bringen. Das Ausbauziel für das Jahr 2035 von 40 Gigawatt (GW) wird daher planmäßig um weitere 10 GW erhöht. Der Gesetzgeber hatte im Bereich Offshore Windkraft wohl die Ambitionen der Investoren unterschätzt.
Photovoltaik brummt
Ähnlich liegt es im Bereich der Photovoltaik. Der Zubau der Anlagen wächst exponentiell – 2023 wurden doppelt so viele Anlagen ans Netz gebracht wie 2022. Die Bundesregierung passt laufend – auch 2024 – die Ausbau-Ziele weiter nach oben an. Ein Großteil der Anlagen kommt ebenfalls ohne staatlich garantierte Abnahmepreise aus.
Im Kontrast zu diesen Entwicklungen steht Onshore Windkraft, die derzeit noch den Großteil des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien ausmacht. Während das Gesamtvolumen auch hier in absoluten Zahlen weiterhin ansteigt, nimmt das Interesse der Investoren nur zögerlich zu.
Zu wenig Speicher
In allen drei Bereichen greifen demnach die staatlichen Maßnahmen. Nicht gelöst ist damit allerdings das technische Dilemma der erforderlichen Netzstabilität und stetigen Versorgung mit Energie aus erneuerbaren Energiequellen: Hierfür bedarf es verlässlicher Speichertechnologie. Daher verwundert es wenig, dass Batteriespeicher derzeit ein El Dorado für Investoren sind. Eingeplant werden Batterietechnologien längst nicht nur für die Elektromobilität, sondern ebenso für Großbatteriespeicher. Denn sonstige Stromspeicher (Power to X) haben sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit entwickelt, werden aber weiterhin von der Bundesregierung gefördert, zum Beispiel bei den sogenannten Zuschaltbaren Lasten.
Problemfall Netze
Um den Erfolg der Erneuerbaren weiter zu verstetigen, neue Technologien (unter anderem Wasserstoff, Geothermie, Carbon Capture) auf den Markt zu bringen und diese auszubauen, wird zudem entscheidend sein, die Stromnetze, mögliche Netzknotenpunkte sowie die weiteren, erforderlichen Netze (Wasserstoffkernnetz, CO2-Netz) für die Einspeisung durch neue Anlagen auszubauen. Ein leistungsfähiges Versorgungsnetz ist Grundpfeiler und derzeit eine der größten Herausforderungen der Energiewende in Deutschland. In der aktuellen Eigentümerstruktur erscheint es aber unwahrscheinlich, dass die möglichen Einnahmen über Netzentgelte für Investoren attraktiv genug sind, um die notwendigen Investitionen zeitnah stemmen zu können.
Nach den Vorstellungen der Bundesnetzagentur sollen auch das Wasserstoffkernnetz sowie ein etwaiges CO2-Netz, wenn dieses nun beschlossen werden würde, auf diesem Weg finanziert werden. Neben der Notwendigkeit, hinreichende Anschlüsse oder einen Transport zur erforderlichen Netzstruktur herzustellen (insbesondere in Regionen, wo ein direkter Anschluss nach den derzeitigen Plänen nicht vorgesehen ist), pochen Unternehmen auf eine konsequente Fortsetzung des Kurses. Darüber hinaus hadern sie mit den neuen Plänen der Bundesnetzagentur zu den Industrienetzentgelten, die jedenfalls für einige Unternehmen neue Belastungen mit sich zu bringen drohen.
Aufstrebende Bereiche
Aufstrebenden Bereichen wie die Nutzung von Wasserstoff, Geothermie oder Carbon Capture ist gemein, dass es sich um noch relativ wenig erprobte Technologien handelt, die hohes Potenzial, aber auch hohe Risiken mit sich bringen.
Bei Wasserstoff wird ein kompletter Industriezweig hochgefahren, der notwendig ist, um überschüssigen Strom zu speichern sowie Wärmenetze und Tankstellen mit erneuerbaren Kraftstoffen zu versorgen. Gleiches ist für Geothermie sowie Carbon-Capture-Anlagen jedenfalls geplant. Alle diese Technologien sind allerdings mit großen Anfangsinvestitionen und erheblichen technischen, und bei Geothermie sowie Carbon-Capture-Anlagen teils auch geologischen Risiken, verbunden.
Ampel-Aus mit Folgen
Weitere Investitionen in die Energiewirtschaft stehen und fallen mit einem stabilen, regulatorischen und vorhersehbaren Rechtsrahmen. Ob dieser in allen Bereichen kommt, wie vorbereitet bzw. bislang vorgesehen, ist unklar. In der Langfristbetrachtung scheint das allerdings nur geringe Auswirkungen zu haben, denn in der Energiewirtschaft haben sich schon immer Phasen abgewechselt, in denen Investoren vorsichtiger oder bereitwilliger waren zu investieren.
Trotz der teils unerwarteten Kurswechsel der Ampel hat sich die deutsche Wirtschaft insgesamt bereits auf den Weg der Klimaneutralität begeben. Deswegen werden Investoren getätigte Investitionen eher nicht zurücknehmen oder deinvestieren. Vor allem in den etablierten Bereichen der erneuerbaren Energien – Solar, On- und Offshore Wind – ist auch weiterhin mit Investitionen der bekannten Marktteilnehmer zu rechnen. Denn Investitionsentscheidungen sind langfristig und müssen sich über viele Jahrzehnte rentieren, so dass es nur selten auf Momentaufnahmen von politischen Entscheidungen im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung ankommt, wenn der Gesamtrahmen weitgehend stabil bleibt.
Wo Verzögerungen drohen
Anders kann dies allerdings bei kurzfristig anstehenden oder Investitions-Entscheidungen in neue Technologien sein, für die es (noch) keinen gesicherten Rechtsrahmen oder hinreichend sichere Förderpolitik gibt. In den relevanten Assetklassen (z.B. Wasserstoffkernnetzes, Carbon Capture, neue, klimafreundliche Kraftwerke) werden sich Unternehmen mit Investitionsentscheidungen zum jetzigen Zeitpunkt oder auch für Deutschland schwertun und diese, soweit möglich, verzögern, bis feststeht, ob es einen Rechtsrahmen gibt und wie dieser aussehen wird.
Weitere Verzögerungen in diesen Bereichen oder gar das Risiko, dass Entscheidungen zugunsten einzelner Technologien oder deren Förderung durch eine neue Regierung nicht weiterverfolgt werden, könnten Investoren verprellen, die Energiewende weiter verzögern oder die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem globalen Markt jedenfalls kurzfristig beeinträchtigen. Dem entgegenzuwirken wird die entscheidende Aufgabe der vermutlich neu zusammengesetzten Bundesregierung.
*) Katrin Andrä und Dr. Tibor Fedke beraten als Partner der Kanzlei Noerr vor allem bei M&A-Transaktionen, Projektentwicklungen und im Gesellschaftsrecht in der Energie- und Infrastrukturbranche.