Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Hermann Meller

Abberufung von Bankaufsichtsräten wegen Inkompetenz bleibt Ausnahme

Vom Gesetzgeber nicht wirklich gewollt - "Kriterium der Sachkunde wachsweich"

Abberufung von Bankaufsichtsräten wegen Inkompetenz bleibt Ausnahme

– Herr Dr. Meller, die Finanzaufsicht geht gegen inkompetente oder unzuverlässige Aufsichtsräte von Banken vor. Was sind die Grundlagen dafür?Grundlage der erweiterten Befugnisse der BaFin gegenüber Mitgliedern von Aufsichtsgremien von Banken ist das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht vom 29.7.2009. Damit wurde § 36 des Kreditwesengesetzes um einen neuen Absatz 3 ergänzt, der der BaFin die Möglichkeit geben soll, gegen inkompetente oder unzuverlässige Mitglieder von Aufsichtsgremien in der gleichen Weise tätig zu werden, wie sie dies bislang schon gegenüber Vorständen und Geschäftsführern konnte.- Was kann die BaFin tun, wenn sie mangelnde Kompetenz feststellt?Wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich die mangelnde Sachkunde eines Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratsmitglieds ergibt, kann die BaFin entweder dem Betreffenden unmittelbar die Ausübung seiner Tätigkeit untersagen oder von den Organen der Bank verlangen, dass sie ihn abberufen. Kommen Organe der Aufforderung nicht nach, kann die BaFin bei Gericht einen Antrag auf Abberufung des Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratsmitglieds stellen. Dieser Fall dürfte aber eher theoretischer Natur sein; die BaFin rechnet damit, dass ein Abberufungsverlangen den Betroffenen veranlasst, von sich aus sein Amt niederzulegen.- Seit August 2009 muss die BaFin auch die Ernennung neuer Aufsichtsräte absegnen. Wie müssen diese Sachkunde nachweisen?Neu bestellte Mitglieder müssen einen Lebenslauf vorlegen, in dem unter anderem die bisherigen beruflichen Tätigkeiten und die fachliche Vorbildung darzulegen sind – wenn es sie gibt. Denn eine Voraussetzung für die Ernennung zum Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat ist fachliche Vorbildung oder berufliche Erfahrung nicht. Über die nötige Sachkunde verfügt nach Ansicht des Finanzausschusses des Bundestags auch jemand, der bereit ist, sich die erforderlichen Kenntnisse nach seiner Bestellung anzueignen.- Finden sich dafür Vorgaben?Für den Inhalt dieser Fortbildung finden sich im Gesetz keine und im Merkblatt der BaFin nur sehr allgemeine Vorgaben. Beispielsweise “sollte” die Fortbildung auf Grundzüge der Bilanzierung und des Aufsichtsrechts eingehen. Wer im Aufsichtsgremium einer Bank sitzt, muss also auch künftig nicht unbedingt eine Bilanz lesen können.- Ist die geforderte “Sachkunde” nicht zu schwach?Das Kriterium der Sachkunde ist wachsweich. Im Regierungsentwurf wurde noch “fachliche Eignung” verlangt, d. h. eine fachliche Qualifikation zur Wahrnehmung einer Kontroll- und Überwachungsfunktion im Finanzsektor. Wäre daran festgehalten worden, müsste man in bestimmten Instituten wohl den größten Teil des Aufsichtsgremiums austauschen. Das haben die im Finanzausschuss vertretenen Parteien erkannt und die “fachliche Eignung” durch den konturlosen Begriff der Sachkunde ersetzt. Nach Ansicht des Ausschusses haben die nötige Sachkunde auch Personen mit beruflichen Erfahrungen “aus einer Tätigkeit in einer anderen Branche oder der öffentlichen Verwaltung”. Die BaFin hält selbst Tätigkeiten aufgrund von politischen Mandaten für ausreichend, wenn sie “maßgeblich auf wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen ausgerichtet und nicht völlig nachgeordneter Natur” waren oder sind. Das wird man in dieser Allgemeinheit wohl von vielen Mandaten behaupten können.- Ist festzustellen, dass die Auswahl ernster genommen wird?Nein. Zum einen dringen diese Prozesse selten nach außen, und zum anderen besteht ja auf Grundlage des neuen Rechts kaum eine Veranlassung zu selektivem Vorgehen, jedenfalls nicht im Hinblick auf das Erfordernis der Sachkunde. Wie so oft dürfte sich insoweit nur der Verwaltungsaufwand erhöhen.- Rechnen Sie nach Bekanntwerden der ersten Fälle nun mit einer Welle von Abberufungen?Die BaFin hat ihre erweiterten Befugnisse seit mehr als einem Jahr; das Merkblatt zu diesem Thema ist auch schon ein halbes Jahr alt. Bisher sind zehn Verfahren eingeleitet worden; bezeichnenderweise wird nur einem der Betroffenen vorgeworfen, nicht die nötige Sachkunde zu haben. Die BaFin wird wohl die Räte ins Visier nehmen, die zu viele Mandate wahrnehmen oder sonst im Interessenkonflikt stehen; das sind alles Fälle mangelnder Zuverlässigkeit. Mit Abberufungen wegen Inkompetenz ist nicht in erheblichem Umfang zu rechnen, denn das ist vom Gesetzgeber ja nicht wirklich gewollt.—-Dr. Hermann Meller ist Partner bei Salans. Die Fragen stellte Walther Becker.