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Aktionäre schätzen die emotionale Dividende

Wenige Zoologische Gärten sind börsennotiert - Papiere der Tiergärten sind bei Bürgern und Sammlern gleichermaßen begehrt

Aktionäre schätzen die emotionale Dividende

Unbeeindruckt von den Turbulenzen an den Aktienmärkten zeigen sich die Aktionäre von Zoologischen Gärten wie dem Berliner Zoo. So verzeichnete das Zoo-Papier im laufenden Jahr lediglich einen Anstieg von 2 % auf zuletzt 3 261 Euro. Statt einer pekuniären Dividende schätzen die Aktionäre eine “emotionale Dividende”, wie sie seinerzeit der Eisbär Knut bot. Aktien von Zoos sind für Liebhaber und nicht für Anleger, die von steigenden Kursen profitieren wollen.Von Armin Schmitz, FrankfurtWesentlich mehr Aufmerksamkeit als die Staatsschuldenkrise hat bei den Aktionären des Berliner Zoos der Nachwuchs erregt, den die 37-jährige Flusspferdkuh “Kathi” am 23. November bekommen hat. Statt der pekuniären Dividende schätzen die Aktionäre die “emotionale Dividende”, wie sie der Nachwuchs von Kathi oder seinerzeit der Eisbär Knut bot. Für den Berliner ist die Aktie des Zoologischen Gartens (mit oder ohne Anteil am Aquarium) ein Muss. Sie fühlen sich dem Zoo verbunden und wollen ihn fördern. Als Aktionäre bekommen sie statt einer Dividende eine Dauereintrittskarte für sich und Familienmitglieder. Die Kursentwicklung hat nur eine untergeordnete Bedeutung. Überhaupt wird die Aktie nur selten gehandelt, weil kaum ein Aktionär bereit ist, sie zu verkaufen.Kaum einer der Berliner Aktionäre weiß allerdings, dass die Ursprünge von Zoologischen Gärten nach heutigem Verständnis in Europa in den Burgen und Klöstern einer dunklen Epoche des frühen Mittelalters zu suchen sind. Wildtiere wie Wölfe oder Braunbären wurden beispielsweise in Burggräben gehalten, um Angreifer abzuschrecken. Erst als italienische Adels- und Fürstenhäuser wie die Medici in ihren Prachtgärten Menagerien anlegten, in denen sie exotische Tiere wie Zebras, Elefanten oder gar Leoparden hielten, kamen Tiergärten in Mode.Nach der französischen Revolution folgten den fürstlichen Tierhaltungen die ersten von Bürgergemeinschaften initiierten und getragenen Zoologischen Gärten. Die von Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Franz I. 1752 gegründete Menagerie von Schönbrunn wurde erfolgreich in einen Zoologischen Garten umgewandelt. Sie gilt heute als ältester Zoo der Welt. Städte folgen London1828 gründete die “Zoological Society of London” im Regents Park den ersten öffentlichen Tiergarten in Großbritannien – als “London Zoo”. Es war damit die erste Einrichtung, die die Bezeichnung Zoo verwendete. Nachdem in rascher Folge andere englische Städte der Hauptstadt mit Neugründungen folgten, eröffnete 1838 in Amsterdam der erste Zoo auf dem Kontinent seine Tore für die Bürger. Zur Finanzierung wählte man meist die Aktiengesellschaft als Unternehmensform. Durch den Kauf von Aktien beteiligten sich Investoren am Bau der Anlagen und dem Erwerb von Tieren.1844 wurde auf Initiative des Zoologen der Friedrich-Wilhelms-Universität, Martin Hinrich Lichtenstein, der Zoologische Garten in Berlin gegründet. Das im November 1843 erlassene preußische Gesetz über Aktiengesellschaften gab dem Garten die gesetzliche Grundlage. Anders als bei Industrieunternehmen sollte der “Actien-Verein des Zoologischen Gartens bei Berlin” jedoch nicht auf pekuniären Gewinn ausgerichtet sein. Die mit Tier- und Pflanzenmotiven dekorativ gestalteten Aktien dienten den Aktionären als Eintrittskarten. Dem Anteilseigner wurde eine Dividende von 3 % versprochen. Eine Ausschüttung erfolgte allerdings vor der Jahrhundertwende nur im Jahr 1900.30 Jahre nach der ersten Gründungswelle wurden auch in anderen deutschen Städten Tiergärten für die Bevölkerung zugänglich gemacht. 1858 öffnete der Frankfurter Zoo, 1860 folgte die Einrichtung in Köln und 1865 Hannover. Die Gründungen dieser Einrichtungen erfolgten häufig durch neu gegründete Aktiengesellschaften. Während die Menagerien lediglich einer elitären Klasse zugänglich waren, wurden die Zoos im 19. Jahrhundert für die breite Bevölkerung geöffnet. Nachdem die Zoos in den Anfangsjahrzehnten der reinen Zurschaustellung von exotischen Tieren und dem Amüsement der Bevölkerung dienten, verschob sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts der Schwerpunkt von der wissenschaftlichen Erforschung von Tierarten hin zur Erhaltungszucht. Die Inflation, der Zweite Weltkrieg mit seinen Folgen und die steigenden Kosten haben viele tiergärtnerische Einrichtungen, die als Aktiengesellschaft gegründet worden waren, in den finanziellen Bankrott getrieben. Eine Reihe von Zoos wurde von den Stadtverwaltungen übernommen, die die Einrichtungen durch die Übernahme der Kosten erhalten konnten. In Deutschland sind heute nur noch fünf zoologische Gärten in Form einer Aktiengesellschaft bekannt: die Aachener Tierpark AG, die Aktiengesellschaft Zoologischer Garten Köln, die Münchner Tierpark Hellabrunn AG, die Zoologischer Garten Berlin AG und die Zoo Duisburg Aktiengesellschaft. Börsennotiert sind lediglich der Zoologische Garten Berlin und der Münchener Tierpark Hellabrunn. “Historische Wertpapiere sind meist das letzte Zeugnis der Existenz einer Reihe von Zoologischen Gärten. Daraus hat sich ein eng umgrenztes Sammelgebiet entwickelt. Auf Auktionen erzielen seltene Aktien und Anleihen Preise bis 20 000 Euro”, sagt Matthias Schmitt vom Auktionshaus HWPH Historisches Wertpapierhaus.